Sozialreferat:Keine Wahl

Christian Müller bei Kommunalwahl in München, 2014

SPD-Stadtrat Christian Müller.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Zahl der Kandidaten für den Chefposten im Jugendamt ist sehr überschaubar

Von Sven Loerzer

Baldmöglichst soll der seit fast zweieinhalb Jahren verwaiste Posten der Stadtjugendamtsleitung neu besetzt werden, doch bei der Auswahl eines geeigneten Nachfolgers oder einer geeigneten Nachfolgerin gibt es nun neuen Ärger. Nach einer verwaltungsinternen Vorstellungsrunde von sechs Bewerbern ist offenbar nur noch eine Bewerberin übrig geblieben, die sich dem Kinder- und Jugendhilfeausschuss vorstellen soll. Damit aber sei eine Auswahl nicht mehr möglich, beschweren sich jetzt die Rathaus-Grünen in einem Brief an den Oberbürgermeister, der auch an die Ausschussmitglieder ging. Bei den Wohlfahrtsverbänden, die im Ausschuss vertreten sind, ist der Unmut ebenfalls groß.

Ein schwerer Schlag wäre das Vorgehen auch für Christian Müller, den sozialpolitischen Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion, der unter den Bewerbern war, aber offenbar bei der Vorstellungsrunde nicht überzeugen konnte. Seine Konkurrentin ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung eine Psychologin, wie bereits die Vorgängerin. Die Bewerberin arbeitet als Bereichsleiterin für einen freien Träger und ist den Experten in der sozialpolitischen Szenerie bislang nicht aufgefallen.

Seit mehr als zwei Jahren hat das größte kommunale Jugendamt der Bundesrepublik keine gewählte Leitung mehr, da die bisherige Chefin erkrankt ist. Zuletzt hatte das Amt mit einer Menge Probleme zu kämpfen. Es musste sich um die enorme Zahl jugendlicher Flüchtlinge kümmern, die ohne Eltern kamen, und hätte es darüber fast versäumt, die Kostenerstattung für Unterkunft und Betreuung geltend zu machen, insgesamt drohten Ansprüche in Höhe von bis zu 240 Millionen Euro zu verjähren. In der Folge verzichtete die damalige Sozialreferentin Brigitte Meier darauf, für eine Wiederwahl anzutreten. Noch mehr Ärger gab es, weil das Jugendamt die Verträge für die Betreuung der schwindenden Zahl jugendlicher Flüchtlinge verlängert hat, ohne den Stadtrat einzuschalten. Die neue Sozialreferentin Dorothee Schiwy ist inzwischen dabei, gründlich aufzuräumen im Referat. Die Neubesetzung der Jugendamtsleitung gehört dabei zu ihren erklärten Zielen. Dass Christian Müller dabei die beste Wahl für das Jugendamt mit etwa 1200 Mitarbeitern wäre, ist unter Sozialexperten durchaus umstritten. Der Sozialpädagoge kennt sich zwar gut aus, weil er aus der katholischen Jugendarbeit kommt, Vorsitzender des Kreisjugendrings war und schon lange dem Kinder- und Jugendhilfeausschuss angehört. Doch Müller, der derzeit als Fachbereichsleiter für die Kindertageseinrichtungen bei der Caritas arbeitet, gilt auch als sehr impulsiv, weshalb sich etliche fragen, ob er der richtige Mann ist, um im Jugendamt Ordnung zu schaffen, ohne die Mitarbeiter zu demotivieren.

In der Sitzung des Kinder- und Jugendhilfeausschusses am vergangenen Dienstag erfuhren die Mitglieder im nichtöffentlichen Teil, "dass nach der verwaltungsinternen Runde nunmehr eine Bewerberin übrig geblieben ist, die dem Stadtrat am 21. März vorgestellt werden soll", wie die Grünen/Rosa-Liste-Fraktionschefs Gülseren Demirel und Florian Roth in einem Brief an den OB schreiben. Vereinbart gewesen sei jedoch mit dem Personal- und Organisationsreferat, dass die am besten geeigneten Bewerber aus dem Kreis der sechs Kandidaten dem Ausschuss präsentiert werden, die den formellen Anforderungen für den Chefposten genügen.

"Wenn aber nur eine Person eingeladen wird, hätten die Ausschussmitglieder "somit keine Alternativen, keine wirkliche Auswahl und keinen Entscheidungsspielraum", kritisiert die Fraktion: "Sie können sich nur noch zwischen Ja und Nein entscheiden." Das wollen die Grünen nicht hinnehmen: "Wir halten es aber für unerlässlich, dem Stadtrat angesichts des herausgehobenen kinder- und jugendpolitisch bedeutsamen Postens einen wirklichen Entscheidungsspielraum zu bieten." Die Grünen haben den OB gebeten, "diesen Vorgang zu korrigieren und beim kommenden Ältestenrat am 10. März zur Diskussion auf die Tagesordnung zu setzen".

Auch bei den Wohlfahrtsverbänden herrscht Verwunderung. Für die Caritas, die derzeit den Vorsitz in der Arbeitsgemeinschaft hat, erklärte Johannes Mathes, "wir gehen davon aus, dass das Anhörungsrecht dadurch umgesetzt wird, dass der Ausschuss mehrere Kandidaten anhören kann". Im städtischen Personal- und Organisationsreferat war am Freitag niemand zu erreichen, der sich dazu hätte äußern können. Auch das OB-Büro wollte sich nicht äußern.

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