Sozialdemokraten in Bayern:Wir gegen uns

Sozialdemokraten in Bayern: So sieht ein Sieger aus: Münchens SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter nach der Kommunalwahl 2014.

So sieht ein Sieger aus: Münchens SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter nach der Kommunalwahl 2014.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Der SPD in Bayern fehlt offenbar an vielen Stellen die innerparteiliche Solidarität.
  • So ist beispielsweise Münchens SPD-Chefin ist nicht mehr im Vorstand der Bayern-SPD vertreten.
  • Die Münchner SPD-Kandidaten mokieren außerdem, dass sie die Wählerstimmen für die Partei holen, dann aber per Liste Kandidaten aus Niederbayern und der Oberpfalz an die Reihe kommen.

Von Dominik Hutter

5200 Mitglieder, ein Oberbürgermeister, acht Landtags- und zwei Bundestagsabgeordnete. Dazu Wahlergebnisse, von denen die sozialdemokratische Diaspora auf dem Land nur träumen kann. Gut möglich, dass diese Fakten zur Sprache kommen, wenn sich der Vorstand der Münchner SPD an diesem Montag trifft.

Denn sie wollen so gar nicht zu dem passen, was Claudia Tausend gerade schwer im Magen liegt und was bei der Sitzung wohl zur Sprache kommen wird: Dass Münchens SPD-Chefin neuerdings nicht mehr im Vorstand der Bayern-SPD vertreten ist. Herausgewählt. Obwohl, so Oberbayern-Chef Ewald Schurer, die Vorsitzende eines derart wichtigen Unterbezirks natürlich in dieses Gremium gehört. Schurers Appelle an die Delegierten blieben wirkungslos. Geht es um die Landeshauptstadt, schalten viele Sozis automatisch in den Kontra-Modus.

"Die Bayern-SPD hat immer ein Problem mit München"

Die Münchner sind es allmählich gewöhnt. "Die Bayern-SPD hat immer ein Problem mit München", sagt ein verdienter Genosse, es herrsche eine "München-Phobie". Seit Langem schon. Prinzip: Die Landeshauptstadt holt die Wählerstimmen, in den Bundestag dürfen dann aber Listenkandidaten aus Niederbayern und der Oberpfalz, die im eigenen Wahlkreis mit Müh' und Not die Zehn-Prozent-Marke überschritten haben.

Zwischen 2009 und 2013 gab es keinen einzigen SPD-Bundestagabgeordneten aus der drittgrößten deutschen Stadt, in deren Rathaus doch seit 1945 fast immer Sozialdemokraten regierten - von Thomas Wimmer bis zu Dieter Reiter. Was Tausend vor eineinhalb Wochen im fränkischen Hirschaid widerfuhr, hat daher für den Münchner Delegationsleiter Roland Fischer Déjà-vu-Charakter. "Und täglich grüßt das Murmeltier."

Die innerparteiliche Solidarität fehlt

Tausend selbst ist schwer enttäuscht von der Niederlage, die in der Öffentlichkeit bislang kaum aufgefallen ist, weil alle nur auf den beim gleichen Parteitag abgestraften Landeschef Florian Pronold geschaut haben. "Das hat mich hart getroffen", räumt die einstige Stadträtin und jetzige Bundestagsabgeordnete ein. "Ich dachte, wir wären in den letzten Jahren weiter gekommen." Tausend war erst seit 2013 Beisitzerin im Vorstand, sie gilt als Leistungsträgerin. "Es ist eigentlich gute Tradition, dass niemand herausgewählt wird, der gute Arbeit leistet", schimpft ein Münchner Genosse.

Landesparteitag SPD Bayern

PD-Landeschef Florian Pronold nach der Schlappe beim Parteitag.

(Foto: Timm Schamberger/dpa)

Beim Treffen der SPD-Landesgruppe am vergangenen Montag hat Tausend bereits mehr innerparteiliche Solidarität angemahnt. Ganz offenkundig spiegele die innere Verfassung der SPD nicht mehr die Realität im Freistaat wider. Und die sieht so aus: Die Boomregion München wird immer stärker, während viele Landkreise im Norden und Nordosten Einwohner verlieren. Gemessen an Wahlergebnis und Bevölkerungsanteil seien Oberbayern und vor allem München innerparteilich unterrepräsentiert, so Tausend. Die Landes-SPD verharre auf dem überholten Standpunkt, die traditionelle Stammwählerschaft sei in Franken zu Hause. Dabei würden Wahlen längst rund um München und vielleicht noch im Raum Ingolstadt entschieden. "Das hat die Partei nicht nachvollzogen".

Die Münchner haben es doppelt schwer

Das sieht auch Schurer so, der Chef des Bezirksverbands Oberbayern. Eine "unschöne Situation" sei mit der Abwahl Tausends entstanden, "so etwas darf nicht mehr passieren". Der Bundestagsabgeordnete plädiert dafür, die SPD müsse eben die Bereiche stärken, wo sie noch Potenzial hat. München plus umliegende Landkreise habe immerhin rund drei Millionen Einwohner, das Milieu tendiere klar in Richtung Rot-Grün. Eine ähnliche Gesellschaftsstruktur könne allenfalls noch Mittelfranken mit Nürnberg, Fürth und Erlangen aufweisen. Die SPD verliere sich viel zu sehr in den ländlichen Gebieten.

Allerdings haben es die Münchner gleich doppelt schwer. Denn die Genossen aus der Landeshauptstadt müssen nicht nur gegen die Phalanx der Franken, Schwaben und Oberpfälzer, sondern oft genug auch gegen den eigenen Bezirksverband Oberbayern ankämpfen. Dass München nun wieder zwei SPD-Bundestagsabgeordnete stellt (Claudia Tausend und Florian Post), geht auf eine Abmachung des früheren Münchner Unterbezirkschefs Hans-Ulrich Pfaffmann mit Schurer zurück. Zwei Münchner auf sicheren Listenplätzen, lautete der Deal, mit dem die Genossen verhinderten, was noch 2009 ganz ernsthaft im Gespräch war: die Abspaltung Münchens von den Oberbayern - durch Gründung eines eigenen Bezirksverbands. Die Münchner fühlten sich damals von den Landkreis-Genossen gegängelt, vor allem bei Kandidatenaufstellungen hatten sie immer wieder das Nachsehen.

Gegen ganz Oberbayern

Bei dem Parteitag in Hirschaid, davon ist Tausend überzeugt, ging es aber eher gegen ganz Oberbayern. "Das sind immer wieder die gleichen Verhaltensmuster". Dass das Ganze ein abgekartetes Spiel war, glauben die Münchner nicht. Nur wieder die alten Reflexe, dass die Landeshauptstadt klein gehalten werden muss. Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly hat es dagegen sehr wohl in den Landesvorstand geschafft. Und auch der Münchner Landtagsabgeordnete Florian Ritter ist an seiner Parteichefin vorbeigezogen.

Letzteres, davon sind einige Münchner Sozis überzeugt, könnte an der traditionell linken Ausrichtung der Bayern-SPD gelegen haben. Ritter gilt als links, Tausend wird dieses Tribut inzwischen nicht mehr zugeschrieben. Es gibt aber ohnehin zumeist mehrere Gründe, warum eine Wahl so ablief, wie sie ablief, geben Münchner Sozialdemokraten zu bedenken. Und so kursiert in SPD-Kreisen auch die These, die Anhänger Pronolds hätten sich nach dessen schlechtem Abschneiden eine Retourkutsche erlaubt - und Tausend abgesägt, weil sie die Münchner für das Desaster verantwortlich machen. Vielleicht ist aber alles auch ganz einfach. Schlicht neidisch seien die da draußen auf das in München Erreichte, lästert ein Genosse. Es sei ja schon etwas schräg, einen Landesparteitag im weithin unbekannten Hirschaid abzuhalten. An einer Erkenntnis komme auch die SPD nicht vorbei: "Die Musik spielt in München."

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