Sound of Munich:München schlägt zurück

Sound of Munich: Verkauft Pop aus München in das ganze Land: Konzertveranstalter Markus Sporrer, der aber nicht aus missionarischen Gründen arbeitet.

Verkauft Pop aus München in das ganze Land: Konzertveranstalter Markus Sporrer, der aber nicht aus missionarischen Gründen arbeitet.

(Foto: Sergej Holzmann)

Markus Sporrer holt als Konzertveranstalter Pop nach Bayern. Jetzt schickt er heimische Bands auf Tour nach Rest-Deutschland

Von Rita Argauer

Markus Sporrer arbeitet dort, wo andere Menschen Spaß haben. Doch im Nachtleben, im Reich der Popkultur, wo viele den Ausgleich zum Arbeitsleben suchen, verschwimmt die Grenze zwischen Party und Alltag. Das bekam Sporrer, Teilhaber der Münchner Konzertveranstalter Club Zwei und Chef vom Dienst im Muffatwerk, zu spüren. Vor zwei Jahren brach die Feierwelt über dem jetzt 30-Jährigen zusammen. Er hatte einen psychischen Zusammenbruch, ging auf Kur und kam mit der Erkenntnis zurück: Er braucht mehr Struktur in seinem Leben. Geregeltere Arbeitszeiten, im Idealfall ein Nine-to-Five-Job. Er entschloss sich, seinem Routine-Geschäft, Bands von außerhalb in München zu veranstalten, die Kehrseite hinzuzufügen: Er schickt nun Bands aus München auf Tour nach Rest-Deutschland. Denn so etwas lässt sich tagsüber organisieren.

Er füllt damit eine Leerstelle in München, begibt sich aber trotzdem auch in ein Risiko. Denn die Münchner Popszene genießt außerhalb von München nicht gerade einen guten Ruf. Warum er dennoch eine hohe Leidenschaft für die Münchner Szene pflegt? "Ich habe das auch als Selbstschutz angefangen", sagt Sporrer. Es ging ihm nicht primär darum, missionarisch die Münchner Bands in die Welt zu schicken. Vielmehr ging es ihm darum, dass ein Booker im Alltag tagsüber arbeitet.

Denn in seinem derzeitigen Berufskonzept hat Sporrer für gewöhnlich mehrere Schichtwechsel in der Woche. Für Club Zwei fällt tagsüber Büroarbeit an. Doch die Konzerte, die die kleine Firma veranstaltet, betreuen die drei Teilhaber ebenfalls selbst. Das heißt, Sporrer steht dort abends an der Kasse und kümmert sich im Generellen um den Ablauf der Veranstaltung. Ein Nacht-Job. Genauso wie seine Arbeit im Muffatwerk. Chef vom Dienst zu sein, etwa bei einer Technoparty, heißt, auf der Party zu bleiben, bis sie vorbei ist, was im Normalfall der nächste Morgen ist.

Ein Blick zurück: Dass Sporrers Alltag sich einmal in dieser speziellen Pop-Szene abspielen würde, war nicht vorauszusehen. Sporrer hebt sich von dieser zum Teil doch recht verkopft über Pop-Kultur-Phänomene nachdenkenden Indie-Riege ab. Er spielt mit Leidenschaft Fußball und trägt Klamotten, die man im Mode-Jargon eher als preppy denn als alternativ bezeichnen würde. Doch Sporrer, der in Niederbayern aufgewachsen ist, interessiert sich seit seiner Jugend stark für Subkulturen. Richtige Subkulturen. Also Hip-Hop zum Beispiel. Oder Hardcore. Nicht die Indie-Musik, die derzeit schon fast Massentauglich ist, sondern eher die obskureren Sachen. "Ich habe als Jugendlicher nicht auf dem Gymnasium Tocotronic gehört", sagt er über die Band, deren Konzerte jetzt eine der größten Einnahme-Quellen seiner Firma sind.

Sporrer lernte Veranstaltungskaufmann, setzte später den Fachwirt drauf, also den kaufmännischen Meister. Danach zog er nach München: "So richtige Subkultur gibt es auf dem Land nicht, außerdem waren meine Freunde in München." In der Landeshauptstadt erfuhr er über einen Bekannten von Club Zwei. Die Firma, in München eine feste Größe der Konzertszene, wurde damals von Ivica Vukelic und Tobias Frank geführt.

"Du bist doch überqualifiziert", hätten sie dort gesagt, als er sich um einen 400-Euro-Job bewarb. Sporrer begann 2010 dennoch, dort zu arbeiten. Dann ging der Firma das Geld aus. Fast bankrott wollten seine damaligen Chefs ihm kündigen. "Ich habe dann ein paar Monate umsonst weitergearbeitet", erzählt er. Sporrer lebte von seinen Nebenjobs in der Gastronomie und wollte Club Zwei nicht verlassen. Die finanzielle Lage wurde nicht besser, schließlich boten ihm Vukelic und Frank zum 1. Januar 2012 an, als Gesellschafter mit einzusteigen und die Firma neu zu gründen. "Das war eigentlich ein Irrsinn", sagt Sporrer. Er mit seiner kaufmännischen Ausbildung stieg in eine verschuldete Firma als Teilhaber ein. Doch im Jahr darauf gingen die großen Bands auf Tournee, die in München traditionell von Club Zwei veranstaltet werden, etwa The Notwist und eben Tocotronic. Und dann lief die Firma. Und sie läuft immer noch.

Nur Sporrer wurde es eben irgendwann ein bisschen viel mit allem. Und er ging mal wieder ein Risiko ein. Ein Veranstalter, dem er einst die zu dieser Zeit noch völlig unbekannte österreichische Band Wanda empfohlen hatte, erzählte ihm von einem neuen Wiener Duo: Seiler und Speer . Ein Neo-Austro-Pop-Chanson-Gespann, deren Lied "Ham kummst" 2016 ein Wiesn-Hit war. Aber als Sporrer Kontakt mit dem Management von Seiler und Speer aufnahm, kannte sie in Deutschland noch kaum jemand. Sporrer wollte sie trotzdem nach München holen und buchte 2015 eine ganze Bayern-Tournee für die Band. Keine Indie-Clubs, sondern Hallen wie das Backstage-Werk. Plätze für 1500 Menschen. Ein bisschen wahnsinnig. Ein hohes Risiko. Und ein Irrsinn, der aufging. Die Band wurde so groß, wie Sporrer vermutet hat. Sie wurde seine "Cash-Cow", wie er es nennt, die es ihm ermöglichte, die Idee der Konzertagentur, so wie sie jetzt ist, zu verwirklichen.

Seiler und Speer wechselten schließlich zu einem größeren Partner. Man hat sich im Guten getrennt. Und Sporrer kümmert sich jetzt um Münchner Bands, etwa Joasihno und Pollyester. "Er ist für uns der erste Agent in unserer Band-Geschichte, der von München aus arbeitet. Die Zusammenarbeit ist dadurch viel enger und schneller", sagt Polly Lapkovskaja von Pollyester über Sporrer, der gerade eine Tour zum Album-Release der Band im Herbst bucht. Und Cico Beck, Kopf von Joasihno, schätzt es, "dass das allerbeste Club-Zwei-Team nun auch eine Booking-Agentur betreibt, auch um Münchner Bands eine Basis zu bieten". Nebenher arbeitet Sporrer immer noch im Muffatwerk. Und bei den Konzerten von Club Zwei. Es ist immer noch kein Nine-to-Five-Job. Aber die Münchner Bandszene hat die erste stadteigene Konzertagentur, die über München hinaus Relevanz besitzt.

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