Solln:In letzter Minute

Cafe Kustermann in Solln, 2015

Traditionsreiche und beliebte Adresse: das Café Kustermann.

(Foto: Claus Schunk)

Eine Initiative kämpft für den Erhalt des Café Kustermann

Von Jürgen Wolfram, Solln

Der Stadtteil Solln ohne sein Café Kustermann wäre für viele Bewohner wie Weißwurst ohne Senf oder Krapfen ohne Füllung. Mit Entsetzen haben sie deshalb auf die angekündigte Schließung ihres beliebten Kuchentheken-Treffs an der Wolfratshauser Straße 224 reagiert. Wobei es ihnen nicht nur um die zuckersüßen Konditoreispezialitäten geht, sondern ebenso um den Pavillonbau aus den Fünfzigerjahren, wie es ihn in München nur einmal gibt. Dieser soll bekanntlich abgerissen und durch einen Neubau mit Geschäften und Wohnungen ersetzt werden.

Jetzt hat sich eine Interessengemeinschaft gebildet, die glaubt, eine bessere Idee zu haben: eine benachbarte Villa, die zum Kustermann-Gelände gehört, abreißen und an deren Stelle den Neubau errichten. Zuvor sollten die Behörden den Denkmalschutz für die in Wahrheit marode Villa aufheben und auf den Café-Pavillon übertragen, empfehlen die zur Rettung entschlossenen Freunde des Rundbaus. Sie wissen, dass es höchste Zeit für Verbesserungsvorschläge ist. Denn das Café muss bereits in wenigen Wochen seinen Betrieb einstellen. Der letzte Öffnungstag steht fest: 17. April. Der Pächter, Konditormeister Thomas Ritz, sah sich deshalb bereits gezwungen, 28 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Kündigung auszusprechen.

Für den Fortbestand des Kustermann haben sich schon viele stark gemacht, der Bezirksausschuss Thalkirchen-Obersendling-Fürstenried-Forstenried-Solln, der Seniorenbeirat des Stadtbezirks 19 und nicht zuletzt viele ortsgeschichtsbewusste Stammgäste. Eine der Initiatorinnen des Rettungsversuchs in letzter Minute ist die bekannte Historikerin und Autorin Dorle Gribl. Sie hat bundesweit Belege dafür gesammelt, wie vergleichbare Pavillonbauten andernorts als Kulturdenkmäler hochgehalten und unter Schutz gestellt werden. Ein dem Kustermann ähnliches Gartencafé in Ludwigshafen gehört ebenso in diese Reihe wie ein Zeitungskiosk in Koblenz oder ein doppelstöckiges Modehaus in Frankfurt. Dort feiert man die "Eleganz, Offenheit und das temperamentvolle Lebensgefühl der Nachkriegsjahre", die Gebäude dieses Stils vermitteln.

"Da fragt man sich als Münchnerin, wie man ein derartiges bauliches Juwel auch bei uns auf die Denkmalliste kriegt", sagte Dorle Gribl bei einem Treffen mit Gleichgesinnten. Das Landesamt für Denkmalpflege sollte wenigstens noch einmal prüfen, ob es da an der Wolfratshauser Straße nicht etwas übersehen hat. Wohlwollend natürlich, immerhin gehe es um ein Stück Sollner Stadtviertel-Identität. Um die Eigentümer des Gebäudeensembles für die Erhaltungsidee zu gewinnen, ließen sich mit Hilfe der Stiftung Denkmalschutz möglicherweise sogar finanzielle Anreize schaffen.

Auch auf der politischen Schiene ergreift das Pro-Kustermann-Bündnis Initiativen. Karl Pauli (CSU), Mitglied im Bezirksausschuss (BA), will das Stadtteilgremium zunächst dazu bewegen, bei den Behörden nachzuhaken, was aktuell an der Wolfratshauser Straße 224 geplant sei. Und an einen BA-Beschluss zu erinnern, der den Erhalt der architektonischen Praline in Solln zum Ziel hat.

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