Polizei auf Twitter:"Kein Messer - keine Stecherei"

Münchens Polizei twittert zwölf Stunden lang ihre Einsätze. Das gerät streckenweise zum interaktiven Volkshochschulkurs - mit ein bisschen Selbstironie.

Von Martin Bernstein

Eine die Polizei beleidigende Schmierschrift an einer Mauer in Riem beschert der Twitter-Community am Freitagabend einen Höhepunkt im virtuellen Bürgerdialog des Polizeipräsidiums. "ACAB" ist dort zu lesen. Die Polizei reagiert mit Humor.

Zwölf Stunden lang begleitet das Social-Media- Team des Polizeipräsidiums München von Freitagmittag bis zum frühen Samstagmorgen unter dem Hashtag #12h110 die Arbeit der Einsatzzentrale.

Streckenweise gerät der Einsatz der sechs Pressestellen-Twitterer zum interaktiven Volkshochschulkurs. Denn die Münchner wollen nicht nur der Polizei bei der Arbeit über die Schulter schauen - sie wollen auch mehr wissen. Fragen nach Ruhestörungen stehen an diesem Abend nicht nur bei den Einsatzfahrten hoch im Kurs, sondern auch bei den wissbegierigen Polizei-Followern: Was ist erlaubt, was ist verboten, was tut die Polizei gegen Krach?

Andere wollen wissen, was bei U-Bahn-Kontrollen passiert (dass dort nämlich die Polizei Kontrollrundgänge macht...) und ob man Meldungen an die Polizei auch per Twitter machen kann (Nein, kann man nicht - dafür gibt es eben die gute alte Notrufnummer 110). Die Polizeisprecher beantworten die Fragen kurz und bündig, wie Twitter das verlangt. Und manchmal auch mit Witz und (Selbst-)Ironie.

Schüsse in Schwabing, ein Toter im Würmtal

Mehrere Vermisste beschäftigen die Polizei am Abend. In Schwabing werden die Menschen durch Schüsse in der Hiltenspergerstraße aufgeschreckt. Ob Schwabing denn jetzt zum Problemviertel werde, will ein besorgter Follower wissen. Die Polizei findet Platzpatronenhülsen. Und einen Tatverdächtigen, der mal eben mitten in der Stadt seine neue Schreckschusswaffe ausprobieren wollte.

Traurig endet dagegen ein Einsatz im Würmtal: Die Polizei ist gerufen worden, weil ein Rentner seine Wohnungstür nicht öffnet. Die Feuerwehr muss kommen und öffnen. Der Mann ist tot. Kripo und Leichenbeschauer müssen kommen. Und die amtlichen Twitterer erklären einem Fragesteller geduldig, warum dieses Vorgehen Standard ist.

So viele Tweets in diesen zwölf Stunden auch abgesetzt werden - sie sind doch nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Geschehen in der Einsatzzentrale. Am späten Abend zieht das Social-Media-Team eine erste Zwischenbilanz. 509.985 Anrufe erreichten vergangenes Jahr die Einsatzzentrale. Fast 1500 täglich also. 157 Einsätze fährt die Münchner Polizei allein zwischen 18.30 und 20.30 Uhr. 190 Streifen sind zu diesem Zeitpunkt in Stadt und Landkreis gleichzeitig unterwegs. Der 1000. Einsatz an diesem Tag ist um 20.47 Uhr.

Kurz vor 23 Uhr, Wales hat da gerade Belgien aus der EM geschossen (auch das ein Thema im Netz, auch natürlich bei der Polizei), twittert das Presseteam: "Notruf wg. angeblicher Messerstecherei in Moosach: Hat so nicht stattgefunden, kein Messer - keine Stecherei". Zahlreiche Tweets aus der Einsatzzentrale werden da noch folgen.

Als die Polizei-Twitter-Truppe um 2 Uhr nachts offline geht, hat sie binnen zwölf Stunden 750 Einsätze ihrer Kollegen mit rund 270 Tweets begleitet. Allein 50 Mal ist die Polizei in dieser Nacht wegen Ruhestörung ausgerückt. Aber das, schreiben die Beamten, sei nicht ungewöhnlich an einem lauen Sommerabend.

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