Social Entrepreneurship:Wie Gründer mit sozialen Projekten Geld verdienen wollen

Kerstin Reimers  im Social Impact Lab, Balanstraße 73, Haus 21 A. Unternehmensgründungen für Flüchtlinge

Zusammen ist man weniger allein: Im neu eröffneten Social Impact Lab an der Balanstraße berät Kerstin Reimers Flüchtlinge bei der Unternehmensgründung.

(Foto: Florian Peljak)
  • In München gibt es eine Reihe von Start-ups, denen es nicht in erster Linie um die Rendite geht.
  • Eine neue Anlaufstelle für "Social Entrepreneurs" hat gerade an der Balanstraße eröffnet.
  • Die Geschäftsideen reichen von backenden Senioren über Honig per Internet bis zur Jobsuche für Flüchtlinge.

Von Jessica Schober

"Die besten Ideen kommen nicht im Sitzen." Das ist gleich so ein hibbeliger Satz, wie man ihn beinahe zu oft hört in der Start-Up-Welt. Lesen kann man ihn auch auf der Internetseite des Impact Hubs, einem Gründerdomizil im Münchner Schlachthofviertel. Von "Co-Creation" ist dort die Rede, wenn es um Zusammenarbeit gehen soll. Konferenzen gibt es hier nicht, sondern es muss schon eine "Unconference" mit völlig offenem Tagesprogramm sein.

An Anglizismen darf man sich nicht reiben in diesem Umfeld. Denn bei aller gelebten Hipster-Kultur zwischen karobehemdeten Vollbärtigen und Duttträgerinnen hat sich hier etwas Besonderes entwickelt, etwas, das tatsächlich nicht im Sitzen entsteht: Ein Biotop des Aufbruchs.

Münchens Gründerszene hat sich gemausert. Lange ging, wer ein Start-Up gründen wollte, nach Berlin. Zumal wenn er günstige Räume suchte. Inzwischen gibt es immer mehr Gründer, die von der Nähe zu zahlungskräftigen Investoren in München profitieren wollen. Es gibt aber auch Gründer, die überhaupt erst gar nicht profitorientiert sind, sondern das Gemeinwohl im Sinn haben. Eine solche Unternehmung nennt man Social Entrepreneurship. Und diese Sozialunternehmer haben einen hehren Anspruch: Die Welt zu einem besseren Ort machen.

Einer der ersten, der in dieser Branche das Münchner Feld bestellte, ist Johann Schorr. Der gebürtige Chiemgauer mit blonder Surferfrisur und lilafarbenem Pullover sitzt in seinem Impact Hub, das er und zwei weitere Gründer 2013 gemeinsam an der Gotzinger Straße eröffneten. Vor der Glastür wuseln Teilnehmer des diesjährigen Impact Festivals durch die Gänge, wer keine Lust auf Arbeiten hat, kann sich im Meditationsraum entspannen oder im Discoraum mit Musik und Stroboskoplicht ablenken lassen.

"Eingeschränkten Innovationsdurst" attestiert Schorr der Stadt, die er einerseits für ihre Gemütlichkeit liebe - und an der ihn andererseits "dieses Wohlstandsgesättigte" nerve. Es dauerte Jahre bis Schorr endlich passende Räume und alle Genehmigungen beisammen hatte, um den Impact Hub zu gründen. Dabei war er sich sicher: "Menschen, die in München an einer enkeltauglichen Zukunft arbeiten, brauchen einfach einen eigenen Ort." Enkeltauglichkeit? Im Grunde sei das nichts anderes als das, was man bei der IHK vielleicht das Prinzip des ehrbaren Kaufmannes nennt, räumt Schorr ein.

Sein Impact Hub ist aufgeblüht. Viele erfolgreiche Gründungsideen sind oder waren hier angesiedelt. In der luftigen Halle sieht man viel helles Holz, unverputzten Ziegelstein, Fahrräder stehen auf Arbeitskabinen, Glaskästen dienen den Teams als Rückzugsort , und alles richtet sich zur Mitte hin auf den so genannten Marktplatz aus. "Wir sind aber nicht bloß Raumvermieter - das wäre das Uninteressanteste an dieser Unternehmung", sagt Schorr, "wir schaffen hier gute Beziehungen zwischen Menschen, die gemeinsame Werte teilen."

Auf einer guten Idee muss niemand sitzenbleiben

Ähnliches soll nun auch im Osten Münchens wachsen. Im Social Impact Lab an der Balanstraße 73 ist viel Platz dafür. Im einstigen Showroom einer Turnschuhfirma sitzt nun das dreiköpfige Team des Münchner Ablegers der Innovationsagentur. Weiß gekachelte Wände, gestapelte Weinkisten, ein Kühlschrank mit Mate-Limonade und W-Lan-Passwörter begrüßen die Besucher.

Social Impact Labs gibt es deutschlandweit in zahlreichen großen Städten. Dass Duisburg vor München sein Lab hatte, zeugt wohl von der bajuwarischen Gelassenheit. Dafür aber bietet das Social Impact Lab Raum für ein besonderes Gründerprogramm: Geflüchtete, die sich selbständig machen wollen, finden hier Unterstützung. Das Pogramm mit dem kryptischen Namen "THSN for Refugee Start-Ups" wendet sich gezielt an Gründer mit Fluchtgeschichte, vom Gastrobetrieb bis zum Medienprojekt.

Social Entrepreneurship: Das Impact Hub im Schlachthofviertel ist ein Treffpunkt für Gründer. Bei einem Festival kamen Sozialunternehmer aus der ganzen Stadt zusammen.

Das Impact Hub im Schlachthofviertel ist ein Treffpunkt für Gründer. Bei einem Festival kamen Sozialunternehmer aus der ganzen Stadt zusammen.

(Foto: oh)

Seit Mitte September arbeiten zwölf Gründer auf gut 350 Quadratmetern auf dem Campus an der Balanstraße an ihren Ideen, beworben hatten sich 20 Menschen. Die Gründungsideen reichen vom Kulturzentrum über ein Falafelbistro bis hin zur Umzugsfirma. Was daran nun der sozialunternehmerische Aspekt sei, muss Gründungsberaterin Kerstin Reimers zuweilen erklären: "Bei uns steht nicht so sehr im Vordergrund, welches Produkt oder welche Dienstleistung das Unternehmen hervorbringt. Das Soziale an unserem Programm ist, dass wir benachteiligten Menschen, in diesem Fall Flüchtlingen, überhaupt eine Chance geben zu gründen."

Reimers selbst hat ein Projekt mitgegründet, das Schokolade in Ghana produziert statt Kakao zu exportieren. Nun berät die 32-Jährige eine kenianische Unternehmerin, die Tee importieren möchte. "Unsere Projekte stehen noch komplett am Anfang." Man verlange auch keine Präsentation am Anfang, Pitch, wie Reimers das nennt, "wir führen Einzelgespräche mit den Bewerbern". Wer ein Stipendium bekommt, erhält Zugang zum Arbeitsplatz, einen Laptop, regelmäßiges Coaching und Seminare.

München sei lange eine Stadt der Industrie gewesen, aber jetzt entwickle sich hier eine Szene fürs Sozialunternehmertum, sagt Reimers und schwärmt: "Vielleicht ist der Begriff Bavarian Valley ein bisschen gehypt, aber wenn bei einer Veranstaltung wie neulich dem Social Business Meet-up plötzlich knapp 70 Menschen hier im Raum stehen, dann ist das ein tolles Gefühl."

Kristina Notz von der Social Entrepreneurship Akademie, einem gemeinsamen Weiterbildungsangebot der Münchner Hochschulen, sieht auch die Universitäten als wichtige Orte für das Sozialunternehmertum. "Die Inkubatoren wie beispielsweise das LMU Entrepreneurship Center oder das Strascheg Center for Entrepreneurship generieren auch Start-Ups, die einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugen wollen." Notz ist jedenfalls überzeugt: Auf einer guten Idee muss in München keiner mehr sitzen bleiben.

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