Kini-Denkmal in München:König im verdammten Nest

Kini-Denkmal in München: Nur ein Abguss des Kopfes ist vom alten Ludwig-Denkmal an der Corneliusbrücke noch übrig. Nun soll der König dort wieder in voller Schönheit stehen. Das fordert vor allem die CSU.

Nur ein Abguss des Kopfes ist vom alten Ludwig-Denkmal an der Corneliusbrücke noch übrig. Nun soll der König dort wieder in voller Schönheit stehen. Das fordert vor allem die CSU.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Soll ein Denkmal für König Ludwig II. in München rekonstruiert werden? In der Stadt wird darüber gestritten.
  • Der König und die Stadt waren sich in tiefer Abneigung verbunden.
  • Bislang gibt es in München kaum Bauwerke, die an ihn erinnern.

Von Jakob Wetzel

Es herrscht Streit um Ludwig II., einmal mehr. Die Stadt München diskutiert darüber, ob sie ein vor fast einem halben Jahrhundert zerstörtes Denkmal für ihn rekonstruieren soll - und ob dieser König überhaupt ein so aufwendiges Monument verdient hat, ausgerechnet in seiner ungeliebten Hauptstadt.

Die Gegner halten die Idee für ein monarchistisches Relikt zu Ehren eines Mannes, der sich um München kaum gekümmert hat. Die Befürworter, darunter Historiker, Politiker, Archivare, Kneipiers und Kulturschaffende, stellen Verdienste dagegen: Ludwig habe Kunst und Kultur gefördert und die bedeutendsten Touristen-Ziele Bayerns geschaffen, heißt es. Das Interesse an ihm sei riesig, München verdanke ihm viel.

Ludwig II. ist eine von Legenden umrankte, widersprüchliche Figur. Wer nach dem realen Menschen hinter dem Faszinosum sucht, der landet mit etwas Glück bei Katharina Weigand. Die Historikerin vom Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) ist Expertin sowohl für Bayerns Könige als auch für Denkmäler. Und die Geschichte des Königs in München, die sie erzählt, ist eine tieftraurige.

Als Ludwig 1864 den Thron bestieg, war er keine 19 Jahre alt und vollkommen unvorbereitet. Er war nicht einmal dazu gekommen, in einer der auswärtigen Residenzen die eigene Hofhaltung zu üben, wie es für Kronprinzen üblich war. An der Universität war er noch Erstsemester. Und rasch musste er lernen, dass er weder der Politik gewachsen war noch seinen Leidenschaften - vor allem Kunst, Theater und Musik - Gehör verschaffen konnte.

Anfangs sei Ludwig II. willens gewesen, sich für sein Land einzusetzen, sagt Weigand. Doch schon bald erhielt er den ersten Schuss vor den Bug, den er wohl umso heftiger empfand, als es um eine Kleinigkeit ging. In Aschaffenburg wollte er eines der mittelalterlichen Stadttore vor dem Abriss retten. Seine Minister aber nutzten die Gelegenheit, um ihm von Anfang an zu zeigen, wer das Sagen hatte, und übergingen seinen Willen auf dem Verwaltungsweg. Das Tor verschwand. Ludwigs erste Initiative endete in Frustration. Und in München kam es noch schlimmer.

Aus dem Stadtleben zog er sich zurück

Hier träumte Ludwig von einer neuen Hochkultur. Gerne unterstützte er die Bürger, als sie das Gärtnerplatztheater bauen wollten, das 1865 fertig wurde. Schon 1864 beschloss er, ein Festspielhaus für Richard Wagner zu bauen. Doch auch hier legte ihm seine Regierung Steine in den Weg; und nachdem der bei den Bürgern verhasste Wagner 1865 München verlassen musste, weil er Intrigen spann, platzte das Projekt. Ludwig war mit einem Herzenswunsch gescheitert, schon wieder.

Was folgt, ist bekannt: Dem Komponisten blieb Ludwig treu, er förderte ihn und ließ vier seiner Opern in München uraufführen. Auch seine politischen Pflichten erfüllte der junge König. Aus dem Stadtleben aber zog er sich zurück. Bälle und Empfänge gab es bald keine mehr, zum Ärger des Hofes, der Hoflieferanten und der Bürger, die sich dort gerne zeigen wollten.

Der König erschuf sich eine Traumwelt in den Voralpen, die Banausen in München verachtete er. Vom Volk sprach er als von den "Phaiaken", anspruchslosen, zur Völlerei neigenden Faulenzern. Umgekehrt spotteten die Münchner über ihren eigentümlichen König, und weil das bei Androhung einer Haftstrafe verboten war, lachten sie eben über "Herrn Huber".

München, das verhasste Nest

München war Ludwig II. fortan ein Graus. Hier musste er repräsentieren, was er nicht wollte, hier traf er die verhassten Minister. Kostproben, wie schlecht es um das Verhältnis zwischen dem König und seiner Hauptstadt bestellt war, finden sich in einem Taschenbuch, das zwei Stadtführerinnen 2011 veröffentlicht haben. Schon der Titel spricht für sich: "Das verfluchte Nest!" Da träumt der König davon, seine Hauptstadt "an allen Ecken" anzuzünden, und klagt, er bewohne die "verhasste, unselige Stadt" mit "unüberwindlichem Widerwillen". Einmal soll er gesagt haben, er wünschte, alle Bayern hätten zusammen nur einen Kopf, dann könne man sie auf einen Streich hinrichten lassen.

Dieser Hass ist der Grund dafür, dass München heute nicht mit Bauwerken Ludwigs II. aufwarten kann. Wenn der König bauen ließ, dann auf eigene Kosten, damit ihm keiner hineinreden konnte, und nur für sich. Sein Großvater Ludwig I. hatte Besucher in die Residenz gelassen; Ludwig II. dachte nun darüber nach, seine Schlösser nach seinem Tod wieder abreißen zu lassen, damit sie nicht von den Blicken des Volkes besudelt würden. Dass seine Familie die Bauwerke kurz nach seinem Tod für Besucher öffnen musste, hätte ihm kaum gefallen. Doch seine eigene Bauwut hatte sie in Geldnot gestürzt.

Souvenirartikel von König Ludwig II.

In Sachen Tourismus läuft's: Souvernirs, die an König Ludwig II. erinnern, verkaufen sich auch in München bestens.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der einzige Neubau Ludwigs II. in München war ebenfalls rein privat: Ab 1867 entstand auf der Residenz ein Wintergarten, eine fantastische Konstruktion aus Eisen und Glas, in der Ludwig einen See anlegen und exotische Gewächse pflanzen ließ. Der König zog sich oft hierher zurück, um zu lesen. Doch der Garten starb mit ihm, nach Ludwigs Tod verfiel er. Der See, dessen Wasser die Mauern durchfeuchtete, wurde geleert. 1896 wurde die ganze Konstruktion abgebaut.

Ähnlich sei es bei der Kultur gewesen, sagt Weigand: Ja, der König unterstützte Wagner, bewahrte ihn vor dem Ruin, und von seiner Musikbegeisterung profitierten Künstler auch in München. Aber Ludwig habe dabei nicht an kunstsinnige Bürger gedacht, er wollte einfach gute Vorführungen für sich selbst.

Immerhin: In der Kunst zeigte Ludwig Initiative, etwa als er das bankrotte Gärtnerplatztheater kaufen und 1872 als Hofbühne neu eröffnen ließ. In anderen Bereichen dagegen ließ der König sich treiben. So gründete er etwa 1868 die Polytechnische Schule, die heutige Technische Universität; wirklich auf den Weg gebracht aber hat er sie nicht. Als Ludwig I. 1826 die LMU nach München verlegen ließ, war das unmittelbar ein Impuls des Königs gewesen.

Die Verdienste um München sind durchwachsen

Für das Polytechnikum aber kursierten längst Pläne und Ideen; der König war mit ihnen lediglich einverstanden und förderte sie. Auch soziale Verbesserungen in München, die Fortentwicklung der Hygiene, den Eisenbahnbau - all das hat Ludwig nicht angestoßen, sondern mehr zugelassen und weitergetragen.

"So toll waren seine Verdienste für München nicht", fasst Weigand zusammen. Posthum aber sei er zur Projektionsfläche geworden. Man stilisierte ihn zum Opfer der Preußen, begründete seine Schlösserbauten mit vermeintlicher Liebe zu Volk und Natur. Als dann die Bedeutung Wagners klar wurde, stand der Kini für Kunst und Kultur. Heute sei vieles am Bild Ludwigs II. nur noch ein Marketing-Gag, sagt Weigand. Seine Verehrung habe viel mit Emotionen zu tun, wenig mit Vernunft.

Aber sie ist deshalb nicht weniger groß. Die CSU im Stadtrat nennt das Denkmal selbst ganz freimütig ein Herzensanliegen. Und der Schriftsteller Alfons Schweiggert, Präsidiumsmitglied der Münchner Turmschreiber, findet, eine Liste mit konkreten Verdiensten des Königs um München aufzustellen, das werde Ludwig II. nicht gerecht. Man müsse die ganze Person würdigen: In den Augen der Öffentlichkeit sei Ludwig II. viel präsenter als andere Könige, seine Schlösser würden gut besucht. "Wer nach München kommt, in seine Geburtsstadt, der fragt doch: Was kann ich hier von Ludwig sehen?"

Katharina Weigand übrigens sagt, persönlich habe sie gar nichts dagegen, das Monument wieder aufzubauen. Sie möge Denkmäler.

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