Snoop Dogg:Moderator mit krimineller Vergangenheit

Für junge Hip-Hop-Fans gilt er als Ikone, mit seinem Rap-Stil verdient er Millionen. Doch Snoop Doggs Vita liest sich wie das Strafregister eines Berufskriminellen.

Andrian Kreye

Für den Jugendsender MTV ist der Rapper Cordozar Calvin "Snoop Dogg" Broadus Jr. der ideale Moderator und Gastgeber der European Music Awards, der alljährlichen Preisverleihung, die an diesem Donnerstag in der Münchner Olympiahalle stattfinden wird.

Snoop Dogg: Moderiert die MTV Awards in München: Snoop Dogg.

Moderiert die MTV Awards in München: Snoop Dogg.

(Foto: Foto: ddp)

Denn MTV bemüht sich wie der Rest der Pop-Industrie immer noch darum, den rebellischen Gestus aus den Hochzeiten der Rockmusik aufrechtzuerhalten, mit dem man ganz hervorragend Musik, Mode und Spielwaren an trotzige Teenager verkaufen kann. Und Snoop Doggs Vita liest sich zunächst einmal wie das Strafregister eines Berufskriminellen.

Der 36-jährige Kalifornier war Mitglied der Streetgang Rolling 20s Crips, wurde schon wegen Drogenhandels verurteilt, wegen Beihilfe zum Mord und Vergewaltigung angeklagt und unzählige Male wegen Drogen- und Waffenbesitzes verhaftet.

Er macht aus seinem Drogenkonsum keinen Hehl und verdiente viel Geld als Pornoproduzent. Das beeindruckt kleine, weiße Jungs aus den Vororten, die damit ihre Eltern schocken. Diese Kids waren schon immer das Zielpublikum des Gangsta Rap, zu dessen Pionieren Snoop Dogg gehört.

Kritiker in Amerika sehen im Genre des Gangsta Rap eine Fortsetzung der Minstrel Shows des 19. Jahrhunderts, bei denen schwarz angemalte Weiße und später auch Schwarze zur Belustigung eines weißen Publikums rassistische Klischees persiflierten.

Auch im Gangsta Rap werden Zerrbilder vom Schwarzen als gewalttätigem, frauenfeindlichem Kriminellen gezeichnet, was als soziale Realität verkauft wird. Wobei die Debatten über das unheilvolle Wechselspiel zwischen Ghetto-Wirklichkeit und ressentimentgeladenem Nervenkitzel oft die musikalischen Leistungen von Figuren wie Snoop Dogg überschattet.

Aufgewachsen ist Snoop Dogg in den Armenvierteln von Long Beach, einer Hafenstadt bei Los Angeles. Weil es für schwarze Teenager dort lebensgefährlich ist, ohne den Schutz einer Gang zu leben, schloss er sich den Crips an. Die Crips hatten sich in den sechziger Jahren aus frustrierten Anhängern der Black Panthers und Jugendbanden formiert.

Ältere Gangster erkannten in dem jungen Calvin Broadus einen talentierten Rapper und förderten ihn nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis. Anfang der neunziger Jahre begann seine Zusammenarbeit mit dem Produzenten Dr. Dre, der auch Stars wie Eminem und 50 Cent entdeckte. Mit seinem lakonischen, entspannten Stil wurde Snoop Dogg schon bald zum Star. Im Jahr 2000 profilierte er sich noch einmal als Pionier. Mit dem Video "Doggy Style" entwickelte er das Genre des Hip-Hop-Porno, das Musikvideos mit Hardcore-Sex mischte.

Im Gegensatz zu seinen notorisch humorlosen Rapperkollegen ist Snoop Dogg eine sympathische Erscheinung. Seine Sprachschöpfungen, bei denen er Worte mit der Silbe "-izzle" verfremdet, sind grandiose Komik. Und mit Nebenrollen in Filmen wie "Bones", "Starsky & Hutch" und "Soul Plane" etabliert er sich derzeit als Schauspieler. Seine Rolle als Moderator hilft ihm nun, sich vom Gangsterimage zu emanzipieren, von dem MTV profitiert.

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