Snacks für Kinder:Wie die Brezensalami das Gelbwurschtradl verdrängt

Fleischtheke einer Karlsruher Metzgerei

Die Auswahl in dieser Fleischtheke interessiert kein Kind mehr. Kinder wollen nur noch eines: die Brezensalami.

(Foto: Uli Deck/dpa)

Viele Münchner Eltern überlegen, 2017 zumindest Kantinenvegetarier zu werden. Derweil haben ihre Kinder einen neuen Kultsnack entdeckt.

Kolumne von Vera Schroeder

Was auch toll an Kindern ist: dass sie sich kein bisschen um gesellschaftliche Trends scheren. Während auch die letzten Erwachsenen darüber nachdenken, 2017 doch endlich mindestens Kantinenvegetarier zu werden, hat sich unter Münchner Kindern ganz heimlich ein neuer Kultsnack etabliert: Die Metzgererfindung der vergangenen Jahre, der ultimative Glücklichmacher nach nervenzehrenden Kita-Tagen, der köstlichste Nachmittagssnack: die Brezensalami. Eine kleine Salamiwurst, etwas weicher und dünner als Bifi, in kindermundgroßer Brezenform.

"Bezesaaali!!!", schreit der Einjährige also hysterisch los, sobald er ein Badezimmer betritt, weil die Kacheln im Babyhirn Metzgersuchtreflexe aktivieren. Und dann bloß nicht mit so einem lächerlichen Stück echter Teigbreze daherkommen, damit können Sie in München vielleicht zahnlose Fünfmonatsbabys abspeisen. Für einen Einjährigen verhält sich ein Stück Teigbreze zur Brezensalami in etwa so, wie für eine Hundertjährige eine vergessene Rosine aus der Vordertasche eines lange verschollenen Rucksacks zu einer Eierlikörpraline vom Dallmayr.

Recherchen, wie die Schüssel Brezensalami hinter die Glasscheibe zwischen die Wurstköstlichkeiten gelangt, verweisen auf eine Lieferkette in viereckigen Plastikpackungen. Verschiedene Wurstfirmen liefern das Produkt "Salamibrezen" in solchen Packungen. Die Landmetzgerei Schiessl aus der Oberpfalz etwa, 5,90 Euro die 30-Stück-Packung.

Die Zutatenliste umfasst 81 Inhaltsstoffe, darunter Kokosflocken, Fisch und Natriumnitrit E250. "Salami besteht meistens aus Schweine- und/oder Rindfleisch" steht da. Wobei natürlich auch dem Radl Gelbwurscht, bisheriger Topseller in der Fleischthekenquengelware, so ein "meistens" in der Produktbeschreibung zuzutrauen ist. Womit man wieder beim Urdilemma des zwischen Acrylamidgrillage und Chiasamen hin und her konsumierenden Jetztzeitbewohners wäre.

Letztens jedenfalls nahm das eine Kind ein paar Brezensalamis unbemerkt mit in die Kinderküche, traktierte sie mit Wasser und Schere, machte lange Würste daraus und legte diese in die Knetmasseschachtel. Tage später stürmte das andere Kind durch die Wohnung, Knetmassenreste am Mund und Verzweiflung im Gesicht: "Der hat die Liebe aus der Salami geschnitten!", schrie er, "Das sind keine Herzen mehr! Nur noch Stangen!" Womit ein weiteres Erfolgsgeheimnis der Brezenform an sich bestätigt wäre. Die Brezenform ist eine Variante der Herzform. Und mit Liebe lässt sich alles verkaufen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: