3000 Jahre altes Grab:Die erste Münchnerin

Fund des 'Ältesten Münchners'

Die Fundstelle der "ältesten Münchnerin" (zugepflasterter Bereich) im Apothekerhof der Münchner Residenz.

(Foto: dpa)

Sensationeller Fund: In der Münchner Residenz sind menschliche Überreste aus der Bronzezeit gefunden worden. Vermutlich stammen sie von einer Frau. Experten wollen sie jetzt untersuchen - auch um zu klären, ob sie eine Zuagroaste war.

Von Wolfgang Görl

Es ist "ein phantastischer Fund", sagt Mathias Pfeil, der Generalkonservator des Landesamts für Denkmalpflege. Ja, fügt er hinzu, die Entdeckung sei geradezu "sensationell". Bei Kanalbauarbeiten im Apothekenhof der Residenz ist ein Grab zum Vorschein gekommen, das die Archäologen mittlerweile als die bislang älteste Grabstätte innerhalb des Stadtgebiets identifiziert haben. Der Mensch, der da neben diversen Beigaben beerdigt worden ist, hat vor mehr als 3000 Jahren, in der späten Bronzezeit (1350-1200 vor Christus), nahe der Isar und ihren Nebenbächen gelebt.

Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um eine 40- bis 60-jährige Frau, die nach ihrem Tod auf einem Scheiterhaufen verbrannt und just dort beigesetzt wurde, wo etwa 2500 Jahre später die Wittelsbacher ihren Wohn- und Regierungssitz errichteten.

Siedlungssgeschichtlicher Vergleich mit Rom

Bernd Schreiber, Präsident der Schlösserverwaltung, schwebt seit dem Fund gleich derart auf Wolke sieben, dass er München siedlungsgeschichtlich in eine Reihe mit Rom stellt: "In Rom sind die ältesten um das Jahr 1000 vor Christus datierten Siedlungsspuren auf dem Palatin gefunden worden, auf dem Hügel also, wo später der Palast von Kaiser Augustus stand. Und auch in München ist der Stadtpalast Fundort des Münchner ,Romulus'." Niemand, fügt er hinzu, habe damit gerechnet, dass auf dem Areal der Residenz, das eine gut 600-jährige Baugeschichte sowie die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg hinter sich habe, noch ein fast unversehrtes Grab aus der Bronzezeit zu Tage trete.

3000 Jahre altes Grab: Aus der späten Bronzezeit stammen die Scherben eines Gefäßes sowie Bronzenadeln und -messer, die in dem Grab lagen.

Aus der späten Bronzezeit stammen die Scherben eines Gefäßes sowie Bronzenadeln und -messer, die in dem Grab lagen.

(Foto: Catherina Hess)

In der Zeit, in der die Frau - salopp gesagt: die erste Münchnerin - gelebt hat, hatte sich die Sitte der Leichenverbrennung bereits durchgesetzt, Grabbau und Beigefäße erinnern aber noch an die zuvor übliche Praxis der Körperbestattung. Übrig geblieben sind von der Toten kleine Knochenteile, die verstreut in der Fundstätte lagen. Man habe, sagt Sebastian Sommer, Abteilungsleiter der Praktischen Denkmalpflege am Landesamt, die Verstorbene an anderer Stelle verbrannt und die Überreste in einer Grube beigesetzt.

Utensilien in Bronze und Vasenknopfnadeln

Dazugelegt haben die Bronzezeitmenschen diverse Tongefäße. Die Archäologen fanden einen stattlichen Scherbenhaufen an Feinkeramik, die zum Teil kunstvoll mit in den Ton geritzten Schraffuren, Bändern und Zickzack-Mustern verziert ist. Vermutlich dienten die Gefäße als Ess- oder Trinkgeschirr, auch Vorratsbehälter befinden sich darunter. Welchen Inhalt sie bargen, muss noch analysiert werden.

3000 Jahre altes Grab: Mathias Pfeil (l.), Generalkonservator des Landesamts für Denkmalpflege, und Bernd Schreiber, Präsident der Schlösserverwaltung präsentieren Teile des Fundes.

Mathias Pfeil (l.), Generalkonservator des Landesamts für Denkmalpflege, und Bernd Schreiber, Präsident der Schlösserverwaltung präsentieren Teile des Fundes.

(Foto: Catherina Hess)

Auch einige Utensilien in Bronze haben die Bestatter seinerzeit der Frau auf ihrer letzten Reise mitgegeben. Zwei Vasenknopfnadeln, die wohl zur Zierde oder als Gewandverschluss gedient hatten, haben die Archäologen entdeckt, ebenso ein Griffplattenmesser, eine Bronzezwinge sowie eine Nadel, deren Zweck nicht ganz klar ist.

Größe der damaligen Siedlung lässt sich nicht bestimmen

So spektakulär der Fund ist: Die Geschichte Münchens muss nicht umgeschrieben werden. Mit dem von Heinrich dem Löwen gegründeten Marktflecken, urkundlich erstmals im Jahre 1158 erwähnt, hat die spätbronzezeitliche Grabstätte nur die geografische Lage gemeinsam. Sie belegt aber ein weiteres Mal, dass dieser Bereich entlang der Isar bereits vor mehr als 3000 Jahren nicht nur besiedelt war, sondern auch über ein florierendes Bronzehandwerk verfügte. Auf dem Gebiet des heutigen Münchens, jedoch außerhalb der Stadtmauern, haben die Archäologen schon früher Funde gemacht, die einen Einblick in das bronzezeitliche Leben an diesem Ort bieten. Das Grab auf dem Apothekenhof der Residenz, so schwärmt Timm Weski, der Leiter der Restaurierungswerkstatt im Denkmalpflegeamt, ist aber "der einzige derartige Fund im Altstadtbereich". Allerdings ist der gesamte Ertrag der Ausgrabungen aus dieser Zeit zu spärlich, um die Größe der damaligen Siedlungen zweifelsfrei bestimmen zu können.

Nach der archäologischen "Erstversorgung" (Sebastian Sommer) durch das Landesamt für Denkmalpflege werden sich nun andere Experten mit den Fundstücken beschäftigen. Carola Metzner-Nebelsick vom Institut für Vor- und Frühgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität will herausfinden, ob die bestattete Frau am Ort geboren oder zugewandert ist. Es wäre ein harter Schlag für Lokalpatrioten, sollte es sich bei der "ersten Münchnerin" um eine "Zuagroaste" handeln.

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