Siemens-Konzernzentrale:Überraschung am Bau

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Die traditionellen Siemens-Bauten am Wittelsbacherplatz 2 (Mitte) und das Palais (rechts) werden renoviert. Dahinter ist der Neubau. (Foto: Robert Haas)
  • Das Ensemble am Wittelsbacherplatz wird vom Neubau der Siemens-Zentrale deutlicher gestört als gedacht.
  • Der Stadtrat stimmte einstimmig für die Pläne - der Stammsitz des Weltkonzerns sollte in der Münchner City gehalten werden.
  • Siemens hat offenbar nicht gegen die Auflagen verstoßen. Doch die Stadt will sich nicht unterstellen lassen, sie habe nicht genügend aufgepasst.

Von Alfred Dürr und Stefan Mühleisen

Der Wittelsbacherplatz gehört mit seinen historischen Gebäuden zu einem der wichtigsten historischen Areale in der Innenstadt. Doch der Neubau der Siemens-Zentrale stört dieses Ensemble klarer, als das ursprünglich in den Vorgaben der Stadt festgelegt war: Von der gesamten östlichen Platzseite ist das Obergeschoss der Konzernzentrale zu sehen, die über die klassizistischen Palais ragt. Hat Siemens gegen Auflagen verstoßen? In der Stadtverwaltung hält man sich mit Schuldzuweisung an den Konzern auch nach der Berichterstattung der SZ vom Wochenende zurück - allerdings auch mit Erklärungen, wie das passieren konnte. Die dürften am ehesten in der Historie des Projektes zu finden sein.

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Es war im Juni 2010 eine Nachricht, die Aufsehen erregte. Das alte SiemensHauptquartier am Wittelsbacherplatz sollte durch eine moderne Konzernzentrale ersetzt werden. Sie sollte auch das Image des Unternehmens transportieren: weltoffen, ökologisch, transparent. Allerdings würde der neue Komplex auch sehr viel größer werden als die alte, verschachtelte und unübersichtliche Zentrale. Statt 800 Mitarbeitern sollten künftig 1200 in den neuen Räumen arbeiten. Der erst 1999 bezogene Bürobau ("Siemens-Forum") des amerikanischen Architekten Richard Meier in unmittelbarer Nachbarschaft wurde 2013 an den Nationalen Pensionsfonds Südkoreas und das Unternehmen Hines verkauft. Von Anfang an betonte Siemens, dass man zehn bis 15 Prozent mehr Fläche als in der alten Zentrale brauchen wird. Der damalige Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) begrüßte ausdrücklich das Bekenntnis des Weltkonzerns zum Stammsitz München.

Einstimmige Genehmigung der Eckdaten

Bereits kurze Zeit nach der Bau-Ankündigung verabschiedete der Stadtrat einstimmig die Eckdaten für die neue Zentrale. Die Absicht, sie im Herzen der Stadt zu errichten, sei gar nicht hoch genug einzuschätzen, lobte zum Beispiel Grünen-Stadtrat Boris Schwartz. Das war der Tenor der Sitzung. Ein zentrales stadtplanerisches Ziel, so hieß es in der Vorlage für die Stadträte, sei eine "qualitätvolle Konzeption". Sie solle dem "städtebaulichen Kontext unter besonderer Beachtung des Denkmal- und Ensembleschutzes sowie der vorhandenen Höhenentwicklung, Maßstäblichkeit und Materialität des Ortes Rechnung tragen". Eine "punktuelle Überhöhung" sei möglich, sofern diese "die Silhouette (Nah- und Fernwirkung) nicht beeinträchtigt". Ähnliche Formulierungen fanden sich in der Ausschreibung für den Architektenwettbewerb - das historische Ensemble des Wittelsbacherplatzes sollte damals also noch geschützt werden.

Im Januar 2011 erfolgte die Ausschreibung für den Wettbewerb. Es gewann Henning Larsen Architects aus Kopenhagen. Deren Entwurf war einer der wenigen, der sich für den Erhalt des Siemensgebäudes am Wittelsbacherplatz 2 einsetzte. Es ist unmittelbar dem Palais benachbart, steht aber nicht unter Denkmalschutz. Trotzdem gehört es zum Erscheinungsbild des Platzes. Eine Alternative wäre gewesen, dieses Gebäude abzureißen und durch einen Neubau mit einer Fassade aus Stahl und Glas zu ersetzen. Das wollte die Stadt nicht.

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Nun tauchte aber die Frage auf, wie die von Siemens geforderten Baumassen zu verteilen sind. Das wurde auch in der Sitzung der Stadtgestaltungskommission besprochen. "Wir haben damals höhere Dachaufbauten thematisiert", erinnert sich Christian Amlong (SPD), der planungspolitische Sprecher seiner Fraktion. Von einer möglichen Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes am Wittelsbacherplatz sei aber nicht die Rede gewesen.

Die Wirklichkeit sieht anders aus als die Bilder

Unterdessen bereitete Siemens die Großbaustelle in der Maxvorstadt vor - mit Informationsveranstaltungen für die Bürger, mit dem Abbruch der alten Gebäude und mit einem speziellen Bauzaun. Diese Schallschutzwand war zehn Meter hoch und 300 Meter lang. Mitte Mai 2013 wurde die Baugenehmigung erteilt. In Rekordzeit von fünf Monaten - wie Siemens stolz verkündete. Ein paar Monate zuvor hatte das Landesamt für Denkmalpflege den Planungen "ohne Anmerkungen und Einwendungen" zugestimmt. Das Landesamt sagte in einem Grundsatz-Gutachten auch, dass man ein "grundsätzliches Potenzial für eine Höhenentwicklung, welche über die Trauf- und Firstlinien am Wittelsbacherplatz hinausgeht", erkenne - allerdings nur im Westen des Areals, also am Oskar-von-Miller-Ring.

Die Stadt will sich dennoch nicht unterstellen lassen, sie habe nicht genügend aufgepasst. "Alle Beteiligten wussten, dass man die neue Zentrale sehen wird", sagt Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Aber vielleicht war man sich letztlich doch nicht so bewusst, in welcher Deutlichkeit und mit welchen Konsequenzen für das Gesamtbild das geschehen wird. Pläne und Computersimulationen seien das eine, stellt Stadtheimatpfleger Gert Goergens fest. Einen realistischen Eindruck bekomme man aber erst dann, wenn das Gebäude fertig sei. Im örtlichen Bezirksausschuss (BA) werden die Beschwerden mit Erstaunen registriert. "Mich hat das überrascht", sagt der BA-Vorsitzende Christian Krimpmann (CSU). Er berichtet von intensivem Kontakt mit Siemens: "Die haben uns als Bürgergremium immer mitgenommen." Er lobt die transparente Haltung des Konzerns. Es sei kaum vorstellbar, dass Siemens "wortbrüchig" werden könnte.

© SZ vom 03.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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