Siedlung Ludwigsfeld:Kreative Dichte auf kleinem Fleck

Ehemalige Lagerbaracke in der Siedlung "Ludwigsfeld" in München, 2012

Nutzung ungewiss: die ehemalige denkmalgeschützte Zwangsarbeiterbaracke des Dachauer KZ-Außenlagers Allach an der Granatstraße.

(Foto: Florian Peljak)

Musik, Theater, Tanz: Obwohl die Siedlung Ludwigsfeld ein überschaubares Viertel ist, sind dort jede Menge Künstler aktiv. Seit Jahrzehnten kämpfen sie erfolglos für einen Saal und Übungsräume

Von Simon Schramm, Siedlung Ludwigsfeld

Auch wenn sie ein recht kleines und überschaubares Viertel ist, existiert in der Siedlung Ludwigsfeld seit Jahrzehnten eine dichte, aktive Kulturszene. Nadir Kurbanoglu gehört zu ihren Pionieren. Schon als junger Teenager gründete er 1963 die Hound Dogs. "Wir haben damals Beatles gespielt, Stones, Chuck Berry, und das machen wir heute noch, recht erfolgreich", sagt der 71-Jährige. In der Siedlung fehlt es an einem ordentlichen Kulturtreff, dieses Problem und der lange Kampf, diesen Mangel zu beheben, begleiten die Oldie-Band seit Jahrzehnten. "Früher sind wir noch in der Wirtschaft an der Granatstraße aufgetreten", sagt Schlagzeuger Kurbanoglu; das Lokal wurde vor mehreren Jahren geschlossen. "Jetzt gibt es gar nix mehr. Die Kultur bricht zusammen."

Neben den Dogs gibt es noch weitere Bands in der Siedlung. "Mein Schwiegersohn hat auch eine Band, sie haben keine Übungsräume, können sich nirgends treffen", sagt der mittlerweile in Dachau lebende Kurbanoglu. Zwar gebe es Ausweichmöglichkeiten, aber die seien entweder zu weit entfernt oder taugten nicht wirklich als Raum zur Probe - und so gestalte es sich auch schwierig, Nachwuchs zum Spielen zu begeistern. Ihre Auftritte müssen die Dogs selbst organisieren und selbst die Bühne aufbauen. "Wenn wir auswärts spielen, zum Beispiel in Dachau, dann besuchen uns die Ludwigsfelder." Würde es in Ludwigsfeld einen Kulturort geben, würden auch mal die Dachauer die Siedlung besuchen. "Es gibt keine Begegnungsstätte, wo sich die Leute einfach mal treffen", sagt Kurbanoglu, "du weißt nicht, wo du hingehen sollst."

Es ist das eine, dass den Ludwigsfeldern ein Bürger- und Kulturtreff fehlt. Aus Sicht vieler Siedlungsbewohner hängt diese Forderung aber unmittelbar mit der Frage zusammen, wie mit der Historie der Siedlung umgegangen werden soll - denn sie halten den historischen Gebäudekomplex an der Granatstraße als Kulturstätte für prädestiniert. Neben der ehemaligen Baracke des einstigen KZ-Außenlagers Allach steht an der Adresse auch die einstige, 1951 erbaute Kantine eines Bundesauswandererlagers. Beide stehen unter Denkmalschutz, beide sind in sanierungsbedürftigem Zustand. Die Kulturgemeinschaft Ludwigsfeld (Kugel) hatte schon 2004 ein Konzept für einen Kultursaal vorgelegt, favorisiert immer noch, den Gebäudekomplex zu reaktivieren und will ihr Konzept von Neuem einbringen. Das Kulturreferat hat den Bestrebungen in der Siedlung bisher immer eine Absage erteilt.

In der kürzlich veröffentlichten Studie zu dem geplanten Erinnerungsort in der Siedlung wiederholen die Wissenschaftler das Argument des Kulturreferats, nach dem es in der kleinen Siedlung keine "ausreichende Nachfrage nach einem kontinuierlichen Kulturprogramm" gäbe. Dem widerspricht Kugel-Vorstand Georg Olliver Krmadjian - schließlich werde im Osten der Siedlung eine neue Bebauung geplant. Die Pläne des neuen Eigentümers des Großteils der Siedlung sind auch noch offen, östlich der Siedlung liegt ein schmaler Teil des großen Planungsgebiets, das die Stadt neuerdings im Kooperativen Modell entwickeln will. Krmadjian sagt: "Unseren Tanzgruppen fehlen Räume, in denen sie sich treffen könnten, wir haben Künstler, die würden gerne Ausstellungen machen, der ukrainische Chor hat Nachwuchs, aber der wird aussterben, wenn keine Möglichkeiten zum Proben da sind. Alle unsere Feste müssen wir auf den Sommer konzentrieren, weil es für den Winter keine Räumlichkeiten gibt." Tatsächlich führt er den Kampf für einen Kulturtreff schon seit den Siebzigerjahren.

Krmadjian selbst ist Regisseur beim "Theater International Ludwigsfeld". Auch die Theatergruppe gehört zu den beständigen Kulturinstitutionen in Ludwigsfeld, auch dem Ensemble - das Stammteam besteht derzeit aus 15 Personen - fehlen ein echter Ort für die Proben und auch zur Vorstellung. Georg Olliver Krmadjian setzt sich zunächst jahrelang beim Bundesvermögensamt ein (die Siedlung gehörte bis 2007 dem Bund), danach auch bei dem Immobilienunternehmen Patrizia. In der Regel scheiterte es immer am Geld, die Gebäude an der Granatstraße zur Kulturstätte zu beleben. Kugel hofft jetzt, dass die Landeshauptstadt sich dazu entscheidet, den historischen Komplex womöglich zu erwerben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: