Sicherheitskonferenz in München:Die Welt zu Gast bei Grantlern

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Jede andere Stadt wäre stolz auf das Top-Treffen - in München empfindet man die Sicherheitskonferenz eher als Belästigung.

Jan Bielicki

München fühlt sich ja gerne als Mittelpunkt der Welt. Wenn es aber tatsächlich mal, und sei es nur für ein Wochenende, Weltkindl in der Mitte spielen darf, ist es auch nicht recht. Da rücken jedes Jahr im Winter die Mächtigen der Welt ins Hotel Bayerischer Hof ein, hunderte behelmte Polizisten sperren den Promenadeplatz ab, Autokonvois rauschen über die Einfallstraßen, Hubschrauber knattern, und auf dem Marienplatz sammeln sich ein paar tausend Leute mit Transparenten zur Kundgebung.

Zum 45. Mal kommen die Mächtigen zur Sicherheitskonferenz nach München - und die Bilder im und um das Tagungshotel herum gleichen sich jedes Jahr: Der Bayerische Hof wird weiträumig abgesperrt, Gegner der Veranstaltung demonstrieren auf dem Marienplatz, im Saal diskutieren Politiker aus aller Welt. (Foto: Foto: Haas)

Daran erkennen die Einheimischen, dass die Münchner Sicherheitskonferenz wieder da ist, inzwischen zum 45. Mal, in der Stadt, deren Namen sie im Titel führt. Und viele reagieren in der Gemütslage, die ihnen ohnehin nachgesagt wird: grantig.

Es gehört seit einigen Jahren zum Ritual der Sicherheitskonferenz, dass in der Stadt allgemeines Gemurre und Gejammer anhebt. Muss dieser politische Auftrieb sein? Und wenn schon, muss er denn mitten im Stadtzentrum sein? Die linke Szene und viele Anhänger der Friedensbewegung wollen das Treffen gar nicht, weder in München noch sonstwo. In lautstarken Parolen bekunden sie ihre strikte Gegnerschaft zu dem, was sie die "NATO-Kriegskonferenz" nennen.

Das ist wenig überraschend. Doch diese ablehnende Haltung zur Sicherheitskonferenz hat sich weit über das Umfeld der linken Demonstranten hinaus ausgebreitet. Sie ist tief in das im Rathaus den Ton angebende rot-grüne Milieu eingedrungen und reicht sogar bis in konservative Bürgertum.

Vor allem Münchens Grüne sind sich alles andere als einig über ihren Standpunkt zur Sicherheitskonferenz. Während Prominente wie der Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag und der Landesparteichef Dieter Janecek den linksradikal geprägten Aufruf zur Gegendemonstration scharf verurteilen, wird der Ratsfraktionschef Sigi Benker wie jedes Jahr mitmarschieren - wenn er auch die Diktion des Aufrufs nicht mitträgt. Den unterschreiben die Grünen schon seit 2001 nicht mehr - seitdem also der grüne Außenminister Joschka Fischer auf der Sicherheitskonferenz auftrat. An der Frage, ob Fischer und die anderen Konferenzteilnehmer eines städtischen Empfangs würdig seien, schieden sich aber die Geister grüner Stadträte.

Überhaupt, dieser städtische Empfang: Sechs Mal gab es Häppchen und Sekt aus dem Stadthaushalt - und, auf Englisch vorgetragen, Begrüßungsworte von Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), die nach Beginn des Irak-Krieges ziemlich kritisch ausfielen. 2005 lud die Stadt nicht mehr ein, weil Bundespräsident Horst Köhler zu einem eigenen Essen bat. Seither gibt es den städtischen Empfang nicht mehr. Die Macher der Konferenz hätten kein Interesse mehr gezeigt, heißt es in der Stadt. Der Eifer der Stadtspitze, die internationalen Gäste zu beköstigen, hält sich freilich auch in sehr engen Grenzen.

Fast sieht das so aus, als sei der Stadt die Konferenz eher lästig. Sogar die Freien Wähler wollen die Tagenden ins Messegelände an den Stadtrat abdrängen. Die Kaufleute der Innenstadt beklagen sich ohnehin, die Konferenz und ihre Begleiterscheinungen vertrieben die Kundschaft. Und mancher Trambahnpassagier beschwert sich einfach darüber, dass die Linie 19 nicht am Tagungshotel vorbeifahren darf. Solches Wehklagen könnte man provinziell nennen.

Abschied vom Kalten Krieg

Doch Provinzstädte wären wenigstens froh über so viel weltweite Aufmerksamkeit, wie sie München außerhalb der Wiesn-Zeit fast nur am Konferenzwochenende bekommt. Wenn der amerikanische Vizepräsident, der französische Präsident, der polnische Premierminister, die deutsche Kanzlerin in München Politik machen, ist das Werbung für die Stadt. Längst ist ja die Sicherheitskonferenz nicht mehr jene "Wehrkundetagung" aus dem Kalten Krieg, auf der Nato-Militärs eifrig sowjetische Waffen zählten und gemeinsam mit Vertretern der einschlägigen Industrie nach Nachrüstung riefen - im übrigen jahrzehntelang ohne sie begleitende Protestkundgebungen.

Die Sicherheitskonferenz heute ist eben keine Hauptversammlung eines exklusiven Militaristenklubs, sondern eine der wichtigsten und höchstkarätig besetzten Gipfeltreffen für weltweite Sicherheitspolitik - in der auch politische Gegner aufeinandertreffen, Iraner auf Amerikaner, Russen auf Ukrainer. Natürlich ist es völlig legitim, gegen die Politik einzelner, auch vieler Teilnehmer zu protestieren. Diesen Unmut gegen die Konferenz selber zu richten, ist dagegen unsinnig. Sogar ihre Gegner müssten sie begrüßen - als willkommenen Anlass, den dort vertretenen Mächtigen eigene Positionen entgegenzustellen und dafür Aufmerksamkeit zu bekommen wie selten.

Das alles findet nicht auf der grünen Wiese oder in fernen Messehallen statt, sondern in der Enge der Münchner Innenstadt. Zwar sind dadurch die Mächtigen im Bayerischen Hof nur räumlich, nicht wirklich näher am Bürger auf dem Marienplatz. Aber es kann München nur gut tun, wenn es einmal im Jahr sichtbar im Zeichen von Politik steht, die über die eigenen Stadtgrenzen hinausweist.

© SZ vom 06.02.2009/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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