Sicherheit:Wenn sich Sanitäter selbst verteidigen müssen

Sicherheit: Wissen, wie man sich wehrt: Rettungsassistenten der Aicher Ambulanz Union lernen Deeskalationsmethoden und Handgriffe des israelischen Selbstverteidigungssystems Krav Maga. (Foto: Aicher Group)

Wissen, wie man sich wehrt: Rettungsassistenten der Aicher Ambulanz Union lernen Deeskalationsmethoden und Handgriffe des israelischen Selbstverteidigungssystems Krav Maga. (Foto: Aicher Group)

  • Menschen im Rettungsdienst oder bei der Feuerwehr helfen anderen Menschen - und werden immer öfter selbst Opfer von körperlicher oder verbaler Gewalt.
  • Laut einer Studie der Ruhr-Universität Bochum sind 64 Prozent der Feuerwehrleute und Rettungssanitäter in NRW im vergangenen Jahr Opfer von Gewalt geworden.
  • In München machen Unternehmen gute Erfahrungen mit Selbstverteidigungskursen für Rettungskräfte.

Von Inga Rahmsdorf

Seitdem die Rettungsassistentin Antonella Springer einmal erlebt hat, wie eine Ärztin und ein Kollege von einem Patienten geschlagen wurden, hat sie bei der Arbeit immer eine Unsicherheit begleitet. Und die Frage: Wie kann ich mich schützen? Springer arbeitet bereits seit 20 Jahren als Rettungsassistentin, diese Woche nahm sie zum ersten Mal an einem Selbstverteidigungskurs teil. Er sei hilfreich gewesen, sagt sie, "zu sehen, wie ich einen Schlag abwehren kann und welche Griffe ich anwenden kann, wenn ich gewürgt werde."

Springer arbeitet für die Aicher Ambulanz Union. Das Unternehmen trainiert alle seine Mitarbeiter nun in Deeskalation und Selbstverteidigung. Es komme öfter zu kritischen Zwischenfällen bei der Notfallrettung, sagt Sprecherin Ulrike Krivec. Besonders in den Nachtschichten erlebten die Mitarbeiter in den Rettungswagen Übergriffe, meist seien Drogen und Alkohol im Spiel. "Wir möchten unsere Mitarbeiter jedoch nur ungern mit stichsicheren Westen oder anderen Mitteln ausstatten und setzen deshalb auf präventive Maßnahmen", sagt Geschäftsführer Peter Aicher.

Bei dem Unternehmen arbeiten 250 Mitarbeiter im Rettungsdienst, das Interesse an dem Kurs sei sehr groß. Das Training basiert auf Krav Maga, dem Nahkampfsystem der Israeli Defence Force. "Selbstsicheres Auftreten kann auch schon deeskalierend wirken", sagt Krivec. Im besten Fall können die Rettungskräfte Konflikte entschärfen, bevor sie eskalieren.

Bei dem Münchner Krankentransport MKT werden bereits seit fünf Jahren alle Mitarbeiter regelmäßig von Spezialisten der Polizei oder Bundeswehr geschult. Mit positiven Erfahrungen, wie Geschäftsführer Robert Schmitt sagt. Die Zahl der Übergriffe habe zwar deutlich zugenommen, aber seit sie das Deeskalationstraining eingeführt haben, sei keiner der 350 Kollegen mehr verletzt worden.

Auch beim Malteser Hilfsdienst erhalten die Mitarbeiter des Rettungsdienstes Deeskalationskurse. Erst vor Kurzem habe es eine Schulung von einem Polizeitrainer gegeben. Gewalttätige Übergriffe seien aber sehr selten, sagt Sebastian Moser, Leiter der Rettungswache. Im Zweifel werde immer die Polizei hinzugerufen, die in München auch extrem schnell am Ort sei.

"Wir haben sehr selten Konfliktsituationen mit Übergriffen", sagt auch Klaus Kollenberger, Geschäftsführer des Rettungsdienstes beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Deeskalationstraining hält er trotzdem für sinnvoll. Besonders wichtig dabei sei die interkulturelle Schulung.

Die 150 Mitarbeiter im ASB-Rettungsdienst sollen entsprechend trainiert werden. Dadurch könne man verhindern, dass es zu kulturellen Missverständnissen komme. Grundlage sei gegenseitiger Respekt, sagt Kollenberger. Dazu gehöre zum Beispiel auch, dass die Rettungskräfte, wenn es der Notfall zulässt, die Schuhe in der Wohnung ausziehen, wenn die Bewohner das wünschen.

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