Sicherheit:Welche Daten die Münchner Polizei über Fußballfans sammelt

Sicherheit: Die Polizei will mit der Datei "Zusammenhänge und Verbindungen zwischen gewaltbereiten Szenen" aufdecken.

Die Polizei will mit der Datei "Zusammenhänge und Verbindungen zwischen gewaltbereiten Szenen" aufdecken.

(Foto: Claus Schunk)
  • In zwei Datenbanken speichert die Polizei Informationen zu Fans der Fußballvereine FC Bayern, TSV 1860 und der Spielvereinigung Unterhaching.
  • 1700 Namen von Fans sind in den Datenbanken registriert. Gesammelt werden auch Angaben zu Religion, DNA oder "besonderen Fähigkeiten".
  • Kritiker sagen, dieses Vorgehen gefährde das Recht auf Datenschutz.
  • Neben der Münchner Datenbank gibt es eine bundesweite Datei mit Informationen über Fußballfans.

Von Martin Bernstein und Thomas Schmidt

Die Münchner Polizei sichert in zwei Datenbanken rund 1700 Namen von Fans der Münchner Fußballvereine FC Bayern, TSV 1860 und Spielvereinigung Unterhaching. Erfasst werden nicht nur Namen, auch Angaben zu Religion, Fremdsprachenkenntnissen, DNA oder zu "besonderen Fähigkeiten" speichert die Polizei - und zwar bis zu zehn Jahre lang. Fan-Vertreter, Datenschützer und die Landtags-Grünen kritisieren diese Praxis, denn erfasst werden auch Unschuldige.

Registriert werden von der Polizei nicht nur Hooligans, die bei Fußballspielen Straftaten verübt haben. Es genügt schon, mit einer Straftat in Verbindung gebracht zu werden: Ein Fan schlägt zu, die Polizei nimmt die Personalien der Umstehenden auf - und schon sind diese in der "Informationsdatei Fußball" gespeichert. Viele der Registrierten ahnen wohl nicht einmal, dass die Polizei Datensätze über sie hat.

Neben der Münchner Datenbank gibt es bereits eine zweite, bundesweite Datei mit Informationen über Fußballfans. In der Kartei "Gewalttäter Sport" sind 1628 Personen registriert, die bayerischen Vereinen zugeordnet werden. Nur in 1100 Fällen davon war ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren der Anlass zur Speicherung.

Das bedeutet, etwa 30 Prozent der "Gewalttäter" sind - juristisch betrachtet - gar keine. Die Münchner Landtagsabgeordnete der Grünen, Katharina Schulze, kritisiert, "dass schon Kleinigkeiten reichen können, um als ,Gewalttäter' gespeichert zu werden". Es sei leicht, in die Datei zu gelangen, aber schwer, wieder herauszukommen.

Noch weicher sind offenbar die Kriterien für die Fußball-Informationsdatei des Münchner Polizeipräsidiums. Dort versichert man, dass nur ein enger Kreis von "Sachbearbeitern" Zugriff auf die Informationen habe. An die Vereine, die über Stadionverbote entscheiden, gebe man keine Daten weiter. Einerseits. Andererseits räumt das Präsidium ein: "Relevante Sachverhalte" würden den Vereinen "unmittelbar zum Zwecke der Prüfung eines Stadionverbotes" übermittelt.

Ein Keil zwischen Fans und Polizeiarbeit

Der Rechtsanwalt Marco Noli von der Arbeitsgemeinschaft Fan-Anwälte spricht von "ausufernden und völlig unkontrollierten Datensammlungen", mit denen "komplette Persönlichkeitsprofile" erstellt würden. Die Polizei pflege einen "willkürlichen Umgang" mit dem Recht auf Datenschutz.

"Erschrocken" reagiert Jochen Kaufmann vom Fanprojekt München auf das Ausmaß der polizeilichen Sammelleidenschaft. "Weshalb ist es notwendig, dass sogar die Religionszugehörigkeit und der Familienstand gespeichert werden?", fragt er. "Inwiefern diese Daten zur Befriedung von Fußballspielen beitragen sollen, kann nur die Polizei beantworten." Kaufmann bezweifelt, dass dies zu mehr Sicherheit führt, und stellt die Frage: "Treibt dieses Vorgehen nicht den Keil zwischen Fans und Polizeiarbeit unnötig tiefer?"

Auch der damalige Landesdatenschutzbeauftragte hatte schon 2004 im Vorfeld der Erstellung der Datei "erhebliche Bedenken" geäußert. Er störte sich an der Speicherung von Personen, gegen die sich lediglich ein "polizeilicher Tatverdacht" richtet. Der Datenschutzbeauftragte bezeichnete das damals als "polizeiliche (gesetzlich nicht gedeckte) Hilfskonstruktion, um Daten von Personen speichern zu können, zu denen keine tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht vorliegen".

Man dürfe auffällige Fans zwar speichern, aber nicht als Tatverdächtige. Und maximal fünf Jahre lang. Mit seinen Bedenken setzte er sich jedoch nicht durch. "Im Grundsatz dürften sich alle Datenschutzbehörden darüber einig sein", betont nun der amtierende Datenschutzbeauftragte Thomas Petri, "dass polizeiliche Arbeitsdateien zu Sportgewalt zulässig sein können."

32 Fans wurden wegen Landfriedensbruchs festgenommen

Gewalt im Zusammenhang mit Fußballspielen ist eine traurige Realität. Das Polizeipräsidium München setzt pro Jahr etwa 20 000 Beamte in und um Stadien herum ein. Im Jahr 2015 registrierten sie dabei 254 Straftaten. Sie nahmen 444 Fans fest oder in polizeilichen Gewahrsam.

Bei einem Pokalspiel des TSV 1860 vor gut einem Jahr wurde ein Beamter verletzt, 32 Fans wurden wegen Landfriedensbruchs festgenommen. Bei einem Bundesligaspiel auf Schalke versuchten Anhänger des FC Bayern und des VfL Bochum, ein Kassenhäuschen zu stürmen. Zahlreiche Menschen wurden teilweise erheblich verletzt, es kam zu mehreren Festnahmen.

"Zusammenhänge und Verbindungen zwischen gewaltbereiten Szenen" aufzudecken, sei Zweck der Informationsdatei, sagt ein Sprecher des Polizeipräsidiums. Ähnliche Datenbanken gebe es auch zu anderen Deliktbereichen. Verstöße bei der Erfassung einzelner Fans seien zwar nicht ausgeschlossen, räumt der Datenschutzbeauftragte ein. Allerdings sagt Petri auch, dass es bislang nur wenige Beschwerden gegeben habe - und dass er nur selten auf Mängel gestoßen sei.

Fans, die sich unsicher sind, ob sie von der Polizei unrechtmäßig erfasst wurden, empfiehlt Petri, zunächst bei der Polizei Auskunft zu verlangen. In den vergangenen drei Jahren gab es laut dem Polizeipräsidium nur eine einzige derartige Anfrage, womöglich auch, weil die meisten Fans keine Ahnung von der Existenz der Datenbank haben. "Falls eine rechtswidrige Speicherung im Raum steht, können sich Bürger jederzeit an mich wenden", verspricht Petri. "Ich prüfe dann unabhängig - und gebührenfrei."

Möglicherweise kommt jetzt einige Arbeit auf ihn und das Präsidium zu. Denn allein in ihrer eigenen Informationsdatei speichert die Münchner Polizei derzeit Namen, Fotos und persönliche Details zu 453 Bayern-Fans, 544 Löwen-Anhängern und 85 Hachingern.

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