Sicherheit: Warum sich Münchner in Deutschlands "sicherster Millionenstadt" unsicher fühlen

Razzia der Münchner Polizei, 2017

Die Schwerpunktaktion der Polizei im Bahnhofsviertel im November 2017 verunsicherte einige Münchner.

(Foto: Robert Haas)
  • "Ganz sicher die sicherste Millionenstadt in Deutschland" sei München 2017 gewesen, erklärte Polizeipräsident Hubertus Andrä im Januar.
  • Trotz der sinkenden Zahl der Gewalttaten fühlen sich manche Münchner nicht sicher.
  • Andrä verweist darauf, dass die Überflutung mit Informationen in den Medien und mit Falschmeldungen in den sozialen Netzwerken mit dran schuld sei.

Von Martin Bernstein

Seit Erlass des nächtlichen Alkoholverbots rund um den Hauptbahnhof ist die Gesamtkriminalität dort zurückgegangen", sagt Johannes Mayer, der Sprecher des Kreisverwaltungsreferats (KVR). Um immerhin zehn Prozent, wie die Polizei ergänzt. "Ganz sicher die sicherste Millionenstadt in Deutschland" sei München 2017 gewesen, die Zahl der Gewalttaten weiter gesunken, sagt Polizeipräsident Hubertus Andrä im Januar. Die Zahl der Einbrüche ist 2017 ebenfalls zurückgegangen, ist aus dem Präsidium zu hören. Und in ein paar Monaten startet der neue "Kommunale Außendienst" (KAD) der Stadt. Auch wenn die Polizei ihre genauen Zahlen zur Kriminalität in München erst am 19. März vorlegen darf, steht jetzt schon fest: Die Münchner können sich sicher fühlen.

Und warum tun es viele dann nicht?

Die Überflutung mit Informationen in den Medien und mit Falschmeldungen in den sozialen Netzwerken sei mit dran schuld, hat der Polizeipräsident jüngst im Presseclub gesagt. Es sei auch wenig hilfreich, wenn Ängste geschürt und als Wahlkampfthemen instrumentalisiert würden, sagt Andreas Mickisch, Leiter der Hauptabteilung Sicherheit und Ordnung im KVR bei einem Diskussionsabend im Sozialpolitischen Forum. Es gebe Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum, räumt Sozialreferentin Dorothee Schiwy bei derselben Veranstaltung ein. Und Karin Majewski Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in Oberbayern, sagt klipp und klar: "Es muss uns nicht wundern, dass es ungemütlicher wird in der Gesellschaft" - ohne soziale Sicherheit werde es schwer mit der Sicherheit auf den Straßen.

Der Hauptbahnhof mit seiner Umgebung ist dafür ein gutes Beispiel. Er ist, wie Schiwy sagt, so etwas wie die "Visitenkarte der Stadt". 350 000 Menschen sind dort Tag für Tag unterwegs. Unter ihnen sind auch Bettler, Obdachlose, Tagelöhner, alkoholkranke und drogensüchtige Menschen neben Menschen, jungen Flüchtlingen zumeist, die mit Marihuana dealen. Und doch sind die Kriminalitätszahlen dort überschaubar. Die Zahl der Gewalttaten sinkt. In anderen Bereichen - Rauschgift, illegale Prostitution - verzeichnet die Statistik eine Zunahme. Aber das sind Kontrolldelikte, das heißt: Je mehr kontrolliert wird, desto mehr Fälle verzeichnet die Polizei. Zusammen mit Gewerbeaufsicht, Bundespolizei und Zollfahndern führen die Beamten immer wieder Schwerpunktaktionen durch. Wie am 16. November, als 350 Ordnungshüter einen Tag lang das Areal durchkämmten.

Insgesamt wurden laut aktueller Zahlen des Polizeipräsidiums vom Montag bei Schwerpunktkontrollen zwischen November und Januar knapp 2000 Personen kontrolliert und 870 Platzverweise erteilt. 41 Straftaten hatten mit Rauschgift zu tun. Diese Schwerpunktaktionen und das seit einem Jahr geltende Alkoholverbot am Hauptbahnhof, sie haben die Sicherheitslage verbessert. "Die Polizei hat jetzt eine bessere Handhabe, das lässt sich auch an den Zahlen unserer Bußgeldstelle ablesen", bilanziert Johannes Mayer vom KVR. "Wir hatten bisher rund 1100 gemeldete Verstöße gegen das nächtliche Alkoholverbot und haben 24 Aufenthaltsverbote für den Bereich um den Hauptbahnhof ausgesprochen." Repressive Maßnahmen, sagt sein Kollege Mickisch, seien immer das letzte Mittel, doch tabuisieren dürfe man sie deshalb nicht.

Es ist nicht einfach, wenn objektive Sicherheitslage und subjektives Unsicherheitsempfinden nicht so recht zusammenpassen. Manche Maßnahmen, die eigentlich die Sicherheit verbessern sollen, könnten auch Ängste hervorrufen, gibt Karin Majewski zu bedenken. Dafür braucht es keine Schwerpunktaktion wie Mitte November, als angesichts des Großaufgebots rund um den Hauptbahnhof manche Münchner argwöhnten: "Da muss was passiert sein." Nachts, sagt ein junger Mann, der gerade aus dem Rheinland nach München gezogen ist, nachts sollte man dort besser nicht unterwegs sein, oder? Und auf die Nachfrage, woran er das ablese, antwortet er nach einigem Überlegen: Finster und schmutzig sei es gewesen beim Gang zum Geldautomaten. Und dann diese merkwürdigen Gestalten...

Wenn Mitte März zuerst das Innenministerium und danach das Polizeipräsidium die dann auch schon wieder ein Vierteljahr alten aktuellen Zahlen zur Kriminalität vorlegen werden, wenn München erneut deutscher Meister in Sachen Sicherheit geworden sein wird, dann wird die Debatte wieder aufflammen, warum sich manche Münchner dennoch oft unsicher fühlen. Warum manche sogar einen aufgeräumten Platz wie den Harras für einen "Angstraum" halten. Für KVR-Vertreter Mickisch hängen soziale und innere Sicherheit untrennbar zusammen. Und er gibt zu bedenken: "Kriminalität ist in erster Linie eine Frage von Lebenslagen."

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