Oktoberfest:Wie zuverlässig sind die Ordner auf der Wiesn?

Oktoberfest: In gestaffelter Reihe sind die Ordner an den Wiesnzugängen aufgestellt, damit niemand unkontrolliert passieren kann.

In gestaffelter Reihe sind die Ordner an den Wiesnzugängen aufgestellt, damit niemand unkontrolliert passieren kann.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die private Sicherheitsfirma Kötter aus Essen stellt die Ordner und Taschenkontrolleure auf der Wiesn. Am Samstag waren rund 450 von ihnen im Einsatz.
  • Die Zugangskontrollen wurden unterschiedlich gehandhabt. An manchen Stellen sollen Besucher sogar mit Gepäck auf das Gelände gekommen sein.
  • Wer als Ordner auf dem Oktoberfest arbeitet, wird von Polizei und Kreisverwaltungsreferat (KVR) streng geprüft.

Von Martin Bernstein, Franz Kotteder, Christian Gschwendtner und Andreas Schubert

Das neue Sicherheitskonzept für die Wiesn sei "von den Gästen gut angenommen worden", verlautbarte das städtische Wirtschaftsreferat am Sonntagabend. Nun könnte man sagen: Den Gästen ist ja auch nicht viel anderes übrig geblieben. Und man könnte fragend einwenden, was wohl gewesen wäre, wenn das Wetter besser und statt der 500 000 Besucher am Auftaktwochenende die sonst übliche doppelte Zahl gekommen wäre. Ob dann aus den "Anlaufschwierigkeiten" und "Unregelmäßigkeiten", die auch das Wirtschaftsreferat einräumt, möglicherweise echte Probleme geworden wären?

Denn speziell am Samstag wurden die Kontrollen an den verschiedenen Eingängen höchst unterschiedlich gehandhabt. Besucher mit Gepäck sollen an manchen Stellen unkontrolliert aufs Gelände gekommen sein. Den 450 Ordnern wurden am Samstagnachmittag Polizisten zur Seite gestellt. Quasi als Aufpasser - "bis sich das System eingespielt hat", wie es im Wirtschaftsreferat heißt. "Zusätzlich wurden beim Ordnungsdienst organisatorische und personelle Konsequenzen in der Einsatz- und Führungsstruktur veranlasst", heißt es ein wenig nebulös.

Was das konkret bedeutet, dazu hält sich die für die Kontrollen zuständige Firma Kötter am Montag weitestgehend bedeckt. Über die Qualifikationen ihrer Mitarbeiter will sie keinerlei Auskunft erteilen. Nur in einem Punkt werden die Essener sehr deutlich: "Informationen über den angeblichen Austausch oder Abzug von Personal durch unser Unternehmen kurz vor dem Oktoberfest-Start sind unzutreffend."

Das Wirtschaftsreferat hält es für einen normalen Vorgang, dass Personal kurzfristig bei der Überprüfung ausgetauscht werde. Deswegen habe man einen Pool von 600 Ordnern. Johannes Mayer, Sprecher des Kreisverwaltungsreferats (KVR), nennt konkrete Zahlen: Demnach wurden von der Firma Kötter 933 Personen als Ordner gemeldet, die ersten davon am 23. August. Nicht viel Vorlauf also.

Mayer: "Bisher wurden 99 Personen abgelehnt." Bei 162 Personen wurde die Prüfung noch nicht vollständig abgeschlossen, da die Ordnungsdienste auch während des Oktoberfests Mitarbeiter nachmelden. Alle geprüften Personen hätten gültige Personaldokumente vorgelegt.

Bei der Überprüfung wird laut KVR in Kontakt mit der Polizei ein erweitertes Führungszeugnis eingeholt, das auch weit in der Vergangenheit liegende und bereits getilgte Straftaten enthält. Außerdem führe die Polizei zusammen mit der Staatsanwaltschaft Abfragen nach laufenden Ermittlungen und sonstigen polizeilichen Erkenntnissen, etwa auch vom Staatsschutz, durch. Darüber hinaus werde geprüft, ob Bewerber einer extremistischen Szene zuzurechnen seien - beispielsweise Rockern, Salafisten oder Rechtsextremisten.

Es war wohl nicht einfach, eine Sicherheitsfirma zu finden, die einen Auftrag in dieser Größenordnung stemmen kann. Genau genommen hat die Stadt überhaupt nur eine Bewerbung erhalten. Sie kam vom Essener Familienunternehmen Kötter, der Nummer zwei in Deutschland. "Die Sicherheitsfirmen machen mit der Überwachung von Flüchtlingsunterkünften gerade ein riesengroßes Geschäft, die haben nicht auf die Wiesn gewartet", sagt Wiesn-Bürgermeister Josef Schmid.

Am Montagvormittag ist er alle Eingänge noch einmal persönlich abgelaufen, hat die Kontrolleure kontrolliert. Mit dem Ergebnis seiner Stippvisite ist Schmid zufrieden: "Jetzt läuft alles besser." Das bestätigt sich bei zwei Stichproben am frühen Nachmittag. Am Eingang zur Matthias-Pschorr-Straße steht eine Phalanx aus mindestens 15 Ordnern, die von mehreren Polizisten unterstützt werden. Sie bilden eine fast schon abschreckend wirkende dichte Reihe, durch die niemand unkontrolliert kommt, ein leitender Ordner achtet von vorne darauf, dass die Menschenkette auch wirklich dicht ist.

Noch mehr Ordner und Polizei formieren sich am Haupteingang: 19 Aufseher in drei gestaffelten Reihen, dahinter vier Polizisten. Das ist jetzt auch Standard für die Nebeneingänge, etwa an der Beethovenstraße. Dort stehen sich 18 Kötter-Ordner die Beine in den Bauch und freuen sich über jeden, der vorbeikommt oder gar auf die Wiesn will - was nur vereinzelt der Fall ist.

Auch oben an der Bavaria ist am Montag wenig los, die Ordner sind freundlich und zumindest am frühen Nachmittag noch nicht überfordert. Am U-Bahnhof-Theresienwiese wird es in der nur sechs Meter breiten Gasse dagegen zeitweise etwas eng: Dort warten zwölf Ordner und vier Polizisten auf Besucher.

Wie nötig Taschenkontrollen sind, hat sich am Sonntag gezeigt: Da entdecken Polizisten in der Umhängetasche eines 35-jährigen Mannes einen Teleskopschlagstock, ein Butterflymesser und ein Tierabwehrspray. Der Münchner - im normalen Leben Rettungsassistent - muss die Waffen natürlich abgeben und bekommt eine Anzeige. Dann darf er auf die Wiesn.

Atomkraftwerk und ein Gefängnis

Mit Großaufträgen kennt sich Friedrich P. Kötter bestens aus. Seine Sicherheitsfirma mit Sitz in Essen hat bereits einige prestigeträchtige Aufträge an Land gezogen. Kötter Security bewacht mindestens ein Atomkraftwerk, ist bei Personenkontrollen an Flughäfen aktiv, und in Sachsen-Anhalt betreiben die Essener im Auftrag des Staates sogar ein ganzes Gefängnis. Trotzdem hat der Firmenpatriarch lange überlegt, als sich die Möglichkeit für eine Premiere auf dem Oktoberfest bot. Im Interview mit der WAZ rechtfertigte Kötter sein Zaudern kurz vor Wiesn-Beginn: "Schließlich ist es gar nicht so leicht, qualifiziertes Personal für eine Veranstaltung dieser Größenordnung zu stellen."

Eine Einschätzung, die nichts an ihrer Gültigkeit verloren hat. Überraschend ist das, weil es sich bei der Firma Kötter Security um das zweitgrößte Sicherheitsunternehmen in Deutschland handelt. Nach eigenen Angaben beschäftigt es 18 100 Mitarbeiter an mehr als 50 Standorten. Für das Oktoberfest hat man extra Personal aus ganz Deutschland abgezogen. Die 450 Mitarbeiter kümmern sich unter anderem als Ordner um die Eingangskontrollen an den Wiesn-Zugängen. Einige von ihnen waren dieser Aufgabe offensichtlich nicht ganz gewachsen.

Der WAZ erzählte Friedrich P. Kötter hingegen, man übernehme nur Aufträge, die man auch leisten könne. Ob dieser Grundsatz nach dem Oktoberfest noch gilt, wird sich erst zeigen. Firmenchef Kötter jedenfalls hat bewiesen, dass er es durchaus versteht, in seinem Laden ein strammes Regiment zu führen. In der Vergangenheit hat er sich zum Beispiel gegen die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns ausgesprochen. Denn das würde nur Arbeitsplätze vernichten. Mit einem ganz anderen Problem hatte die Essener Firma jüngst zu kämpfen: In Dortmund wurde einer ihrer Geldtransporter überfallen. Die Firma lobte eine Belohnung von 70 000 Euro aus, um Hinweise auf die Täter zu erhalten. GSCH

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