Shopping-Oase:Ruhe im Einkaufstrubel

Sankt Michael bietet im Advent eine spezielle Andacht an

Von Jakob Wetzel

Es gehe auch darum, einmal herunterzukommen, sagt Pater Karl Kern. Gerade im Advent, wenn die Hektik groß ist, die Beleuchtung pompös und die Fußgängerzone völlig überlaufen. "Eine Oase der Stille wird da dermaßen gesucht", sagt der Rektor der Jesuitenkirche Sankt Michael. Aber natürlich gehe es ihm auch darum, Menschen in die Kirche zu locken und ihr Interesse zu wecken. Und wann gelänge das besser als im Advent, wenn so viele Leute durch die Neuhauser Straße gehen, so viele wie sonst nie?

Den stressgeplagten Münchnern macht Sankt Michael deshalb noch an diesem sowie am nächsten Freitagabend ein besonderes Angebot: Die Kirche ersetzt ihr Abendgebet ab 18 Uhr durch einen "Evensong". Das ist ein Wortgottesdienst mit viel Musik und einem kurzen Impuls; er dauert etwa eine Dreiviertelstunde. Das Licht ist gedimmt, in der Kirche brennen zahlreiche Kerzen. "Für Katholiken ist das eine Mischung aus Vesper und Komplet", sagt Kern. Die Idee stamme aus der anglikanischen Kirche, dort sei sie sehr populär. Chordirektor Frank Höndgen habe das auch in München probieren wollen. "Und es ist etwas sehr Berührendes", sagt Kern. "Die Musik nimmt einen ein."

Mit dem "Evensong" haben Höndgen und Kern offenbar auch in München einen Nerv getroffen. Die Premiere war bereits am Freitag vergangener Woche. Die Kirche hatte auf ihr abends ohnehin beleuchtetes Portal nur einen zusätzlichen weißen Werbe-Schriftzug werfen lassen; die Musik selbst war von draußen nicht zu hören, es gab auch keine Lautsprecher vor der Tür. Dennoch hat der Andrang Kern überwältigt. "Ich hatte vorher 150 Programme kopieren lassen, damit die Besucher mitlesen können", sagt Kern. "Aber in den Bänken saßen dann etwa 400. Und unter der Empore hinten stand immer ein Riesenpulk."

Die "Evensong"-Choräle werden zumindest vorerst einmalig bleiben. Ein Rückzugsort wolle die Kirche im Advent aber auch sonst sein, sagt Kern. "Wir haben jeden Tag geöffnet, solange draußen die Buden offen sind", sagt Kern. Und die Nachfrage sei hoch, gerade vor Weihnachten: "Wir merken deutlich einen Unterschied. Im Sommer schlendern viele durch die Kirche. Im Advent bleiben viel mehr Leute etliche Zeit sitzen."

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