Sexualmord:"Willfährige Gutachter"

Es scheint unvermeidlich zu sein: Ein Sexualmord erschüttert die Öffentlichkeit - und sofort wird der Ruf nach schärferen Gesetzen laut.

Von Alexander Krug

Manchmal lohnt ein Blick auf die Gesetzeslage und das Instrumentarium, das sie zur Verfügung stellt. Der Strafverteidiger Steffen Ufer hält die Forderung von Bayerns Justizministerin Beate Merk zur Nachbesserung für "völlig deplatziert".

Die massive Kritik Ufers zielt auf die Vorgeschichte des 28-Jährigen, der 1994 schon einmal ein Kind missbraucht und ermordet hat. Warum, so fragt Ufer, hatten die Gutachter den Angeklagten damals als voll schuldfähig eingestuft? Warum habe das Gericht sich dieser Einschätzung nicht widersetzt?

Die Tatumstände hätten nach einer "Krankhaftigkeit" geschrien. "Wenn ein Mann ein Kind mit 70 Messerstichen massakriert, spricht das doch für Sadismus und eine besondere sexuelle Abartigkeit", sagt Steffen Ufer.

Engmaschiges Netz

Wäre Martin Prinz damals als vermindert schuldfähig eingestuft worden, hätte man neben der Haftstrafe auch die Unterbringung in der Psychiatrie anordnen können. Eine solche Zwangseinweisung hätte den Gerichten ein völlig anderes Instrumentarium eröffnet.

Dem Angeklagten wäre eine Therapie offen gestanden, bei Ablehnung oder negativer Prognose hätte man ihn auf unbestimmte Zeit in der Anstalt festhalten können. Bei einer Klinik-Entlassung hätte man ein viel engmaschigeres Netz knüpfen können, etwa mit Auflagen zu einer ambulanten Therapie. Bei Verstoß dagegen wäre eine erneute Einweisung möglich gewesen.

"Die Lösung liegt darin, dass wir anerkennen, dass solche offensichtlich schwer gestörten Täter vermindert schuldfähig sind", sagt Ufer und erinnert an den Augsburger "Maskenmörder" Michael W., der 2002 als 19-Jähriger in Gersthofen mit einer Totenmaske verkleidet die zwölfjährige Vanessa mit 21 Messerstichen hingemetzelt hatte.

Wandelnde Zeitbombe

Er wurde zwar zur Jugend-Höchststrafe von zehn Jahren Haft verurteilt. Doch weil er als voll schuldfähig eingestuft wurde, konnte er nicht in die Psychiatrie eingewiesen werden. "Der wird in ein paar Jahren entlassen, und dann wird er dieselbe wandelnde Zeitbombe sein wie Prinz", klagt Ufer.

Um die Gesellschaft zu schützen und kranken Tätern wirklich zu helfen sei die Unterbringung das geeignetere Mittel: "Wir brauchen keine neue Sicherungsverwahrung für Heranwachsene." Das Grundproblem sei, dass die Justiz nur ihr genehme Gutachter beauftrage.

Oberste Prämisse sei, die Täter die volle Härte des Gesetzes spüren zu lassen, schon aus öffentlichkeitswirksamen Gründen. Angesichts einer Jugendhöchststrafe von zehn Jahren sei dies aber nur ein "kurzfristiger Triumph".

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