Sexismus im Büro:Frustrierende Bilanz

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Zahlreiche städtische Firmen gehen nicht entschieden genug gegen sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz vor

Von Andreas Glas

Ein Angestellter der Messe München greift seiner Assistentin an den Po und belästigt sie mit vulgären Sprüchen. Er macht das immer und immer wieder. Die Assistentin spricht von Psychoterror, doch erst nach Jahren beschwert sie sich und die Messe-Chefs entlassen den übergriffigen Mann. Zwei Jahre ist das inzwischen her, "ein ganz dramatischer Fall", erinnert sich Grünen-Stadträtin Lydia Dietrich. Auf Vorschlag ihrer Fraktion zog der Stadtrat damals Konsequenzen und forderte alle städtischen Unternehmen dazu auf, innerbetriebliche Konzepte zu entwickeln, um sexuelle Belästigung in Zukunft zu verhindern. Nun hat Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) eine frustrierende Bilanz vorgelegt: In neun von 23 befragten Unternehmen ist nur wenig oder gar nichts passiert, dort fehlt es noch immer am Bewusstsein für das Thema Sexismus am Arbeitsplatz.

"Erhebliche Defizite" hat Reiter bei manchen Unternehmen festgestellt. In seinem Bericht kritisiert er unter anderem das Städtische Klinikum, die städtische Wohnungsbaugesellschaft GWG und das Beratungsunternehmen Aquabench GmbH, dessen Chefs der Meinung sind, dass in ihrer Firma "jede Notwendigkeit" für ein Konzept zur Verhinderung von Sexismus fehle. Die Pasinger Fabrik GmbH teilte mit, dass sie gerade einmal neun Leute beschäftige und "in einer solch kleinen Einheit kein Platz für Sexismus" sei.

Diese Haltung, kritisiert OB Reiter in seinem Bericht, "kann zu einer Tabuisierung des Themas führen und schützt dann vor allem den Täter oder die Täterin". Auch Grünen-Stadträtin Dietrich ärgert sich darüber, dass einige Firmen das Thema Sexismus offenbar nicht ernst nehmen: "Ich hätte mir gewünscht, dass es da mehr Problembewusstsein gibt", sagt Dietrich, die den Unternehmen ihre Tatenlosigkeit "nicht durchgehen lassen" will. Am kommenden Mittwoch will sie deshalb eine Sexismus-Debatte im Stadtrat anstoßen.

Auch der Oberbürgermeister hat bereits versprochen, sich "gezielt an einzelne Geschäftsführungen zu wenden und auf die Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit des Themas" hinzuweisen. Dieter Reiter geht es vor allem darum, dass es in städtischen Unternehmen Beschwerdestellen oder Vertrauenspersonen gibt, an die sich Mitarbeiter wenden können, wenn sie sich sexuell belästigt fühlen. Außerdem soll es Schulungen geben, die Mitarbeiter für das Thema Sexismus am Arbeitsplatz sensibilisieren. "Besonders vorbildlich", so Reiter, geschehe dies unter anderem bei der Internationale Filmwochen GmbH, bei der Olympiapark GmbH und der Park & Ride GmbH.

Zwar gibt es für städtische Mitarbeiter bereits eine zentrale Beschwerdestelle für sexuelle Belästigung, doch weiß das nur die Hälfte aller städtischen Mitarbeiter - auch das geht aus dem OB-Bericht hervor. Als möglichen Grund dafür nennt der Bericht, dass nur 14 der 23 befragten Unternehmen Schulungen anbieten, in denen sexuelle Belästigung eine Rolle spielt. Dabei scheint die Notwendigkeit solcher Schulungen durchaus zu bestehen: Erst kürzlich, so heißt es in dem Bericht, habe es in einem städtischen Unternehmen wieder sexuelle Übergriffe gegeben. Diese waren offenbar so gravierend, dass der beschuldigte Mitarbeiter sofort entlassen wurde und die betroffene Mitarbeiterin eine Anzeige erstattete, die letztlich auch zu einem Strafverfahren führte. Nicht zuletzt dieser Fall zeigt für Stadträtin Dietrich, "dass wir das Thema ernst nehmen und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Unterstützung bieten müssen".

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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