Serie: Sinn stiften:Eine andere Rendite

Bernard Eßmann, Peppercorn-Stiftung

Die Stiftung von Bernard Eßmann unterstützt derzeit 600 Kinder direkt, und investiert dazu auch in Personal und Infrastruktur.

(Foto: Lukas Barth)

Früher hat er Geld angebaut und geerntet, heute lässt er Pfeffer wachsen - Bernard Eßmann, ehemals Private-Equity-Unternehmer, engagiert sich mit der Stiftung Peppercorn für Waisen in Afrika

Von Bernd Kastner

Irgendwann wollte er nicht mehr. Dann hat er sein erstes Leben abgewickelt und sein zweites gestartet, ganz einfach. Seither ist Bernard Eßmann viel in Afrika, bei den Kindern. Früher bestimmte die Rendite sein Leben, heute tut sie es auch, nur anders. Früher hat er Geld angebaut und geerntet, heute lässt er Pfeffer wachsen.

Bernard Eßmann, 49 Jahre alt. Aufgewachsen in Düsseldorf, die Eltern Besitzer eines Bauunternehmens, Abitur, Banklehre, Bundeswehr, Studium der Betriebswirtschaft, erster Job in der Unternehmensberatung Roland Berger, nebenher Promotion, dann eigene Firma. Da war Eßmann noch keine 30. Er hatte einen Kumpel, der sein Firmenpartner wurde. Sie nannten ihr Unternehmen Delta Equity, sammelten Geld von Anlegern ein, um es mit geschickten Deals zu vermehren. 20 Prozent Rendite hatten sie den Kunden angekündigt, das Ziel verfehlten sie. Es wurden 30 Prozent.

Für Private Equity hat sich der Müntefering'sche Begriff "Heuschrecke" eingebürgert. Eßmann ist nicht beleidigt, wenn man ihn darauf anspricht, er weiß, dass in seiner Branche diese Tierchen unterwegs sind. Nein, sagt er, seine Firma verbreite keinen Schrecken, im Gegenteil. Sie haben sich auf mittelständische Firmen konzentriert, die einen Nachfolger für den Eigentümer suchen.

"Wir haben uns von Branche zu Branche gehangelt", sagt er: von Sicherheitsdienstleistern bis zu Seniorenresidenzen. Pro Branchenprojekt hätten sie etwa ein Dutzend Firmen günstig aufgekauft, zu einer Gruppe zusammengeschlossen, Synergie-Effekte genutzt, und nach ein paar Jahren im Paket etwa an einen ausländischen Investor, der in Deutschland Fuß fassen will, weiterverkauft. Für einen "strategischen Preis", also teuer. Bei all dem seien die alten Eigentümer immer eingebunden gewesen, betont Eßmann, und am Ende hätten alle Beteiligten profitiert.

So funktioniert Marktwirtschaft. So funktionierte das Leben des Bernard Eßmann, bis er 40 war. Da hatten er und seine Frau Julia drei Kinder, die Familie war finanziell unabhängig und vermögend. Irgendwann aber schlich sich eine Frage in Eßmanns Leben: "Will ich das mein ganzes Leben machen?" Als junger Mensch ist Geldverdienen ja toll, sagt er, aber für immer? Bloß Rendite?

2003 schon hatte Eßmann mit seiner Frau eine kleine Stiftung gegründet, 50 000 Euro Einlage. "Känguru" haben sie die Stiftung genannt, sie dachten an den beschützenden Beutel des Tieres, sie dachten an bedürftige Kinder. Jahrelang aber wussten sie nicht so recht, wohin Känguru hüpfen sollte, bis sie, bei der Hochzeit eines guten Freundes, einen Pfarrer aus Südafrika kennenlernten. Er hat ihnen von "Hands at Work in Africa" erzählt, einer christlichen Hilfsorganisation für Aidswaisen. Plötzlich wussten die Eßmanns, dass die Reise ihres neuen Lebens nach Afrika führen sollte.

"Du bist doch total bescheuert!" - "Wie kannst Du nur?" - "Find ich toll." So hätten sich die Kommentare gut meinender Bekannter angehört, als er nach und nach den Ausstieg aus seiner Firma und den Verkauf seiner Anteile vorbereitete, erzählt Eßmann. Denn er hatte mittlerweile seine selbstgestellte Frage beantwortet: Nein, er will nicht sein ganzes Leben der Rendite hinterherlaufen, zumindest nicht jener, die sich in Euro und Prozent misst.

"Wir müssen hin, um genau zu wissen, was die tun." Also haben sie gepackt, ihre Kinder von der Schule abgemeldet, sind für ein Jahr ins südafrikanische White River gezogen und haben dort bei "Hands at Work" mitgearbeitet. Es gab dort Ärzte, Sozialarbeiter und Theologen, aber noch keine Architektin wie Julia Eßmann und keinen BWLer, der was von Wachstum versteht. Und irgendwie sei "Hands at Work" ja auch ein Unternehmen. Selbstlos, sagt Eßmann, sei sein Engagement nicht: "Man macht es auch für sich selbst." Helfen bereichert.

Bald war klar, dass sie diese Organisation mit dem Geld ihrer Stiftung fördern wollen. Also haben sie diese in "Peppercorn" umbenannt. Das Pfefferkorn wecke diverse Assoziationen, erklärt Eßmann. Es erinnert an das Bibelwort vom "Salz der Erde"; man kann draufbeißen und es schmecken, ganz intensiv; Pfeffer verändert eine Mahlzeit, und man kann ihn, da lacht Eßmann, den Leuten in den Hintern geben. Eines seiner Kinder hatte diesen Gedanken, und irgendwie ist es auch seiner. Er will Menschen, denen es materiell gut geht wie ihm, aktivieren, in Menschlichkeit zu investieren. Eßmanns Strategie: "Man tut Gutes und redet darüber."

Einige Geber habe die Stiftung mittlerweile, die regelmäßig fünfstellige Summen spendeten, der Wichtigste ist Eßmanns ehemaliger Geschäftspartner, Kai Herold, der auch das Gehalt der Stiftungsassistentin finanziert. Und siehe da, Bernard Eßmann ist wieder zurück im einst erlernten Gewerbe, wenn auch jetzt mit anderen Zielen: Wie früher im Private-Equity-Business verstehe er sich als Dienstleister für jene, die ihr Geld gut anlegen wollen, auf dass die Welt ein klein wenig besser werde.

Die Rendite für die Geber lässt sich nicht in Prozent messen. In Glück? Vielleicht. Im Wissen, denen zu helfen, denen es am Nötigsten fehlt, an Zuwendung? Genau. Die Eßmanns selbst haben das Grundvermögen ihrer Stiftung inzwischen deutlich aufgestockt. Und die neuen "Anleger" jedenfalls vertrauten ihm, sagt Bernard Eßmann, dass das Geld ankomme. Peppercorn unterstützt derzeit 600 Kinder direkt, aber auch Personal und Infrastruktur von "Hands at Work". Er wisse nach seinem Jahr dort, wie wichtig es ist, nicht nur die Kinder in den betreuten Dörfern in Sambia oder dem Kongo mit Essen und Wasser und Schulen zu versorgen, sondern auch die Mitarbeiter zu schulen. Ein Care Worker muss wissen, wie er einem Waisenkind helfen kann. 150 000 Euro etwa gingen jährlich von München nach Afrika, zugunsten der "lost generation". Kinder, deren Eltern an Aids gestorben sind, brauchen Begleitung und Halt, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Julia Eßmann, 47, gelernte Betriebswirtin, gelernte Architektin, absolviert gerade ihre dritte Ausbildung: zur Traumatherapeutin. Sie gehe völlig auf in dieser Arbeit, berichtet Bernard Eßmann, sie arbeitet in München in Flüchtlingsunterkünften mit und bei Refugio, und sie sei es, die bald wieder nach Afrika wolle, für länger. Kann sein, sagt Eßmann, dass sie tatsächlich nochmals gehen, in einigen Jahren vielleicht, wenn die eigenen Kinder aus dem Haus sind.

Solange geht Bernard Eßmann jeden Tag ins Büro seiner Stiftung, sie hat ihren Sitz in der Etage über dem Sollner Wirtshaus zum Hirschen. Anders als früher aber bleibt er nicht bis Ultimo am Schreibtisch oder in Meetings sitzen, sondern geht zeitig nach Hause. Zu den Kindern. Bernard Eßmanns Karriere hat ihn auch zum Familienmann gemacht, der mehr für die eigenen Kinder da ist. Renditeerwartung? Voll erfüllt.

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