Seppl und Saupreiß:Zurück in die bayerische Zukunft

Der Schauspieler Florian Wagner war lange erfolglos, ehe er auf der Heimat-Schiene doch noch die Kurve kriegte und dort ankam, wo er immer ankommen wollte: auf der öffentlichen Bühne

Von Gerhard Fischer

Der Film-Wagner trägt ein kariertes Hemd, er ist ein bisserl krachert, ein wenig linkisch und manchmal breitbeinig - so breitbeinig wie die Fußballer, wenn sie vor 80 000 Zuschauern in ein Stadion einlaufen, zugleich Lässigkeit signalisieren und die eigene Bedeutung unterstreichen wollen. Der Film-Wagner ist in Berlin und in Brandenburg unterwegs, er sagt, er sei "auf der Suche nach einem echten Preißn". Derweil fahndet die Kollegin Caro Korneli in München und Umgebung nach Klischee-Bayern: Trachtler und Grantler, Bigotte und Spießer. Der Film heißt "Seppl und Saupreiß. Eine bayerisch-preußische Annäherung". Er läuft am Wochenende im Bayerischen Rundfunk.

Der echte Florian Wagner spaziert so auf den Fischbrunnen am Marienplatz zu: Kippe in der Hand, Schiebermütze, Dreitagebart. Er wirft die Zigarette weg, sagt zwei nette Sätze zur Begrüßung, schlägt ein Café vor, in dem man sich ungestört unterhalten könne, und fragt im vierten Satz, ob man nicht "du" sagen wolle. So kann man schnell Nähe herstellen.

Im Café geht es erst einmal um Bayern. Es gibt den Klischee-Bayern bloß noch auf dem Land, oder? "Ja, aber sie werden weniger", antwortet Wagner, "und viele Bayern sind optisch zwar noch so, aber sie sind in Wirklichkeit weltoffen." Er erzählt von seinem Bruder: Der lebt auf dem Land, ist 19, bodenständig, Mitglied im Trachten- und Gebirgsschützenverein und entschlossen, bald zu heiraten. Eine Frau mit Hof soll es sein, denn er will als Landwirt leben. Das klingt nach 19. Jahrhundert, ist es aber nicht. "Er denkt nicht in engen Grenzen", sagt Florian Wagner, "und er fährt auch mal mit einem Kumpel mit dem Auto durch Amerika."

Seppl und Saupreiß: Florian Wagner und Kollegin Caro Korneli am Bahnhof. Wagner ist nicht nur Schauspieler, sondern auch Moderator.

Florian Wagner und Kollegin Caro Korneli am Bahnhof. Wagner ist nicht nur Schauspieler, sondern auch Moderator.

(Foto: Süddeutsche TV)

Der Bruder steht für eine neue Generation, für die Zielstrebigen, die unverkrampft Tracht tragen, aber auch diejenigen leben lassen, die anders sind: Homosexuelle, Ausländer, Preußen. Für einen wie Florian Wagner, Jahrgang 1976, waren Männer mit Lederhosen früher noch suspekt. Volkstümler waren das. Ewiggestrige. Bierdimpfl. Er hingegen war mit seinem Vater, einem Flugkapitän, in der Welt unterwegs: mit 15 auf den Malediven, mit 16 in Indien.

Als Wagner jung war, wollte er nicht Landwirt, er wollte Schauspieler werden. Warum auch nicht: Er war groß, er sah gut aus, er war nicht auf den Kopf gefallen und er hatte den Drang, den Schauspieler haben müssen, um zu brennen: Er wollte sich zeigen. "Ich wollte schon als Kind im Mittelpunkt stehen", sagt er.

Und? Wie lief es?

Wagner beugt sich etwas nach vorne, die Ellbogen liegen auf der Tischplatte; er weicht nie aus, er geht auf die Fragen zu. Dann sagt er: "Es lief gut an, aber dann kam es bald ins Stocken - ich habe mich zehn Jahre lang als erfolgloser Schauspieler durchgeschlagen." Ja, es gab eine paar kleine Rollen, er nennt den "Notruf Hafenkante" und den "Polizeiruf", er spielte auch noch in "Sturm der Liebe" oder in "Dr. Sommerfeld" mit, aber das, was man Durchbruch nennt, blieb aus. Er lebte das Leben von so vielen jungen Schauspielern: hier ein Casting, dort ein Casting, und dann noch ein Casting, bei dem zehn andere dunkelhaarige, große Männer neben ihm, dem großen, dunkelhaarigen Mann, sitzen und auf die eine Rolle hoffen, welche die Karriere entscheidend befeuern soll. Daneben machte er Jobs, es waren die üblichen verdächtigen, um Geld zu verdienen: im Café und als Türsteher arbeiten, solche Sachen. "Man hängt rum", sagt er und lässt sich nach hinten fallen. Man kann sich vorstellen, wie sein Selbstwertgefühl gelitten haben muss; zumal er damals, wie er heute sagt, ein "eitler Pfau" gewesen sei. Schließlich, er war Ende 20, ging er nach Berlin.

Seppl und Saupreiß: Florian Wagner im Spreewald.

Florian Wagner im Spreewald.

(Foto: Süddeutsche TV GmbH)

"Aber es wurde nicht besser", sagt Wagner. Er hat sich wieder nach vorne gelehnt. "Und eines morgens saß ich an meinem Fenster in der Wohnung am Prenzlauer Berg, sah hinaus und vermisste meine Heimat: die Berge, auch das Münchnerische, das Gemütliche." Er packte seine Siebensachen, kehrte nach Bayern zurück, gab die Schauspielerei auf, um Druck wegzunehmen, und landete schließlich - auch aus privaten Gründen - am Tegernsee, wo er in einer Gaststätte jobbte und sich hocharbeiten konnte, ehe er sozusagen auf der Bayern-Schiene doch noch die Kurve kriegte und dort ankam, wo er immer ankommen wollte: auf der öffentlichen Bühne.

Ein Freund, Inhaber einer Eventagentur, bat Wagner, in Lederhosen vor Bankern aufzutreten, auf einer Hütte. "Ich mache mich doch nicht zum Affen", antwortete Wagner, machte aber gleich einen Gegenvorschlag: Er habe gerade ein Krimidinner gesehen, sagte er dem Freund; er könne doch einen original bayerischen Hüttenkrimi schreiben, den man als Krimidinner aufführen könne, mit Lederhosen, Dirndl und Pipapo. Er, Wagner, würde moderieren und einen Kommissar spielen. Mittlerweile haben sie den Krimi über 300 mal gespielt - vor insgesamt 25 000 Menschen.

Seppl und Saupreiß: Der Schauspieler und Moderator auf der Suche nach Saupreißn.

Der Schauspieler und Moderator auf der Suche nach Saupreißn.

(Foto: Süddeutsche TV GmbH)

Bei einer Vorstellung saß eine BR-Redakteurin im Publikum. Hernach sprach sie Wagner an: Ob er nicht mal was für den Bayerischen Rundfunk machen wolle . . . Mittlerweile macht er viel für den Bayerischen Rundfunk: Er begleitet Ex-OB Christian Ude beim Wiesn-Spaziergang, er sitzt als Heimatexperte bei der Jubiläumsgala des BR, er moderiert die Sendung Heimatrauschen, über die der Sender schreibt: "Im Magazin Heimatrauschen präsentiert Moderator Florian Wagner Menschen, Geschichten und Orte in Bayern, die Tradition aus der Heimat und modernen Stil auf besondere Art verbinden." Wagner lehnt sich nach vorne. "Da gibt es Leute", sagt er, "die ein traditionelles Handwerk wiederbeleben, ein Design-Studium dranhängen und dann international erfolgreich sind." Klischee-Bayern sind das nicht.

Und was ist mit dem echten Preußen, den er im Film sucht? "Sie haben ihn gefunden!", ruft ihm ein schwarzhaariger Mann mit Schnurrbart mitten in Berlin entgegen, "ich bin ein Saupreiß!" Der Mann heißt Mustafa, ist Türke, lebt seit 40 Jahren in Berlin, berlinert stark und ist CDU-Mitglied.

"Seppl und Saupreiß", ein von Süddeutsche TV produzierter Zweiteiler, läuft am 3. und 4. Januar jeweils um 19 Uhr im BR.

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