Senioren fordern Rentenerhöhung:Angst vor der Armut

Seit 2004 stehen Rentnern 1,5 Monatsrenten weniger pro Jahr zur Verfügung. Ihrem Ärger über die Kürzungen machen sie bei den Münchner Gewerkschaftssenioren Luft.

Sven Loerzer

Der große Auflauf an dem Informationsstand in der Fußgängerzone lässt erahnen, dass sich schon so einiges an Wut aufgestaut hat. "Warum steigen die Pensionen der Politiker?" fragt eine ältere Frau, um dann selbst die Antwort zu geben: "Da sind sich doch wieder mal alle einig."

Der Ärger, der sich über die Rentennullrunden der letzten Jahre bei steigenden Lebenshaltungskosten entlädt, ist bei vielen älteren Menschen inzwischen derart massiv, dass Willi Kling vom Verdi-Seniorenausschuss schon an eine Demonstration für angemessene Rentenerhöhungen denkt.

Am Info-Stand der Gewerkschaftssenioren wird er immer wieder darauf angesprochen, dass etwas geschehen müsse, um zu verhindern, dass immer mehr Rentner in die Armut abrutschen. In München, mit hohen Lebenshaltungskosten und Mieten, sei die Situation für Rentner besonders schwierig. "Wäre ich nur auf meine Rente in Höhe von 970 Euro angewiesen", sagt der 63-jährige Kling, "dann könnte ich damit in München nicht überleben".

Erst vor kurzem hat der Sozialverband VdK bei einer Pressekonferenz sehr detailliert vorgerechnet, dass die Rentner seit 2004 durch die Gesundheitsreform, Beitragserhöhungen und Kaufkraftverlust praktisch nun pro Jahr den Betrag von 1,5 Monatsrenten weniger zur Verfügung haben.

Schock über den Wertverlust der Rente

"Keine andere Bevölkerungsgruppe in Deutschland wurde in den letzten Jahren stärker zur Kasse gebeten als die Rentner", sagt VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher. Verschärft haben die Situation drei Nullrunden. Erstmals seit vier Jahren ist die Rente im Juli wieder gestiegen, um magere 0,54 Prozent. "Der rasante Wertverlust der Rente ist ein Schock für die ältere Generation." Dabei betrage die Durchschnittshöhe der Rente in Bayern bei Männern 960 Euro und für Frauen nur 665 Euro.

Nur 16 Prozent der Rentner erhielten eine Betriebsrente, im Schnitt 300 bis 400 Euro. "Angesichts dieser Zahlen von der reichen Rentnergeneration zu sprechen, geht an der Realität vorbei", betont Mascher. Die höchste Rente, 2200 Euro, erhielten gerade mal 2000 der 20 Millionen Rentner, also 0,01 Prozent. "Die überwiegende Mehrheit der Rentner fristet ein bescheidenes Dasein."

Der VdK fordert deshalb, die Rentenentwicklung nicht länger von der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung abzukoppeln. "Die gesetzliche Rente darf nicht auf ein staatliches Almosen reduziert werden", sagt Mascher. "Die Rente ist kein sozialpolitischer Gnadenakt oder eine Fürsorgemaßnahme des Sozialamts, sondern der Lohn für eine jahrzehntelang erbrachte Lebensleistung."

Am Verdi-Stand ist sehr deutlich zu spüren, dass das Motto "Es reicht" keine Phrase ist, sondern den Verdruss über die Kürzungen ausdrückt. An der Plakattafel, an der Passanten ihre Angst vor einer Zunahme der Altersarmut ausdrücken können, wandert der Stift von Hand zu Hand, die Liste füllt sich schnell mit Unterschriften.

Menschen, die aussehen, als ob sie bislang Demonstrationen allenfalls im Fernsehen verfolgt haben, begehren auf: "Wenn wir nicht aktiv werden, dann können wir nichts verändern", sagt eine Rentnerin.

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