Sendling:Wo sich Pegida zum Essen trifft

Sendling: Das Restaurant ist in die Schlagzeilen gerückt, weil Pegida-Anhänger sich dort zu ihrem Stammtisch treffen.

Das Restaurant ist in die Schlagzeilen gerückt, weil Pegida-Anhänger sich dort zu ihrem Stammtisch treffen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Erst wird gegen den Untergang des Abendlandes demonstriert, dann geht es zum Sizilianer. Dem Wirt wird das zunehmend unheimlich. Ein Besuch im Stammlokal der Münchner Pegidisten.

Reportage von Thomas Anlauf

Zur Belohnung gibt es frischen Fisch. Birgit W. und ihre vier Mitesser kommen gerade von der Kundgebung, wo W. mit ihren Leuten von Pegida gegen den vermeintlichen Untergang des Abendlands protestiert hat. 600 Mitstreiter seien es diesmal gewesen, sagt sie nach dem Genuss der gegrillten Dorade. Frau W. ist neben Heinz Meyer das Gesicht der Münchner Rechtspopulisten, die seit mehr als einem Jahr montags gegen den Islam hetzen.

Sie steht am Montagabend um elf Uhr abends lächelnd in einem italienischen Restaurant und plaudert. Von den vermeintlich 600 Pegidisten, die laut Polizeipräsidium nur 150 waren. Und sie redet von Afrika. "Waren Sie schon in Ruanda?", fragt sie den Reporter. Ein wunderbares Land. Sie habe ja gar nichts gegen Afrikaner, aber "sie brauchen einfach Führung".

Seit drei Monaten sitzen die Pegida-Anhänger beim Sizilianer

Birgit W. fühlt sich in dem Sendlinger Restaurant sichtlich sicher. Seit mindestens drei Monaten haben die Münchner Pegidisten dort montags ihr Stammlokal. Zunächst waren es nur ein paar Leute, die sich bei dem Sizilianer trafen. Dann wurden es plötzlich immer mehr. Etwa 35 extreme Rechte besetzten an einem Montag im Januar den kleinen Italiener, der mit der U-Bahn nur fünf Stationen von der wöchentlichen Aufmarschzone am Odeonsplatz entfernt ist.

Was sehr praktisch ist: Gegen 22 Uhr zieht Pegida unter Polizeischutz und gellenden Pfiffen der Gegendemonstranten ab ins U-Bahngeschoss, in nur sechs Minuten sind die Marschierer in Sendling beim Wirt ihrer Wahl.

Doch an diesem Montag ist etwas anders als sonst. Seit einer Woche hat der Wirt einen Zusatzvertrag der Brauerei unterschrieben, wonach sich der Sendlinger Pächter gegen jegliche Veranstaltungen rechtsextremer, rassistischer Art in seinem Lokal aussprechen soll. "Wir haben ihm gesagt, du musst niemanden bewirten, der aus extremen Lagern kommt", sagt der Unternehmenssprecher der Brauerei.

Wie der Wirt auf die neuen Gäste reagiert

An diesem Montagabend geht deshalb der Wirt persönlich an die Tische und fragt die Gäste: "Welche politische Gesinnung haben Sie?" Wer seine Gesinnung nicht nennen wolle, dürfe natürlich trotzdem sitzen bleiben. Die Leute von Pegida, die am Nebentisch ihren Fisch verspeisen, fragt er an diesem Abend nicht nach ihrer Gesinnung. Er kennt sie schließlich gut genug.

Der Wirt ist ein freundlicher Mann mit grauem Musketierbärtchen. Seit 40 Jahren lebt er in Deutschland, sagt der gebürtige Sizilianer. "Ich bin unpolitisch, ich bin nicht rot, grün, schwarz, weiß", ruft er aufgebracht vor der Tür seines Restaurants. Auf dem Gehweg stehen drei Streifenwagen der Polizei, daneben parkt ein schwarzer Wagen mit zwei Zivilpolizisten.

Aus einer Nebenstraße treten zwei Beamte des Sondereinsatzkommandos SEK ins Licht der Straßenlaterne. "Wie lange dauert das denn noch?", fragt einer der beiden den Wirt. "Ich sperre gleich zu", sagt der. Ist doch ohnehin alles zerstört, will er damit sagen. Fast 13 Jahre war er hier mit seinem Lokal, davor in der Dreimühlenstraße, angefangen hat er mit einem Restaurant in der Maistraße, alles ganz in der Nähe.

Erst kam Pegida, dann der Verfassungsschutz

Jetzt will Giovanni C. hinschmeißen. Endgültig. Er überlegt, zurück nach Italien zu gehen mit seiner Frau, die Münchnerin ist. Die ganze Geschichte wird ihm mittlerweile unheimlich. Der Verfassungsschutz war nach SZ-Informationen mehrmals da, das Lokal steht offenbar unter Beobachtung, seit sich Pegida das Restaurant als Stammtisch ausgesucht hat.

Am 7. März beschmierten dann Unbekannte die Fassade des Hauses. "Nazis verpisst Euch", stand an der Hauswand. Schon am nächsten Tag hatte der Wirt das wieder überpinselt, aber Pegida Bayern machte am selben Tag mit einem Foto der Schmiererei fragwürdige Werbung für das Lokal: "Bitte geht mit euren Familien und Freunden, wenn ihr einen Wirt braucht, und überlegt euch dabei, wie wir dem Wirt noch helfen können! Der Wirt wird seit Januar unseretwegen systematisch genötigt und geschädigt."

Wird er das? Seit Mai vergangenen Jahres gibt es eine Initiative der städtischen Fachstelle gegen Rechtsextremismus und des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga. Sämtliche Münchner Wirte wurden angeschrieben, um sie über Angebote zur Unterstützung aufzuklären, wenn Extremisten in Münchner Lokalen Stammtische planen. "Wir bieten keinen Raum für rechtsextreme Propaganda", sagte damals der Wiesnwirt und stellvertretende Dehoga-Kreisvorsitzende Christian Schottenhamel.

Wirt müsste nicht an Pegida vermieten

"Wenn Wirte Unterstützung benötigen, stehen wir gerne zur Verfügung", sagt Miriam Heigl von der Fachstelle gegen Rechtsextremismus, die direkt dem Oberbürgermeister Dieter Reiter unterstellt ist. In diesem Sinn schaltete sich deshalb der Sendlinger Bezirksausschuss ein, als er vom Pegida-Stammtisch in seinem Stadtteil erfuhr.

Dessen Vorsitzender Markus S. Lutz teilte dem Wirt am 8. März mit, dass Pegida "seit Oktober 2015 durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird". C. sei nicht verpflichtet, "an diese Leute zu vermieten, für sie zu reservieren oder sie zu bewirten".

Der Wirt reagierte. Auch, weil die Brauerei gehörig Druck machte. Sie "distanziert sich klar und eindeutig von populistischem beziehungsweise extremistischem Gedankengut und entsprechenden Gruppierungen". C. habe in Absprache mit der Brauerei und dem Rathaus "bereits mit den Pegida-Gästen gesprochen, um die Position deutlich zu machen", sagte der Unternehmenssprecher der SZ auf Anfrage.

Protest von Linksaktivisten

Das taten der Wirt und seine Mitarbeiter auch am vorvergangenen Montagabend. Eine Pegida-Aktivistin kam frühzeitig zum Treffpunkt ins Lokal und wurde zwar von einem Kellner herzlich umarmt, jedoch mit dem Hinweis, dass an diesem Abend keine weiteren Pegidisten erscheinen würden. Tatsächlich wurde nach SZ-Informationen dem Pegida-Chef Heinz Meyer an jenem Abend der Eintritt verwehrt, der sich dann auch wieder verzog.

An diesem Montag ist Pegida jedoch für den Wirt offenbar zunächst kein Problem mehr. Pegida ist wieder da, zumindest ein paar von den Aktivisten. Dem Wirt geht es nicht um Politik, sondern um den Umsatz, betont er immer wieder. Das Problem sind aber eine Handvoll Linksaktivisten, die um 22 Uhr aus Protest gegen Pegida an die Scheiben des Lokals trommeln. Die Polizei ist schnell am Einsatzort und vertreibt die jungen Leute.

Von all dem Trubel bekommt Birgit W. jedoch nichts mit. Sie trifft erst nach den Fenstertrommlern in ihrem Stammlokal ein und genießt nach dem Pegida-Aufmarsch mit ihren Gesinnungsgenossen ihren frischen Fisch.

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