Sendling-Westpark:"Ein großer Schritt"

Sendling-Westpark: Gelebte Inklusion: In der privaten Luise-Kiesselbach-Grundschule lernen behinderte und nicht-behinderte Kinder gemeinsam.

Gelebte Inklusion: In der privaten Luise-Kiesselbach-Grundschule lernen behinderte und nicht-behinderte Kinder gemeinsam.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Kultusministerium hat die private Luise-Kiesselbach-Grundschule nun staatlich anerkannt. Sie wird vom Integrationszentrum für Cerebralparesen (ICP) betrieben und fördert die Inklusion behinderter Kinder

Von Melanie Staudinger, Sendling-Westpark

Anfang Oktober ist es eigentlich fast noch ein wenig zu früh, um die Bilanz eines kompletten Jahres zu ziehen. Im Fall der privaten Luise-Kiesselbach-Grundschule an der Konrad-Celtis-Straße aber lässt sich mit einiger Sicherheit schon jetzt sagen, dass 2015 in die noch junge Geschichte der Einrichtung als Erfolg eingehen wird. Dem Träger, der Stiftung ICP München, ist es nicht nur gelungen, die staatliche Anerkennung zu bekommen und die Finanzierung für den Neubau des Schulgebäudes zu sichern. Auch bayernweit sieht es aus, als würde eine Forderung in Erfüllung gehen: Das Kultusministerium hat signalisiert, dass es künftig mehr Geld für die Fahrtkosten von behinderten Schülern bezahlen will, die eine inklusive Schule wie die der Stiftung ICP München besuchen - dem Integrationszentrum für Cerebralparesen.

Wer mit Hans Beyrle über die Luise-Kiesselbach-Grundschule spricht, in der behinderte und nicht-behinderte Kinder gemeinsam unterrichtet werden, der hört aus seinen Worten sofort seinen Stolz heraus. "Das war ein extremer Meilenstein, ein großer Schritt", sagt der Vorstandsvorsitzende der Stiftung ICP München, deren zentrales Anliegen es ist, Menschen mit Behinderung die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Pünktlich am 1. August sei das Schreiben des Kultusministeriums gekommen, in dem der Schule mitgeteilt wurde, dass sie nun nicht mehr länger nur staatlich genehmigt, sondern künftig staatlich anerkannt ist. Was einigermaßen sperrig klingt, hat in der Praxis durchaus entscheidende Auswirkungen.

Für die Schüler zum Beispiel: Diese mussten bisher in der vierten Klasse immer einen Probeunterricht absolvieren, wenn sie eine weiterführende Schule, also ein Gymnasium oder eine Realschule besuchen wollten - egal, welche Noten sie hatten. Das wird dieses Schuljahr anders werden: Durch die staatliche Anerkennung reicht das Übertrittszeugnis, wenn die Zensuren entsprechend sind. "Wir müssen weder unsere Kinder noch deren Eltern weiter diesem Stress aussetzen", sagt Beyrle.

Und diesen Stress haben sich so einige Familien angetan. Zwei Jahrgänge haben die Luise-Kiesselbach-Grundschule bisher nach der vierten Klasse verlassen, mit jeweils 15 Kindern, von denen vier oder fünf eine Behinderung haben. Rechnet man die Kinder mit Behinderung ein, lagen die Übertrittsquoten in etwa im bayerischen Durchschnitt. Nimmt man lediglich die Viertklässler ohne Behinderung, so wechselten sieben von zehn Schülern auf ein Gymnasium oder eine Realschule.

Die Übertrittsquote ist eines der entscheidenden Kriterien, um eine staatliche Anerkennung zu bekommen. Im Jargon des Kultusministeriums heißt das: "Die privaten Schulen müssen nachweisen können, dass ihr Unterrichtskonzept eine erfolgreiche Schullaufbahn ermöglicht." Daneben legt der Freistaat Wert darauf, dass es passende Räume gibt, die auch für Schulzwecke ausgestattet sind, dass die Schule ausreichend Personal einstellt, welches über die nötigen Qualifikationen verfügt, und dass sie sich am Lehrplan sowie den Stundentafeln für öffentliche Schulen orientiert. All diese Anforderung sieht das Ministerium nun als erfüllt an. "Wir haben mit unserer Arbeit fachlich überzeugt", sagt Beyrle.

Bei seinem zweiten Großprojekt zeichnet sich ebenfalls eine Lösung ab: In Sommer hatte das ICP in einer Petition an den Landtag eine Änderung des bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes gefordert. Konkret geht es Beyrle um die Fahrtkosten für seine behinderten Schüler. Denn würden diese eine Förderschule besuchen, bekämen die Eltern den individuell anfallenden Betrag erstattet. Bei einer Grundschule ist das anders. Private Schulträger erhalten vom Freistaat eine Jahrespauschale von 1624 Euro pro Schüler, davon sind etwa 400 Euro für Fahrtkosten vorgesehen. Tatsächlich aber wären etwa 4000 bis 5000 Euro nötig. "Dieses erhebliche Defizit müssen bisher die Eltern tragen", sagt Beyrle.

Das könnte sich ändern. Wie das Kultusministerium auf Nachfrage erklärt, plant die Staatsregierung im Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt 2016 eine Änderung der entsprechenden Passagen im Schulfinanzierungsgesetz. Demnach solle die Beförderung von Schülern mit Behinderung an Grund- und Mittelschulen, die auf ein Spezialfahrzeug angewiesen seien, bezuschusst werden - und zwar rückwirkend zum 1. August 2015. Zur Höhe der Zuwendung machte die Sprecherin keine Angaben. Darüber müsse der Landtag noch beschließen.

Bevor das geschehen wird, steht bei der Stiftung ICP aber schon das nächste Großereignis an. An diesem Freitag erfolgt der Spatenstich für das neue Schulgebäude, das auf dem Grundstück der Stiftung an der Garmischer Straße entstehen soll. Auch dabei ist die staatliche Anerkennung hilfreich: Das ICP bekommt nun 80 Prozent der Investition als Zuschuss erstattet, zuvor wären es nur 70 Prozent gewesen. Ende 2016 soll das Gebäude fertig sein. Klappt das, wäre auch 2016 als ein Erfolgsjahr zu verbuchen.

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