Sendling:Tafelsilber behalten

Großmarkthalle in München, 2017

Zügig soll die neue Großmarkthalle in Sendling kommen, wünscht der Bezirksausschuss, doch nicht mit einem Investorenmodell.

(Foto: Florian Peljak)

Sendlings Bezirksausschuss stellt sich nun doch deutlich gegen das vom Stadtrat beschlossene Investorenmodell zum Neubau der Großmarkthalle. Grüne und SPD sehen den Standort dadurch mittelfristig gefährdet

Von Julian Raff, Sendling

So groß die Erleichterung über den Verbleib der Großmarkthalle im Stadtbezirk im Sendlinger Bezirksausschuss (BA) auch sein mag, stellt sich das Gremium nun doch gegen das kürzlich beschlossene Investorenmodell und verlangt von der Stadt, den Neubau in der eigenen Hand zu behalten. Ein entsprechender Antrag der Grünen fand, mit den Stimmen der SPD, eine Mehrheit von elf zu sechs Stimmen, gegen CSU und FDP. Zuvor hatten die Stadtviertelvertreter nicht nur über die beste Bauträgerschaft leidenschaftlich debattiert, sondern auch grundsätzlich darüber, ob es dem Projekt und damit der Grundversorgung der Münchner wirklich dient, den Stadtratsbeschluss für eine Bau-Vergabe in Frage zu stellen - zumal sich der BA ausdrücklich eine schnelle Erneuerung des Umschlagplatzes wünscht.

Der Stadtrat hatte vor zwei Wochen beschlossen, die neue Halle bis 2021 durch einen privaten Bauträger errichten zu lassen, um sie anschließend von diesem wieder anzumieten und an die Händler weiterzuvermieten. Falls der Neubau kleiner ausfällt als der Bestand, könnte nebenbei Platz für rund 90 Gewofag-Wohnungen entstehen. Deutliche Zweifel an diesem Vorgehen und seinen eventuellen Zusatzkosten hatten SPD und Grüne im Bürgergremium bereits vor einem Monat angemeldet. Grundsätzlich auf ihrer Seite haben sie dabei sowohl Markthallen-Chef Boris Schwartz als auch einen Großteil der Händler sowie eine Sendlinger Bürgerinitiative. Skeptisch zeigte sich auch der scheidende Kommunalreferent Axel Markwardt.

Die BA-Grünen sehen das Investorenmodell, wie Elke Kremer im Namen ihrer Kollegen ausführte, als Versuch, die Halle am Standort Sendling regelrecht "auszuhungern". Das Investorenmodell könnte sich demnach durch die Mietkosten längerfristig als derart unrentabel erweisen, dass der Großmarkt doch an den Stadtrand ausgelagert werde. Am Standort seien 2500 Arbeitsplätze gefährdet. Zudem, so Kremer, verzögere die obligatorische europaweite Ausschreibung das Projekt um mindestens zwei Jahre. Der Zieltermin 2021 sei so, die wie Antrags-Autorin Anja Berger von den BA-Grünen schreibt, "völlig utopisch". Gar zu sportlich gesetzt scheint er aber so ziemlich allen Beteiligten, egal wer baut. Dass es ein Privater im Zweifel doch schneller hinbekommt, zumal die Bau-Ausführung ja ohnehin ausgeschrieben werden muss, glaubt etwa Andreas Lorenz, für die CSU im Bezirksausschuss und im Landtag. Die Bedenken der Händler seien bekannt und in die Entscheidung eingeflossen, so Lorenz. Die Grünen hätten seiner Meinung nach nicht nur diese Tatsache unterschlagen, sondern die Angelegenheit überdramatisiert - und das schon mit dem Antragstitel: "Nein zur Vertreibung der Großmarkthalle aus Sendling." Vielmehr, so Lorenz, habe der Stadtratsbeschluss den Standort jetzt dauerhaft gesichert. Es sei daher sinnvoller, auf dem eingeschlagenen Kurs nachzubessern, als von vorne anzufangen, auch wenn niemand zu hundert Prozent vom Konzept überzeugt sei.

Ernst Dill (SPD) fand den Grünen-Antrag zwar "nicht sehr pfiffig", signalisierte aber im Namen seiner Fraktion Zustimmung. Die Zwischenvermietung produziere nicht nur zwangsläufig Zusatzkosten für die Händler, sie zerstöre auch die guten Geschäftsbeziehungen. Die Zuständigkeit für Instandhaltung und Reparaturen werde zwangsläufig zwischen Stadt und Investor hin und her gereicht, wobei letzterer auch daraus Profite auf Kosten der Händler schöpfen könnte. "Da kostet dann die Glühbirne auf einmal sechs Euro", so Dill. Notfalls könnte sich der stellvertretende BA-Vorsitzende auch ein Bürgerbegehren gegen die jetzige Planung vorstellen. Sein Parteikollege, Gremiumschef Markus Lutz, kann dem Investorenmodell umso weniger abgewinnen, als in der Niedrigzinsphase das frühere Hauptargument für ein solches Vorgehen wegfalle. Selbst um Zinsen zu sparen, dürfe die Stadt eine zentrale Leistung der Daseinsvorsorge nicht aus der Hand geben, ergänzte Rene Kaiser (Grüne). München, so Kaiser, sei schließlich "immer sehr gut damit gefahren, sein Tafelsilber eben nicht zu verkaufen".

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