Sendling:Köpfen, nicht klopfen

Sendling: Das Dreibein hat es ihm angetan: Sebastian Frank hat sich den "Rocket" ausgedacht, einen Eierbecher, der ohne Becher auskommt.

Das Dreibein hat es ihm angetan: Sebastian Frank hat sich den "Rocket" ausgedacht, einen Eierbecher, der ohne Becher auskommt.

(Foto: Catherina Hess)

Cape Canaveral auf dem Küchentisch - Sebastian Frank hat mit dem "Rocket" einen Eierbecher ohne Becher erdacht

Von Franziska Gerlach, Sendling

Es soll ja Menschen geben, die den Verzehr eines Frühstückseis zur Wissenschaft erheben können. Meist drehen sich solche Diskussionen darum, ob man das Ei köpfen oder aufklopfen soll. Bei Sebastian Frank stellt sich diese Frage nicht. Denn dass er zur Fraktion der Köpfer gehört, das sieht man schon an dem Produkt, das er entworfen hat: Es ist ein Eierbecher ohne Becher. "Ich habe bewusst darauf verzichtet, sonst wäre es ja doch wieder ein normaler Eierbecher." Überhaupt habe er dem Klopfen noch nie etwas abgewinnen können, sagt der 36-jährige Produktdesigner, der in Sendling wohnt. Lieber enthauptet er das Ei mit einem sauberen Schnitt. Und was machen die Klopfer mit ihren Schalen, wenn ein Behälter dafür fehlt? "Die kommen auf den Teller, auf dem der Eierbecher steht", sagt Frank. Recht hat er, denkt man, und ärgert sich nachträglich über zahllose, winzig klein geklopfte Eierschalen, die man in der Vergangenheit beim Spülen aus diversen Modellen gekratzt hat.

Nur, wenn Franks Eierbecher eigentlich gar keiner ist, was ist er dann? So manchen mag das Konstrukt mit den drei schlanken Beinen an einen Hocker erinnern, Frank selbst hat es "Rocket" getauft, zu Deutsch: Rakete. Und tatsächlich sitzt das Ei in dem Metallständer wie eine Rakete kurz vor dem Abschuss, stolz und erhaben - ein Cape Canaveral auf dem Frühstückstisch. Mittlerweile gibt es den "Rocket" in mehreren Farben: In Hellblau, Orange oder Weiß zum Beispiel, aber auch in Gold ist er zu haben sowie mit durchsichtigem Lack überzogen. Vor kurzem wurde der "Rocket" mit dem "German Design Award" ausgezeichnet, den der "Rat für Formgebung" seit 60 Jahren vergibt.

Dabei war es nie das Ziel des Münchners, einen Eierbecher zu entwerfen. Und auch wenn Frank regelmäßig darauf angesprochen wird, will der Designer für Wohnaccessoires und Inhaber des Labels "Produkt + Gestaltung" eigentlich nicht auf einen Eierbecher reduziert werden. "Die Idee war ein Zufall", sagt er. Es sei weniger der Zweck als die Form gewesen, das Dreibein, das es ihm angetan habe. Sechs Monate lang habe er hin und her überlegt, wozu sich ein Dreibein eignen könne. Und dann - passenderweise beim Frühstück - kam ihm Mitte 2012 die Idee, dass sich ein Ei gut darin machen würde. Im Übrigen nicht nur aus ästhetischen Gründen: "Ein Dreibein wackelt nämlich nicht, das ist wie bei einem Stativ", sagt Frank und nimmt ein türkisfarbenes Modell zur Hand, fast zärtlich wiegt er es.

Was fehlte, um den "Rocket" zu realisieren, war eine erkleckliche Summe Geldes. Denn um den Eierbecher in größerer Stückzahl zu produzieren, muss zunächst eine Form erstellt werden, in die unter hohem Druck eine Kupfer-Zink-Legierung gegossen wird. Um das Werkzeug zu finanzieren, startete Frank eine Crowdfunding-Kampagne. In seinem Büro an der Oberländerstraße spielt er noch einmal den Film ab, mit dem er seinerzeit im Internet für sein Projekt warb. Er sei ein Produktdesigner aus München, stellt Frank sich darin vor. "Yes, from Munich - but this is not about beer or the Oktoberfest." Es gehe nicht um Bier, auch nicht um die Wiesn. Und trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - kommen innerhalb von nur drei Wochen knapp 11 000 US-Dollar zusammen. Der Eierbecher findet nicht nur in Deutschland und Amerika Geldgeber, auch Menschen aus Australien, Frankreich und sogar Malaysia unterstützen den Münchner Designer.

Gut zwei Jahre ist das jetzt her. Großartig verändert hat die Erfindung Franks Leben allerdings nicht. Zwar weiß er inzwischen recht gut Bescheid in Sachen Hühnerei. Die Angaben S, M und L zum Beispiel bezeichneten nicht dessen Größe, sondern das Gewicht, fachsimpelt er. Sein eigener Eierkonsum ist durch den Erfolg des "Rocket" aber nicht gestiegen. "Unter der Woche ist es bei mir zum Frühstück meist nur ein Kaffee", sagt Frank. Am Ostersonntag bekommt er Besuch. Da kämen dann sicher auch Frühstückseier auf den Tisch. Die ideale Kochzeit? "Vier Minuten", sagt Sebastian Frank spontan. Damit das Gelbe weich ist, und das Weiße nicht glibberig.

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