Sendling:Kampf gegen den Abriss

Fünfzigerjahrebau Wackersberger Str. 37 in Sendling âÄ" dem droht der Abriss. Mit Nachbargrundstück No. 39.  Dort wurde in dieser Woche ein Lagerhaus plattgemacht.

Das Lagerhaus an der Wackersberger Straße 39 wurde bereits abgerissen. Falls auch das Mietshaus daneben abgerissen wird, könnten mehr als 80 Wohnungen entstehen - allerdings mit gehobenen Mieten.

(Foto: Florian Peljak)

Ein Investor will ein Mietshaus mit zwölf Wohnungen an der Wackersberger Straße durch einen Neubau ersetzen. Weil sich die Mieten jedoch mehr als verdoppeln könnten, lehnt der Bezirksausschuss das Vorhaben vehement ab

Von Birgit Lotze, Sendling

Kann die Stadt einen Wohnungseigentümer zwingen, sein Haus nicht für einen Neubau abzureißen, sondern es zu renovieren? Trotz eines Gutachtens, wonach die Sanierung unverhältnismäßig teuer wäre? Die SPD Sendling meint, ja. Die Stadt habe mit der Zweckentfremdungssatzung und der Erhaltungssatzung Instrumente, um Wohnraumvernichtung wirksam zu verhindern, meint Ernst Dill, SPD-Fraktionssprecher im Bezirksausschuss (BA) Sendling und dort Sprecher des Bauausschusses. So zum Beispiel bei der Wackersberger Straße 37. Dort war den letzten verbliebenen fünf von zwölf Mietern vor zwei Wochen die Kündigung von ihrem Vermieter zugestellt worden.

Dill und die SPD fordern, dass die Stadt den Abriss des Baus aus den 1950er Jahren gar nicht erst genehmigt. Stattdessen soll sie den Eigentümer verpflichten, den Instandhaltungsstau zu beheben. Die Eigentümer hätten das Haus heruntergewirtschaftet, sagt Dill, der von Beruf Jurist ist. "Und nun sollen die Mieter dafür büßen?"

Der BA Sendling hatte in seiner Sitzung vergangene Woche Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) aufgefordert, die Mieter der Wackersberger Straße 37 vor Verdrängung zu schützen. Die Initiative dazu kam von Philip Fickel (SPD) und wurde auf Anregung von Andreas Lorenz (CSU) dahingehend ergänzt, dass die Stadt das Haus mit Verweis auf die Erhaltungssatzung kaufen solle, um Schlimmeres zu verhindern. Derzeit beträgt ihre Miete elf Euro pro Quadratmeter. Im Kündigungsschreiben war den Mietern vom Grundstücksverwerter eine Miete von 24 Euro je Quadratmeter in dem geplanten Neubau angekündigt worden. Das könnten diese sich nicht leisten, sagt Dill. "Das individuelle Gewinnstreben der Sendlinger Baugesellschaft vertreibt die Menschen aus unserer Stadt."

Dem von der SPD vorgelegten detaillierten Antragspaket zufolge soll die Stadt einen unparteiischen Gutachter für den Erhalt des Hauses bestellen. Er solle nicht auf einen Abriss hin fokussiert sein, so wie der Gutachter des Grundstücksverwerters, der zu dem Schluss gekommen war, dass eine Renovierung deutlich teurer komme als ein Neubau.

Auch die Zweckentfremdungssatzung soll die Stadt bei der Wackersberger Straße 37 anwenden, schließlich stünden dort Wohnungen leer, teils seit Jahren schon. Und was die Erhaltungssatzung angehe, soll die Stadt ihren eigenen Kriterienkatalog bei der Anwendung überprüfen, so Dills Anliegen. Sie solle feststellen, ob der allgemein übliche Standard, der dort formuliert ist, nicht so hoch gesetzt ist, dass er zu erhöhten Modernisierungsumlagen führt und damit entscheidend zur Mietvertreibung beiträgt. Außerdem soll die Stadt - gemäß Erhaltungssatzung - prüfen, inwieweit die Vertreibung der zwölf Mietparteien die Zusammensetzung der Bevölkerung im Viertel verändere.

Durch die Vertreibung der angestammten Bewohner seien negative städtebauliche Folgen zu befürchten, so Dill. Er ist der Ansicht, dass die Stadt den Abriss von günstigem Wohnraum durchaus verhindern könne, Gesetzes- und Satzungslage erlaubten dies. Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn hat in dieser Woche die Stadt ebenfalls aufgefordert, alle Instrumente und Mittel zu nutzen, um das Projekt zu verhindern.

Die Eigentümerin, die Sendlinger Baugesellschaft mbH, die zur Scherbaum Unternehmensgruppe gehört, hat inzwischen verdeutlicht, dass nicht Wohnraum vernichtet, sondern zusätzlicher geschaffen werden soll. Derzeit gibt es zwölf Wohnungen an der Wackersberger Straße 37, durch das Hinzunehmen des Nachbargrundstücks wolle man mehr als 80 Wohnungen bauen. Auch sollten "bewusst keine Luxuswohnungen geschaffen" werden. Die Baueingabe sehe Ein- bis Drei-Zimmer-Wohnungen vor. Man wolle mit den jetzigen Mietern "verträgliche Lösungen" finden. Dies sei mit einigen Mietern geglückt. Die verbliebenen Mieter seien trotz Aufforderung nicht auf die Firma zugekommen.

Es gehe nicht darum, die Mieter zu vertreiben, betont Geschäftsführer Rainer Scherbaum. Man habe ihnen angeboten, im Neubau vergünstigte Wohnungen und ein Vormietrecht zu bekommen. Auch wolle man sie bei der Wohnungssuche unterstützen. "Hier ist jedoch der Dialog mit den Mietern erforderlich." Den hätten die Mieter, die noch im Haus wohnten, bislang verweigert. Projektleiter Frank Maiberger ergänzte auf Nachfrage, dass jetzige Mieter "zu den gleichen Konditionen" in den Neubau einziehen könnten.

Die verbliebenen Mieter wissen allerdings von solchen Angeboten nichts. Vielleicht seien vereinzelt gute Vorschläge gemacht worden, aber er habe kein Angebot bekommen, sagt einer der Mieter, die noch ausharren. Auch aus der Kündigung habe er nicht herauslesen können, dass er in den Neubau für einen günstigen Mietpreis einziehen könne. Darin sei explizit von Auszug und von einem Mietpreis von 24 Euro je Quadratmeter im Neubau die Rede gewesen, berichtet er. Erst kürzlich hat die Stadt durch ihr Einschreiten eine Wende im Häuserkampf erreicht, wenn auch unter anderen Voraussetzungen: Die Musikkneipe "Schwabinger Podium" sollte - auch nach einem durch den Eigentümer in Auftrag gegebenen Gutachten - abgerissen werden, im April zog der Eigentümer diesen Plan und damit seine Klage gegen die Stadt überraschend zurück und will jetzt sanieren. In dem Fall, der viel Aufsehen erregte, hatten sich Tausende Münchner für das Podium, dem gekündigt worden war, eingesetzt. Auch steht das Anwesen in der Wagnerstraße 1 anders als das Gebäude in der Wackersberger Straße 37 unter Ensembleschutz. Deshalb lehnte die Stadt den Abriss ab.

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