Sendling:Harmloser Harras

Brunnen am Harras in München, 2016

Der Harras - vielleicht nicht immer so beschaulich, aber keinesfalls bedrohlich, sagen Sendlinger Politiker.

(Foto: Johannes Simon)

Erneut protestieren Lokalpolitiker gegen den "Angst-Atlas" von CSU-Politiker Kuffer, auch die Polizei widerspricht

Von Birgit Lotze, Sendling

Die "Angstraum"-Aktion des CSU-Politikers Michael Kuffer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Rathaus und Bundestagskandidat seiner Partei im Münchner Süden, stößt auf harsche Kritik in den Stadtteilen. Der Bezirksausschuss Sendling-Westpark hatte die Aktion im April als "billige Effekthascherei" abqualifiziert. Kuffer hatte auf seiner Homepage einen Angstraum-Melder eingerichtet und erste Ergebnisse in der Boulevardpresse lanciert. Der Partnachplatz geriet dort auf Platz zehn - in der Polizeistatistik gibt es dafür allerdings keine Anhaltspunkte. Auch in Sendling soll es nach Kuffers Zusammenschau einen solchen Angstraum geben: Am Harras, Platz neun, sollen sich nach 20 Uhr Jugendliche treffen und angeblich manchmal aggressiv auftreten.

Im Sendlinger Bezirksausschuss war nun vom "subjektiven Empfinden einiger weniger" die Rede, sowie von verantwortungslosem Umgang mit dem Thema Sicherheit, ausgenutzt zu Wahlkampfzwecken. "Das ist wohl eher ein Angstmacher als ein Angstraummelder", sagte Louisa Pehle (SPD). Auch sie sei nachts öfter am Harras unterwegs, vor allem wegen des freien Internetzugangs hielten sich dort meist zahlreiche Menschen auf. Von einer aggressiven Stimmung sei nichts zu spüren. "Jeder ist wohl mal jung gewesen und auf öffentlichen Plätzen gestanden", ergänzte Jan Erdmann (Grüne).

Laut Polizeirat Christian Wittstadt, Leiter der Sendlinger Polizeiinspektion, gibt es keinen Grund zur Beunruhigung am Harras, zur Angst schon gar nicht. "Die Zahlen sprechen was anderes." Der Harras sei bei Kontrollen keinesfalls als ein Platz, der Angst und Schrecken verbreite, aufgefallen. Auch gebe es keine solche Rückmeldung aus der Bevölkerung. In Sendling speziell seien die Gewaltdelikte sogar rückläufig, ebenso die Wohnungseinbrüche. Elisabeth Robles-Salgado (Grüne) sagte, die Aufgabe von Politikern sei es, den Menschen Sicherheit zu geben und nicht, grundlose Ängste zu schüren. Sie erinnerte daran, dass die meisten Sexual- und Gewaltdelikte im engsten Familienkreis passieren. "Aber für die meisten Menschen ist die Familie glücklicherweise kein Angstraum." Erwin Henke (Grüne) verwies darauf, dass sich Kuffers Behauptungen auf lediglich 170 Stimmen stützen. Da sei die Auswahl wohl recht beliebig.

Einzig Manuela Olhausen, Fraktionskollegin von Kuffer im Stadtrat, wollte die "Angstraum"-Aktion nicht allein als Wahlkampf-Masche abtun. Es gebe derzeit viel mehr Menschen als vor einigen Jahren, die Unbehagen fühlten, dies jedoch nur wenig konkretisieren könnten. "Das Gespür verändert sich. Es einfach zu ignorieren, das ist mir zu lapidar." Die Ursache müsse sich ja nicht durch die Polizeistatistik belegen lassen. Eine bessere Beleuchtung könne eventuell schon reichen.

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