Sendling:Früchte und mehr

Fischhändler Birhan Babayigit (Sendling), der kürzlich nach sieben Jahren im Container wieder in die Sortieranlage vor dem West-Tor Großmarkthalle Thalkirchner Straße/Gotzinger Straße gezogen ist.

Wieder eingezogen in die ehemalige Sortieranlage vor dem Westtor des Großmarkts ist Fischhändler Bizim Balikci.

(Foto: Florian Peljak)

Die Stadtteilpolitiker wollen das Gebäude auf dem Areal der Großmarkthallen unter Denkmalschutz stellen lassen. Ein Fischhändler ist bereits wieder eingezogen in die Sortieranlage, ein Obsthändler soll folgen

Von Birgit Lotze, Sendling

Lässt die Stadt die Sortieranlage im Stich? Viele Sendlinger befürchten, sie werde sich zurückziehen, weil das Erhalten kostspielig zu sein scheint. Der Sendlinger Bezirksausschuss (BA) will den markanten Flachbau am Westtor der Großmarkthallen unbedingt sichern. In einigen Jahren wohnten dort angrenzend etwa 400 Menschen mehr, sagt BA-Vorsitzender Markus Lutz (SPD). "Wenn wir dann dort ein Kleinod hätten und rundherum Geschäfte, wäre das eine tolle Sache."

Ein Antrag der SPD, das Gebäude aus den Zwanzigerjahren unter Denkmalschutz zu stellen, wurde von den Sendlinger Stadtteilvertretern einstimmig befürwortet. Für Sendling sei die Sortieranlage identitätsbildend, findet SPD-Fraktionschef Ernst Dill. Die Vorläufer der Münchner Tafel hätten hier begonnen. Das Gebäude lege Zeugnis ab für die städtische Leistung, die Münchner seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts mit Obst und Gemüse zu versorgen. Und bis zum Jahr 2009 sei sie ein lebendiges Zentrum gewesen, sagt Ernst Dill.

Früher wurde in der Sortieranlage das noch verzehrbare Obst aus der Ausschussware aussortiert, später vermieteten die Münchner Markthallen die Räume des Flachbaus auch an kleinere Lebensmittelhändler und Gastronomen. Die Sendlinger begrüßten das, schließlich konnte man sich dort mit Waren aus den Großmarkthallen versorgen. Doch 2009 wurde das Gebäude durch das Kommunalreferat - in diesem Referat sind die Markthallen angesiedelt - evakuiert. Das Dach, so hieß es damals, drohe einzustürzen. Seitdem ist nur noch wenig, wie es früher war.

Nach der Räumung konnten nicht alle Mieter zurückkehren. Einige mussten in Containern ausharren, andere aufgeben. Der Sendlinger BA forderte immer wieder, den Leerstand endlich zu beenden. Markthallen-Chef Boris Schwartz stieß bei seinen Prüfungen der Bausubstanz allerdings immer wieder auf Überraschungen, er sprach von einem Fass ohne Boden. Es bestehe nicht nur ein grundlegender Sanierungsbedarf, es gebe gravierende konstruktive Mängel, sagte Schwartz. Auch sei es schwierig, Mieter zu finden. Und das Geschäft an der Stelle lohne nicht.

Als Gast in einer Sitzung des Bezirksausschusses vor rund einem halben Jahr deutete Schwartz dann an, dass die Markthallen Wege suchen, die renovierungsbedürftige Sortieranlage loszuwerden. Auf die Markthallen kommen in den nächsten Jahren auch ohne die Sortieranlage Kosten in voraussichtlich dreistelliger Millionenhöhe zu: Ein Großteil des Großmarkts soll komplett neu gebaut werden. Dafür müssen die Markthallen Flächen abgeben - schon um zur Finanzierung beizutragen.

Die Sendlinger Stadtteilpolitiker forderten das Kommunalreferat mehrmals auf, die Sanierung voranzutreiben und möglichst das ursprüngliche Nutzungskonzept mit dem Verkauf von Grundnahrungsmitteln fortzuführen. Die Bürgerversammlung plädierte für den Wiedereinzug der ehemaligen Geschäfte, wollte, dass in der Sortieranlage wieder Fisch und Gemüse verkauft werden. "Fleisch und Obst statt Schickimicki" hieß es.

Die Großmarkthallen präsentierten Ende vergangenen Jahres einen neuen Mieter, einen Obsthändler. Allerdings, so stellte sich heraus, verkaufte dieser Obst und Gemüse, wenn überhaupt, dann vor allem online und im Glas. Dann stellte die Markthallenleitung klar, dass die ehemalige "Pasticceria Bussone" als Restaurant bald wieder aufgemacht werden könne, sofern der zukünftige Mieter die Kosten der Sanierung - geschätzt mehr als 600 000 Euro - übernehme. Für den BA bot dies wieder Anlass, einzuschreiten. Die Stadt solle doch bitte mitteilen, wie ein Restaurant eine so hohe Investitionssumme bei einem Fünf-Jahres-Mietvertrag finanzieren solle.

Zwar wurden die Anträge aus Sendling im Großen und Ganzen vom Stadtrat befürwortet, sonst tat sich jahrelang wenig. Bewegung kam erst in den vergangenen Wochen in die Sortieranlage - und zwar im Sinne ihrer Anhänger: Die Stadt hat einen Teil der Sanierungskosten übernommen, jetzt sind eine Reihe von Bewerbungen für die Pasticceria eingegangen. Und: Der Obst-Online-Handel hat gekündigt, er zieht in das Kontorhaus auf dem Großmarktgelände. Der Laden sei wieder ausgeschrieben - explizit für einen Obst- und Gemüsehändler, sagt Antje Jörg, Bürochefin im Kommunalreferat. Auch ist der Fischhändler, der sieben Jahre aus einem Container vor der Tür verkaufte, wieder eingezogen.

Ob die Denkmalschutz-Initiative des BA erfolgreich sein wird, ist offen. Das Gebäude entspricht nicht den gängigen Richtlinien des Denkmalschutzes, wenig ist noch original: Die Sortieranlage wurde trotz Kriegsschäden nicht grundlegend saniert, sondern mal hier, mal dort repariert. Bei einer Prüfung durch das Landesamt für Denkmalschutz im Jahr 2009 fiel die Sortieranlage durch. Starke Veränderungen und Ergänzungen hätten dazu geführt, dass das 1924/25 erbaute Gebäude nicht mehr für seine Bauzeit anschaulich überliefert sei, hieß es damals in der Begründung.

Der BA bereitet bereits eine weitere Initiative vor. Die einzelnen Denkmäler des Großmarktareals sollen unter Ensembleschutz gestellt werden: die bekannte Halle 1 mit dem überhöhten, spitzbogigen Mittelschiff, dann die Kartoffelhalle, zwei Kontorhäuser und der ehemalige Fruchthof an der Gotzinger Straße. Überhaupt ist die Gegend um den Gotzinger Platz reich an Baudenkmälern. In der Denkmalschutzbehörde geht man davon aus, dass unter Umständen weitere Ensembles als schützenswert integriert werden könnten - beispielsweise um bestimmte Sichtachsen zu erhalten.

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