Sendling:Eine Tragödie lebt auf

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Die Bauernschlacht von 1705 gilt als das historische Ereignis in Sendling - nun will die Theaterwerkstatt Gerhard Weiss die "Mordweihnacht" als Figurentheater dauerhaft etablieren. Die Initiative sucht noch Mitwirkende

Von Birgit Lotze, Sendling

In Sendling hat sich eine neue Initiative gebildet, welche die historische Sendlinger Bauernschlacht im Viertel stärker verankern und erlebbar machen will - in erster Linie mit Figurentheater. Bislang erinnert vor allem der Trachtenverein Schmied von Kochel jedes Jahr an Weihnachten mit einem Kirchenzug an die gefallenen Oberland-Bauern der so genannten Mordweihnacht des Jahres 1705. Die Sendlinger Bauernschlacht gilt als das maßgebliche mit dem Stadtteil assoziierte historische Ereignis. Mindestens 1100 Bauern, Handwerker und Flößer wurden bei dem Blutbad niedergemetzelt. Einige waren aus München, doch diese Gruppe kam vorwiegend aus dem Oberland; allein in Bad Tölz waren 600 Bauern zum Widerstand verpflichtet worden.

Auslöser für den Aufstand war die Besatzungspolitik des habsburgischen Kaisers Joseph I. Nach dem spanischen Erbfolgekrieg war Bayern von Truppen des österreichischen Kaisers besetzt. Die Bauern wollten eigentlich München einnehmen, was ihnen nicht gelang. Meist sollen sie mit Sensen sowie Heu- und Mistgabeln bewaffnet gewesen sein. Auf dem Rückzug versammelten sie sich am 25. Dezember um Mitternacht in Sendling. Ihre Anführer bezogen Quartier in der Gastwirtschaft, die meisten übernachteten im Freien. Die kaiserlichen Offiziere ließen sie dort niedermetzeln. Einige letzte Überlebende flüchteten auf den Friedhof der alten Pfarrkirche in Sendling. Auch dort töteten die Besatzer jeden, der ihnen unterkam. Die Kirche wurde zerstört, Sendling geplündert. Als einer der letzten Verteidiger soll der sagenumwobene Volksheld "Schmied von Kochel" - ob es ihn wirklich gab, ist nicht gesichert - auf dem Friedhof gefallen sein. Nur wenigen Aufständischen gelang die Flucht.

Die neue Initiative, welche die Tragödie aufleben lassen will, geht auf die Theaterwerkstatt Gerhard Weiss zurück. Weiss, Schwabinger und Intendant des wohl kleinsten Münchner Theaters, hatte zum 300. Gedenktag der Sendlinger Bauernschlacht vor zwölf Jahren mit dem Theater "I Piccoli" ein Historienspiel als Figurentheater entwickelt. Vergangenen Winter wurde es noch einmal aufgeführt. Die Theaterwerkstatt suchte damals Mitspieler, Musiker, Bühnenarbeiter und Techniker - und wollte versuchen, das Theaterstück dauerhaft im Viertel zu etablieren.

Sechs Sendlinger wollen nun gemeinsam mit Weiss das Projekt weiterführen. Die Gruppe sucht noch weitere Mitspieler, vor allem im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Geplant sind zunächst drei Aufführungen in der ersten Januarwoche in der Kleinkunstbühne Ars Musica im Stemmerhof. Auch die Musikerin Michaela Dietl wurde engagiert. Unterstützung bekommt das Projekt auch durch die Kulturschmiede und - finanziell - vom Bezirksausschuss.

In Sendling erinnern viele Straßennamen und Plätze an die Herkunft der gefallenen Bauern aus dem Oberland: Gotzing und Valley zum Beispiel. Auch Einzelpersonen werden gewürdigt, wie Johann Georg Aberle, einer der Anführer des Oberländer Bauernaufstandes, oder Johann Christoph Kyrein, einer der Tölzer Bürgermeister, die die Bevölkerung unter Androhung des Verlustes der Bürgerrechte zum Widerstand gepresst haben sollen. Angeblich meldeten sich 600 Mann, größtenteils Tölzer Schützen. Fast alle ließen ihr Leben.

An der zur Lindwurmstraße gelegenen Fassade der Pfarrkirche St. Margaret am Sendlinger Berg, gegenüber dem Schmied-von-Kochel-Brunnen, hat der Maler Wilhelm Lindenschmit den Heldentod der tapferen Widerständler dargestellt. Es zeigt symbolisch eine mögliche Schlussszene jener Weihnachtstage des Jahres 1705 auf dem Kirchplatz: überlebende Oberländer, die sich gegen die Herrschaft der Österreicher erhoben, der Übermacht aber nicht widerstehen konnten. Der Schmied von Kochel hält die bayerische Fahne hoch, dem Tode nah, den Hieben der ungarischen Reiter ausgesetzt. Die Kirche steht bereits in Flammen, darüber das Himmelstor mit Engeln, welche die Seelen der gefallenen Oberländer empfangen.

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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