Sendling:Beschränkter Zugang

Sendling: Die mobile Einstiegshilfe versperrt eine Schwimmbahn. Deshalb wird sie um 15 Uhr entfernt. Für Behinderte und Senioren wird es dann schwierig.

Die mobile Einstiegshilfe versperrt eine Schwimmbahn. Deshalb wird sie um 15 Uhr entfernt. Für Behinderte und Senioren wird es dann schwierig.

(Foto: Catherina hess)

Für das Becken im Südbad gibt es eine mobile Einstiegshilfe. Die Sendlinger wollen aber seit Jahren eine Treppe. Die Lokalbaukommission steht auf ihrer Seite, doch die Bäderverwaltung warnt vor Nachteilen für Sportschwimmer

Von Birgit Lotze, Sendling

Sendlinger Senioren und Stadtteilpolitiker haben in einem jahrelangen Streit um eine Treppe im Südbad an der Valleystraße einen Hürde genommen. Die Stadtwerke München (SWM) sind jetzt von der Lokalbaukommission im Planungsreferat aufgefordert worden, das Schwimmbad nachzurüsten, damit es für möglichst viele Bürger ohne fremde Hilfe benutzbar ist. Die Treppe wurde bei der Modernisierung des Bades durch die SWM-eigene Bäderverwaltung im Jahr 2009 nicht mehr eingebaut, obwohl sie offenbar fester Bestandteil der Baugenehmigung von 2007 war. Im Sendlinger Bezirksausschuss (BA) sprach man von einem Schwarzbau. SPD-Fraktionsvorsitzender Ernst Dill sagte, er freue sich, dass die Lokalbaukommission die Rechtsauffassung teile, dass niemand von einer städtischen Badeeinrichtung ausgeschlossen werden dürfe.

Der Freude darüber, dass es im Südbad in Kürze über eine Treppe ins Wasser geht, könnte jedoch bald abebben. Denn die Bäderverwaltung denkt nicht daran, der Aufforderung ohne weiteres nachzukommen. Sie sei kein rechtsverbindlicher Bescheid. Die Bäderverwaltung regierte mit einem fünfseitigen, eng beschriebenen Brief an die Kollegen in der Lokalbaukommission. Darin werden "Informationen zur Situation im Südbad" zusammengefasst, "die für eine Gesamtabwägung in Sachen mobile Einstiegstreppe möglicherweise relevant" sein könnten. Ein Vorgespräch habe bereits stattgefunden. Die Abwägung laufe, hieß es bei den Stadtwerken.

Die Debatte, eher ein Ringen um die Treppe, ist inzwischen sehr aufgeladen. Seit der Modernisierung des Südbads war der Zugang zum Wasser jedes Jahr Thema der Bürgerversammlungen. Vor allem Senioren beschwerten sich über die fehlende Treppe. Sie setzten die Anschaffung einer mobilen Einstiegstreppe durch, doch die wird um 15 Uhr aus dem Wasser gezogen. Die Sprecherin der Sendlinger Seniorenvertretung, Edith Dendl, fordert, die Treppe nicht vor 17 Uhr herauszuholen - und zwar täglich, auch am Wochenende, an Feiertagen und in den Schulferien. "Wir, die Seniorenvertreter und der BA, fordern im Interesse der älteren Nutzer eine bessere Nutzungszeit", begründete sie ihren Antrag, den die Bürgerversammlung wie auch in den Jahren zuvor unterstützte. "Es besteht keine Notwendigkeit, das teure Stück Treppe unbenutzt in der Restzeit außerhalb des Beckens zu deponieren."

Ein Hickhack der Stadtviertelpolitiker mit den städtischen Behörden lief ebenfalls nach einem stets gleichen Muster: Die Referate hielten dagegen, nachdem sie sich bei der Bäderleitung erkundigt hatten. Die Treppe versperre eine Bahn zum Schwimmen, auch die vielen nicht in der Mobilität eingeschränkten Schwimmer benötigten Platz. Im Frühjahr schaltete sich der Bürgermeister ein, - in diesem Fall Josef Schmid (CSU) in Vertretung für Dieter Reiter (SPD) - ebenfalls mit einem Nein zur Treppe. SPD-Chef Ernst Dill, ein Jurist, beantragte daraufhin mit den Stimmen von SPD und Grünen eine bauaufsichtsrechtliche Überprüfung des Südbades.

Die Lokalbaukommission bestätigte in ihrer Antwort, dass die Einstiegstreppe, die nicht nur mobil, sondern auch nur temporär eingesetzt wird, den rechtlichen Anforderungen nicht genügt. Sie forderte sofort die Stadtwerke zum Einbau auf: "Wir möchten Sie an den Genehmigungsbescheid erinnern und um die plangemäße Ausführung bitten." Gerade in öffentlichen Einrichtungen solle auf barrierefreies Bauen geachtet werden, damit sie auch von allen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt seien, eigenständig genutzt werden können - nicht nur behinderte Menschen betreffe das, sondern auch Senioren und Müttern mit Kleinkindern, so die Begründung der Kontrollbehörde.

Bei den Stadtwerken hieß es, die mobile Treppe werde als "ausgewogener Kompromiss" betrachtet, um auch den Senioren entgegenzukommen. In ihrem Antwortschreiben an die Lokalbaukommission führt die Leiterin der Münchner Bäder Christine Kugler, aus, dass es seit Einführung der mobilen Einstiegstreppe so gut wie keine Kritik mehr gegeben habe. Eine der sechs Beckenleitern sei mit einem größeren Winkel angelegt, es gebe auch einen Beckenlifter, der einen barrierefreien Zugang ins Schwimmerbecken ermögliche. Würden die Treppenzeiten ausgeweitet, müssten das Kursprogramm und das Vereinstraining gestrichen oder der Schwimmbetrieb eingeschränkt werden. In jedem Fall würde das dazu führen, dass weniger Gäste das Bad besuchten. Die Auslastung des Südbads sei seit dem Umbau um beinahe 70 Prozent gestiegen. Vor allem Familien mit Kindern besuchten das Bad, auch nehme die Zahl sportlicher Schwimmer zu. Menschen mit Einschränkungen könnten auch andere Münchner Hallenbäder benutzen, so Christine Kugler.

SPD-Fraktionssprecher Ernst Dill betont, es sei rechtswidrig gewesen, die Treppe nicht einzubauen. Niemand dürfe von einer städtischen Bade- und Sporteinrichtung ausgeschlossen werden. Die Bestätigung dieser Rechtsauffassung durch die Lokalbaukommission sei eine schallende Ohrfeige für Bäderchefin Christine Kugler. Sie habe bösgläubig - schließlich sei ihr klar gewesen, dass die Treppe entgegen der Baugenehmigung vorsätzlich nicht gebaut wurde - einen Konflikt zwischen Sendling und dem Rathaus ausgelöst und ihn ständig eskaliert. Letztendlich laufe alles auf die Frage hinaus, ob das Südbad nun ein Familien- oder ein Sportbad sei. "Für uns ist es ein Familienbad. Für Frau Kugler ein Sportbad."

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