Seehofer bei Startbahngegnern:"Eure Argumente sind stark"

Bürgerprotest gegen Startbahnbau in München

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und Startbahn-Gegner beim Meinungsaustausch.

(Foto: dpa)
  • Horst Seehofer hat Startbahngegner in Attaching besucht und sich deren Argumente gegen den Bau einer dritten Piste am Flughafen angehört.
  • Bei den Betroffenen weckte der Ministerpräsident Hoffnungen, dass er sich gegen den Bau der Startbahn aussprechen wird.
  • Eine Entscheidung will er allerdings erst in einigen Wochen verkünden.

Von Marco Völklein, Attaching

Natürlich sind die Kinder an die Protestschilder gewöhnt in Attaching. "Koa Dritte" ist an den Häusern zu lesen. Oder: "Wir lassen uns die Heimat nicht zerstören." Doch dieses Schild an der Bushaltestelle am Sportplatz haben die Attachinger extra aufgehängt für diesen Tag: "Herr Ministerpräsident", ist da zu lesen, "entscheiden Sie sich gegen die dritte Startbahn."

Die Kinder, die um kurz nach 12 Uhr aus dem Schulbus steigen, sehen das Schild, bleiben stehen, schauen kurz. "Bloß keine dritte Startbahn", sagt ein Mädchen zu ihren Freunden. "Und warum?", fragt ein kleiner Bub, der ebenfalls aus dem Bus gestiegen ist. "Weil wir dann umziehen müssen."

Der Ministerpräsident hat sich angesagt zum Besuch in Attaching. In dem Dorf, das zur Hälfte weichen müsste, wenn die geplante dritte Start- und Landebahn am Münchner Flughafen gebaut wird. Das Dorf, in dem man aber auch in der anderen Hälfte, die stehen bleiben würde, nicht mehr leben könnte. Das sagen die Attachinger.

Weil die Kinder nicht mehr raus könnten an die frische Luft. Weil der Sportplatz nicht mehr benutzbar wäre. Weil Jets über sie hinwegdonnern würden, sodass an einen ruhigen Schlaf nicht mehr zu denken wäre. Das alles wollen sie ihm zeigen, dem Ministerpräsidenten. Hier in Attaching.

Applaus bei Seehofers Ankunft

Gut 2000 Ausbaugegner sind gekommen vor das Sportlerheim. Als Horst Seehofer (CSU) vorfährt, applaudieren sie, die Blaskapelle spielt, einige stimmen die Bayernhymne an. Der Freisinger Landrat Josef Hauner (CSU) dankt dem Regierungschef, dass er sich "so viel Zeit nimmt" für die Argumente der Gegner. Redner sprechen den Flächenverbrauch an, den der Ausbau verursachen würde. Die Schadstoffbelastung für Freising, weil die "Pufferzone" wegfallen würde.

Der Freisinger OB Tobias Eschenbacher (Freisinger Mitte) redet Seehofer ins Gewissen: Einen solchen Empfang mit Applaus und Blasmusik, "so einen Empfang würden wir Ihnen auch in Zukunft gerne bereiten". Voraussetzung aber, das schwingt bei Eschenbacher mit, ist eine Absage Seehofers an die Startbahn.

Und Seehofer weiß, was die Menschen hören wollen. "Eure Argumente sind stark", ruft er den Ausbaugegnern zu. Er führe den Startbahn-Dialog "objektiv und ergebnisoffen". Und er verspricht, nicht auf die Einflüsterer aus der Wirtschaft zu hören, die seit Wochen betonen, wie wichtig der Ausbau sei für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Bayern. "Für mich zählt das Argument", ruft Seehofer den Gegnern zu, "und nicht die Stärke der Lobbyisten."

Seehofer weckt Hoffnungen bei den Startbahngegnern

Unter den Zuhörern steht Christian Magerl, Landtagsabgeordneter der Grünen und einer der größten Ausbaukritiker. Er traut seinen Ohren kaum. Seehofer wiederholt mehrmals das Hauptargument der Gegner, wonach derzeit die Zahl der Starts und Landungen nicht ausreiche, um die dritte Piste zu begründen - wenngleich die Befürworter stets betonen, das Projekt sei für den Bedarf in 20 oder 30 Jahren ausgelegt.

"Im Augenblick kann man feststellen", ruft Seehofer, "dass sich aus der Zahl der aktuellen Flugbewegungen eine Notwendigkeit für die dritte Start- und Landebahn nicht ergibt". Applaus brandet auf. Seehofer sagt: Flughafen und Lufthansa müssten "zusätzliche Argumente liefern, und nicht nur Behauptungen". Die Zuhörer jubeln. Und Magerl raunt einem Nebenmann zu: "Er weckt Hoffnungen."

Drei bis vier Wochen, sagt Seehofer, solle man ihm noch Zeit geben. Es stünden weitere Treffen an. Unter anderem haben Mitarbeiter und Führungskräfte des Flughafens per Brief ebenfalls um ein Gespräch gebeten. Man wolle die Betroffenheit der 32 000 Beschäftigten am Airport deutlich machen, "und die Betroffenheiten der Familien", sagt ein Flughafensprecher. In Attaching verspricht Seehofer, er werde eine "Güterabwägung der Argumente" vornehmen. Und eine Entscheidung fällen. Noch in diesem Jahr.

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