"Seehof" auf der Oiden Wiesn:Der Musikantenwirt

Vom Ammersee aufs Oktoberfest: Peter Reichert vom Herrschinger "Seehof" darf mit seiner Frau Gerda auf der "Oiden Wiesn" in diesem Jahr das Theaterzelt bespielen.

Astrid Becker

Wenn in Herrsching die rote Sonne über dem Westufer des Ammersees versinkt, schnappt sich Peter Reichert gern seine Trompete. Dann stellt er sich auf den Steg direkt am Biergarten seines Hotels "Seehof" und spielt die "Capri-Fischer". Weil früher alles besser war, hier am See. So sagen zumindest die Leute vom Stammtisch. Für Reichert ist der Griff zur Trompete jedoch keineswegs eine reine Beschwörungsformel zur Wiederbelebung der guten alten Zeit.

Herrsching Ammersee reichert

Beim Herrschinger "Seehof" gibt's jeden Abend Capri-Fischer: Wirt Peter Reichert ist nämlich selbst Musiker und spielt die Fünfziger-Jahre-Schnulze zum Sonnenuntergang auf dem Dampfersteg. Gemeinsam mit seiner Frau Gerda betreibt er heuer das Theaterzelt auf der "Oiden Wiesn".

(Foto: Georgine Treybal)

Nein, "Capri-Fischer", das ist eine Hommage. Und vielleicht sogar noch ein bisschen mehr. Eignet sich der alte Rudi-Schuricke-Hit doch vortrefflich dafür, Ortsverbundenheit und damit auch Traditionalität zu demonstrieren. Beides fast so etwas wie Grundwerte für einen, der mit seiner Frau Gerda das Theaterzelt auf der "Oiden Wiesn" betreiben will.

Dabei ist das Zelt gar nicht alt, sondern neu. Im vergangenen Jahr, bei der historischen Wiesn zum 200. Geburtstag des Oktoberfestes, hatte der Münchner Beppi Bachmaier, der unter anderem das "Fraunhofer" und die dortige Bühne betreibt, den Zuschlag für dieses Zelt bekommen, dem er, in Erinnerung an Jörg Hube, den Namen "Herzkasperlzelt" gegeben hatte. Als der Stadtrat nun beschlossen hatte, das überaus erfolgreiche Jubiläumsfest als "Oide Wiesn" beizubehalten, gab es in München auch kaum einen Zweifel, wer die als "Theaterzelt" ausgeschriebene Bühne betreiben wird. Doch dann die Überraschung: Nicht der Münchner Bachmaier, sondern das Herrschinger Paar Reichert wurde für diese Aufgabe auserwählt.

Und an dieser Stelle muss Reichert erst einmal etwas klarstellen: "Das Zelt mach' ich nicht mit Sissi Taubert, sondern mit meiner Frau." Das sei immer falsch dargestellt worden, Taubert zeichne nur für das Programm in seinem "Theaterzelt" verantwortlich. Aber vielleicht, so sagt er selbst, liege das daran, dass er in München noch nicht so bekannt sei: "Aber unter Musikanten - da kennt uns jeder." Es ist ein sonniger Tag hier am See. Und Reichert selbst beschwört in seinen Erzählungen immer wieder die gute, alte Zeit herauf. Damals, als sich ebenjener Rudi Schuricke, der einstige Schlagerstar der fünfziger Jahre, ein Hotel in Herrsching gekauft hatte und jeden Tag direkt am Seespitz in der Bucht seinen größten Hit "Capri-Fischer" schmetterte. Zu dieser Zeit war Herrsching ein beliebter Ausflugsort der Münchner und Schuricke eine echte Institution.

Wer Reichert davon erzählen hört, der kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Schuricke für den 1967 geborenen Wirt eine Art Vorbild ist, an dessen Hoch-Zeiten er nur allzu gern anknüpfen will. So versteht sich Reichert in seinem Herrschinger Hotel wohl auch mehr als Entertainer denn als Geschäftsmann. Eine "Seehof-Musi " hat er gegründet, eine CD mit ihr aufgenommen, und auch auf YouTube sind die Musikanten bereits zu sehen. Reicherts Gerda hingegen hat mit Musik nicht viel zu tun, dafür umso mehr mit der Gastronomie. Sie ist eine geborene Sperger und entstammt als solche quasi direkt der Wirtefamilie vom Münchner Hofbräuhaus.

Doch auch ihrem Mann Peter wird die Gastronomie im Grunde in die Wiege gelegt. Der Vater war Koch, die Mutter hatte die Hotelfachschule besucht, der Großvater war Metzger und die Großmutter Konditorin: "Die Oma, die kenne ich nur in weißer Wickelschürze, die sind ja damals nur so herumgelaufen." Ja, sagt seine Frau, "die hatten nur Strümpfe drunter, aber nie einen Rock oder eine Hose schon gar nicht. Das wär ja auch viel zu warm gewesen". Beide wachsen mit drei Geschwistern auf: sie mit zwei Brüdern und einer Schwester, er mit einem Bruder und zwei Schwestern. Sie mitten in der Stadt, in einer Wirtewohnung unter dem Dach des Hofbräuhauses. Er auf dem Land, in Ebersberg und Umgebung.

Sein Vater betreibt dort den "Ebersberger Hof". Peter Reichert und seine Frau, beide heute 44 Jahre alt, gehen in München zur Schule und besuchen Parallelklassen. Dort lernen sie sich auch kennen: "Ich dachte mir, was ist denn das für einer! Der spielte immer Trompete auf dem Schulhof." So prickelnd habe sie das nicht gefunden, erzählt sie - etwas, das ihren Mann noch heute leicht entrüstet: "Also, hör mal, das ist doch besser als zu raufen!" Widersprechen kann sie da nicht. Sie kennt ihren Mann, weiß ohnehin längst, dass sie ihn mit der Musik teilen muss. Schon als kleiner Bub hatte er sich für die alten Platten zu Hause begeistert, für Jazz, Swing, aber auch Volksmusik: "Wir hatten so viele Schellacks", erzählt er. Am meisten faszinierten ihn damals Stücke mit Trompete, deren Vielseitigkeit ihn begeistert.

Er will dieses Instrument unbedingt lernen, doch seine Mutter schickt ihn erstmal in den Spielmannszug zum Fanfarenblasen. Das habe sich dann aber doch als "sehr lustig" herausgestellt, obwohl er nur Märsche spielen muss: "Aber unsere Fahrten waren interessant - wir fuhren sogar mit dem Zug nach Spanien und Frankreich." Unmengen an Langusten seien ihnen dort serviert worden, erinnert er sich: "Die anderen haben das zu der Zeit als Bayern nicht gegessen, das war super, da blieb mir mehr."

Auch seine Frau Gerda liebt ferne Länder. Nach Schule und Ausbildung in Hotellerie und Gastronomie ist sie viel unterwegs, koppelt ihre Auslandsaufenthalte immer mit diversen Jobs: "Meine Schwester und ich konnten uns in unserem Metier ja immer etwas dazuverdienen." Zum Beispiel in einem Hofbräuhaus in Japan, wo beide hospitierten. Eine wichtige Reise im Leben von Gerda Sperger, die nach ihrer Rückkehr ihrem früheren Mitschüler und künftigem Mann noch einmal auf einem Volksfest begegnen soll. Sie verabreden sich für den nächsten Tag zum Baden - und schon bald funkt es zwischen den beiden. Gerda Sperger arbeitet zu dieser Zeit im elterlichen Betrieb, im Hofbräuhaus.

Als sie schwanger wird, springt Lebensgefährte Peter Reichert dort für sie ein. Zwei Jahre später, 1996, übernehmen die beiden den "Seehof" in Herrsching und heiraten "Wir wollten uns einfach etwas eigenes aufbauen", sagen sie. Anfänglich haben sie es nicht so leicht in Herrsching. Sie wollen um- und ausbauen, was im Ort zu vielen Diskussionen führt. Heute sind diese Schwierigkeiten mit Genehmigungen, Gemeinderat und Bevölkerung Vergangenheit. Sie haben alteingesessene Bürger als Gäste, die sich im "Seehof" am Stammtisch treffen, ebenso wie die vielen Fremden, die sich in den Sommermonaten vor oder nach einer Dampferfahrt dort niederlassen. Vor einem Jahr pachtete das Paar noch das "Starnbräu" in Bad Tölz dazu - und nun kehren sie, die ehemaligen Münchner, wieder in die Stadt zurück, zumindest für etwas mehr als zwei Wochen im Jahr, mit ihrem Theaterzelt auf die "Oide Wiesn". Eines ist dabei sonnenklar: die Trompete kommt mit. Und vielleicht werden dann die Münchner Peter Reichert erleben, wenn er den Rudi Schuricke gibt.

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