Schwurgericht München:Tödliche Hassliebe

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Am Ende war es ein Streit ums Haare waschen: Ein 59-Jähriger ertränkt seine pflegebedürftige Mutter. Vor Gericht offenbart er, wie schwierig die Beziehung war.

Von Christian Rost, München

Seine demente Mutter wollte sich nicht die Haare waschen lassen und nannte ihn einen "Taugenichts" - da hat Rudolf K. sie in der Badewanne umgedreht und so lange unter Wasser gedrückt, bis sie kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Dann bahrte er die 85-Jährige im Wohnzimmer auf und versuchte, sich selbst das Leben zu nehmen. Seit Montag muss sich der 59-jährige Sohn wegen Mordes am Münchner Schwurgericht verantworten. Er gestand die Tat mit den Worten: "Ich konnte es nicht mehr ertragen."

Der Angeklagte wirkt mit seinen angegrauten Haaren und Brille seriös, in Anzug und Krawatte erschien er am ersten Verhandlungstag im Gerichtssaal. Bis zu seiner Festnahme am 30. Oktober 2013 lebte er nahe Landshut mit seiner Frau in einem Einfamilienhaus, das er in den 1970er-Jahren von seinem Vater geerbt hatte. Drei erwachsene Kinder hat das Paar. Doch trotz seines stabilen Umfelds kam Rudolf K. mit dem Leben nur schwer zurecht: Bereits in jüngeren Jahren begnügte er sich mit anspruchslosen Jobs, obwohl er ausgebildeter Elektrotechniker ist. 15 Jahre lang arbeitete am Flughafen München als Lagerist. Beförderungen lehnte er stets ab: "Ich hab's mir nicht zugetraut", sagte K.

Zuletzt kümmerte er sich nur noch um seine Obstbäume

Zuletzt arbeitete er überhaupt nicht mehr, kümmerte sich nur noch um seine geliebten Obstbäume im Garten - und um seine Mutter in München. Seine Frau musste allein für das Familieneinkommen sorgen, was ihr aber zu viel wurde. Am Tag vor dem gewaltsamen Tod von K.s Mutter soll sie zu ihm gesagt haben: "Ich habe keinen Bock mehr auf das alles." Der Angeklagte fasste die Aussage seiner Frau als Trennungsabsicht auf.

Dabei war er schon am Boden: "Depressionen und Ängste" hätten ihm seit dem Tod seines Vaters zunehmend zu schaffen gemacht, berichtete der Mann. Seine psychische Verfassung hängt möglicherweise mit einer Störung der Schilddrüsenfunktion zusammen. Seine Verteidigerin Birgit Schwerdt will das prüfen lassen. Seine depressive Stimmung wurde während seiner Aussage vor Gericht deutlich: Sobald er auf den Tod eines Verwandten zu sprechen kam oder von seinen Erkrankungen - Bluter, Arthritis - berichtete, brach er in Tränen aus. Der psychiatrische Sachverständige Henning Saß, der sich auch zur Schuldfähigkeit des Angeklagten äußern wird, beobachtete ihn genau.

An Depressionen und an leichter Demenz soll auch K.s Mutter gelitten haben, die in Englschalking lebte. Zu ihr fuhr Rudolf K. noch regelmäßig und pflegte sie. Am Vormittag des 29. Oktober 2013 kam es zum Streit mit der 85-Jährigen, die im ersten Stock im Badezimmer in der Wanne lag und sich nicht von ihrem Sohn die Haare waschen lassen wollte. Staatsanwältin Nicole Selzam sagte, dass der Angeklagte daraufhin "in krasser Eigensucht seine eigenen Bedürfnisse vor das Lebensrecht der Mutter setzte" und "endlich seine Ruhe" haben wollte. Er habe ihr Gesicht unter Wasser gedrückt und mit der Faust auf ihren Kopf eingeschlagen. Die Mutter ertrank. Die Schläge stritt K. ab. Dass er seine Mutter ins Wasser gedrückt hatte, räumte er ein. Er habe sie vorher umgedreht, um nicht ihr Gesicht sehen zu müssen.

Am Ende muss es Hassliebe gewesen sein

Rudolf K. war Einzelkind, seine Eltern habe er "sehr geliebt". Nach dem Tod des Vaters habe sich allerdings sein Verhältnis zur Mutter verschlechtert, die im fortgeschrittenen Alter jegliche Hilfe, die man ihr angeboten habe, "torpediert" habe. Sie habe verdorbene Lebensmittel wieder aus dem Abfalleimer geholt und auf ihren verstorbenen Ehemann geschimpft: "Die Sau, die", habe sie gesagt. "Und ihr ging es nur noch ums Geld", so der Sohn.

Dabei hatte er zweifellos von seiner nicht unvermögenden Mutter profitiert. Sie überschrieb ihm eine Eigentumswohnung in München, die Mieteinnahmen halfen Rudolf K. während seiner Arbeitslosigkeit über die Runden. Eine regelrechte Hassliebe muss ihn zuletzt mit der Mutter verbunden haben. Einerseits bedauerte er sie, weil er ihr im Säuglingsalter als Schreibaby das Leben schwer gemacht habe. Dann sprach K. wieder voller Abscheu von ihr, weil sie ihm "immer zugesetzt" habe. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 30.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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