Schwimmunterricht:Nur jedes zweite Kind in München kann schwimmen

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  • Von den fünf- bis elfjährigen Kindern in München kann nur jedes zweite schwimmen.
  • Das hat eine Befragung der Stadt von 1000 Eltern ergeben.
  • Die Befragung legt auch soziale Ungleichheiten offen: Je mehr die Eltern verdienen, desto besser können die Kinder schwimmen.

Von Melanie Staudinger, München

Vom Beckenrand springen, einen Gegenstand aus schultertiefem Wasser heraus tauchen und 25 Meter ohne Hilfe schwimmen: Die Anforderungen für das Schwimmabzeichen Seepferdchen scheinen nicht allzu hoch zu sein. Und dennoch kann nur die Hälfte aller fünf- bis elfjährigen Kinder in München nach dieser Definition schwimmen.

Das hat nun eine Befragung der Stadt von 1000 Eltern ergeben. Besonders auffällig: Mütter und Väter überschätzen die Schwimmfähigkeit ihrer Söhne und Töchter meist stark, was zu gefährlichen Situationen führen kann. Bei den Dritt- und Viertklässlern zum Beispiel meinen fast alle der befragten Eltern (genau: 95 Prozent), dass ihre Kinder sich sicher im Wasser bewegen. Tatsächlich können das aber nur zwei Drittel.

Diese Zahlen beunruhigen das Bildungsreferat, es hat ein "Fünf-Säulen-Konzept" erarbeitet, um der Entwicklung zu begegnen: Kernpunkt ist, dass Kinder eher mit dem Schwimmunterricht beginnen sollen. Zudem will die Stadt bedürftige Familien und Schulen stärker unterstützen, das Bewusstsein bei Eltern schärfen und Menschen mit Migrationshintergrund sowie Behinderung stärker fördern. Der Bildungsausschuss des Stadtrats billigte die Pläne am Mittwoch.

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Die Nachfrage nach Schwimmkursen übersteigt das Angebot bei weitem. Die Stadt will das ändern - aber es mangelt schlicht an Becken.

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Experten sind schon länger alarmiert: Deutschlandweit können nur mehr etwa die Hälfte aller Schüler am Ende ihrer Grundschulzeit schwimmen. In den Achtzigerjahren gelang dies noch mehr als 90 Prozent. Das Thema wird auch in München intensiv diskutiert, bislang aber lagen keine Zahlen aus dem Stadtgebiet vor. Solche hat Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD) nun erstmals vorgelegt. 1000 Eltern hat ihr Haus befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kinder in der Stadt, in der es 32 Schulschwimmbäder gibt, zwar besser abschneiden als im bundesweiten Schnitt, dennoch aber enormer Handlungsbedarf besteht.

So kann ein Drittel aller Viertklässler nicht ausreichend gut schwimmen. Vor allem Mädchen und Jungen aus muslimischen Elternhäusern - von ihnen erfüllt nur gut die Hälfte die Kriterien des Seepferdchen-Abzeichens. Möglicherweise, so vermuten die Verantwortlichen im Bildungsreferat, ist der Schulschwimmunterricht, der in der dritten und vierten Klasse angeboten wird, zu kurz, um allen Kindern die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln.

Deshalb müssten die Kurse früher beginnen. Kindergartenkinder sowie Erst- und Zweitklässler sollen künftig mehr schwimmen. Außerdem sollen für Neun- und Zehnjährige künftig ergänzende Einheiten zum Unterricht in der Schule angeboten werden. Das Ziel: 90 Prozent aller Viertklässler sollen das Seepferdchen-Niveau erreichen.

Denn die Stadt sieht vor allem das Angebot an den Schulen kritisch. Aus der Elternbefragung lasse sich ableiten, dass in den unteren Jahrgangsstufen nur selten Schwimmunterricht stattfindet. 79 Prozent der Eltern von Erst- und Zweitklässlern gaben an, dass es keine Schwimmstunden gibt. In den Klassen drei und vier sagten das nur mehr 17 Prozent. Allerdings monierten die Eltern hier, dass der Gang ins Hallenbad oft ausfalle. Das Bildungsreferat will nun mit dem staatlichen Schulamt kooperieren, um vor allem bei den Lehrern das Bewusstsein für den Schwimmunterricht zu schaffen.

Je mehr die Eltern verdienen, desto besser können die Kinder schwimmen

"Es wäre schön, wenn das Schwimmen in der Schule einen höheren Stellenwert hätte", sagt Stadtschulrätin Zurek. Das sei an sich zwar eine Aufgabe des Freistaats, die Stadt wolle aber unterstützend eingreifen. Zugleich sollen die Eltern sensibilisiert werden. Denn deren Vorbildfunktion spielt eine entscheidende Rolle: Können sie nicht schwimmen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch die Kinder es nicht lernen (81 Prozent).

Die Befragung legt auch soziale Ungleichheiten offen. Je mehr die Eltern verdienen, desto besser können die Kinder schwimmen. Liegen die monatlichen Netto-Einnahmen eines Haushalts bei weniger als 2600 Euro, können nur 33 Prozent der Fünf- bis Elfjährigen schwimmen. In Familien, die 4000 Euro und mehr verdienen, sind es 68 Prozent. Schwimmkurse sind also eine finanzielle Frage, in benachteiligten Familien ist dafür oft kein Geld vorhanden.

Mit ihrer Schwimmoffensive will die Stadt diese Familien nun unterstützen, für sie soll es kostenlose Plätze in Schwimmkursen geben. "Die soziale Herkunft darf nicht darüber entscheiden, ob ein Kind schwimmen kann oder nicht", sagt die sportpolitische Sprecherin der CSU-Fraktion, Kristina Frank. Die SPD-Fraktion will gezielt um die Familien werben, bei denen Schwimmen nicht die höchste Priorität hat. "Es ist wichtig, dass jedes Kind schwimmen lernt", sagt SPD-Stadträtin Verena Dietl.

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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