Schweinegrippe-Impfung:"Derzeit suchen wir Probanden"

Die LMU ist federführend im Entwickeln eines Impfstoffes gegen die Schweinegrippe. Ein Gespräch mit Mediziner Frank von Sonnenburg.

Martin Thurau

Die Zeit drängt gewaltig: Die neue H1N1-Grippe, vulgo Schweinegrippe, geht um den Globus, doch noch ist kein Impfstoff verfügbar. Das Klinikum der Universität München (LMU) ist an den Tests der Vakzine-Kandidaten federführend beteiligt. Wie die Untersuchungen unter Hochdruck ablaufen sollen, schildert der bundesweite Koordinator der Studie, Frank von Sonnenburg, stellvertretender Leiter der Infektions- und Tropenmedizin an der LMU.

Schweinegrippe-Impfung: Der Impfstoff gegen Schweinegrippe ist noch nicht zugelassen. Eine Studie mit über 1000 Probanden soll das ändern. Federführend beteiligt daran ist die Münchner Universität.

Der Impfstoff gegen Schweinegrippe ist noch nicht zugelassen. Eine Studie mit über 1000 Probanden soll das ändern. Federführend beteiligt daran ist die Münchner Universität.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Wie laufen die Tests ab?

Frank von Sonnenburg: Derzeit suchen wir noch Probanden. Wenn dann die Studie voraussichtlich Mitte August beginnt, werden die Teilnehmer zweimal, im Abstand von drei Wochen, geimpft, eine dritte Dosis bekommen sie nach Jahresfrist. Insgesamt also dauert die Studie bis zu eineinhalb Jahren, aber schon die ersten beiden Impfungen und die Telefoninterviews, mit denen wir das Befinden abfragen, geben uns erste Daten, die möglicherweise zur Zulassung eines Impfstoffs führen.

SZ: Wie viele Probanden sollen bundesweit teilnehmen, wie viele davon in München?

Sonnenburg: In Deutschland sind es 1200 Teilnehmer, abgesehen davon testen auch andere europäische Länder die Vakzine. In München wollen wir aus den Interessenten, die sich bei uns melden, 300 bis 400 Erwachsene auswählen und in die Studien einschließen. Von Mainz aus werden außerdem die Tests an Kindern und Jugendlichen koordiniert. Die Impfstoffe kommen direkt aus den Produktionsstätten der Industrie. Die Besonderheit ist diesmal, dass die Testphase extrem komprimiert und straff organisiert ablaufen muss, damit die Zulassungsbehörden möglichst schnell zu verwertbaren Daten kommen.

SZ: Was wird denn alles untersucht?

Sonnenburg: Zunächst schauen wir darauf, wie verträglich die Impfung ist. Da erwarten wir keine großen Überraschungen, weil die Vakzine - abgesehen davon, dass es um einen neuen Erreger geht - in großen Teilen einem normalen Grippeimpfstoff weitgehend entspricht. Wir registrieren mögliche lokale Reaktionen wie Hautrötungen oder systemische wie leichtes Fieber oder Kopfweh. Zum anderen testen wir, ob die Reaktion des Immunsystems wie erwartet ausfällt, der Körper also die spezifischen Antikörper bildet, die nötig sind, um gegen die H1N1-Grippe, die sogenannte Schweinegrippe, zu schützen.

SZ: Wie groß ist denn die Chance, dass der Impfstoff auch gut wirkt, wenn man die derzeitige Entwicklung der Krankheit rund um den Globus betrachtet? Es ist ja schon bei der alljährlichen Grippeimpfung immer ein Vabanquespiel, ob die Hersteller die richtige Mischung ansetzen.

Sonnenburg: Sie ist ziemlich hoch, schließlich sind wir durch die Erfahrungen mit der aviären Influenza, der sogenannten Vogelgrippe, tatsächlich ein Stück weiter. Mittlerweile hat man eine gute Vorstellung davon, welche Bestandteile der Impfstoff für die aktive Immunisierung enthalten muss, um einen guten und breiten Schutz zu gewährleisten.

SZ: Wie geht es weiter, wenn die ersten Daten vorliegen?

Sonnenburg: Schon die ersten Ergebnisse könnten zu einer Zulassung des Impfstoffs führen. Diese Daten haben wir bereits nach gut 40 Tagen.

SZ: Also voraussichtlich Ende September. Dann könnte im positiven Fall die Impfung im großen Stil erfolgen?

Sonnenburg: Was die zeitliche Stufung angeht, muss man unterscheiden: Es gibt auch die sogenannte Mock-up-Zulassung, die in der Vorbereitung auf die Vogelgrippe eine wesentliche Rolle gespielt hat. Für den Fall der Pandemie waren damals Impfstoffe entwickelt worden, die schon vorab - sozusagen für die Grundsubstanz - zugelassen waren. Die spezifischen Erreger-Anteile hätten dann noch ausgetauscht werden können, weitere Tests wären parallel gelaufen. Nach einigem Hin und Her hat sich die europäische Zulassungsbehörde dazu entschlossen, dieses Verfahren auch auf die H1N1-Grippe anzuwenden. Solche Vakzine könnte auch schon vor unseren ersten Ergebnissen zur Verfügung stehen. Wir testen einen solchen Cocktail als Vergleich ebenfalls mit.

SZ: Diese Vakzine sind sozusagen als erste Stufe gedacht?

Sonnenburg: Ja, die neuzugelassenen kämen für die Massenimpfung dann etwas später auf den Markt. Das ist auch notwendig, denn, wie in Deutschland geplant, ein Drittel der Bevölkerung zu immunisieren, kann nur zeitlich gestuft erfolgen - schon der Verfügbarkeit der Impfstoffe wegen. Bislang wurden die Viren bei der Herstellung auf speziell dafür vorbereiteten Hühnerei-Varianten gezüchtet, die sind nicht jederzeit in jeder Menge verfügbar. Unter den neuzugelassenen Impfstoffen werden wohl auch solche sein, bei denen die Virensaat in Zellkulturen erfolgt. Da ist es leichter, Nachschub zu produzieren.

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