Schwanthalerhöhe:Die Mutmacher

Seit zehn Jahren leisten Ehrenamtliche im Selbsthilfezentrum an der Westendstraße wertvolle Arbeit. Sie unterstützen Betroffene, die etwa an seltenen Krankheiten leiden, und wurden nun von der Stadt ausgezeichnet

Von Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe

Das bürgerschaftliche Engagement rund um die Landeshauptstadt ist gewaltig. Mehr als 1300 Selbsthilfegruppen gibt es derzeit in München und Umgebung. Mehr als 200 davon treffen sich regelmäßig im Selbsthilfezentrum (SHZ) München im früheren Tröpferlbad an der Westendstraße und lassen sich dort fachlich in ihrer Arbeit unterstützen.

Es sind die unterschiedlichsten Teams, die sich im Haus hinter der St. Benedikt-Kirche täglich von morgens bis abends die Klinke in die Hand geben. Das fängt bei der Anonymen Messiegruppe an, geht über Menschen mit Gesichtslähmung, der Diabetes-Selbsthilfe, dem "Amazonen-Frauensportverein" bis hin zum "Treff für Eltern mit frühgeborenen Kindern".

Seit gut 30 Jahren gibt es die Einrichtung samt kommunaler Förderung. Seit zehn Jahren logiert man nun im Westend. Die Dekade am neuen Standort hat die Großfamilie jetzt innerhalb eines Neujahrsempfangs gefeiert und dabei zugleich einzelne Aktive mit der Urkunde "München dankt" geehrt.

"Das Ganze ist eine Auszeichnung der Stadt München für bürgerschaftliches Engagement, die alle zwölf Monate verliehen wird", klärt Geschäftsführer Klaus Grothe-Bortlik im Gespräch auf. "Wir werden zu zwei Dritteln durch Zuschüsse der Stadt gefördert. Das andere Drittel kommt von den gesetzlichen Krankenkassen." München, lobt der Chef-Unterstützer, sei eine der wenigen Kommunen, die Selbsthilfegruppen in der Form mittrage. Sie sollen sich auf demokratischer Basis ihre eigene Struktur und ihre eigenen Ziele geben. "Unsere Aufgabe als Zentrum ist es, in dem Zusammenhang den Gruppen, die sich selbst bestimmen und organisieren, ausschließlich Begleitung zu geben." Dazu zähle auch, Platz für gemeinsame Treffen zur Verfügung zu stellen.

Leute, die im Selbsthilfezentrum München, Westendstraße 68, mit der Urkunde âÄžMünchen danktâÄœ ausgezeichnet wurden.

Ausgezeichnet für langjähriges Engagement: Jonas Fischer (links) und Christian Schabel-Blessing.

(Foto: Florian Peljak)

An der Westendstraße sind es sechs Gruppen- und zwei Veranstaltungsräume sowie ein Gruppenbüro, das sowohl für die Beratungs- als auch für die Büroarbeit genutzt wird. Klaus Grothe-Bortlik listet auf: "Wir bieten Fortbildungen an, machen die Öffentlichkeitsarbeit und können für die einzelnen Gruppen Fördergelder in Anspruch nehmen." Man biete eine Organisationsplattform und sei kein Verein oder Verband. Der Selbsthilfebeirat der Stadt begutachtet die Maßnahmen ebenso wie ein runder Tisch der Krankenkassen.

Seit das Selbsthilfezentrum ins Westend gezogen ist, kooperiere man auch eng mit den Einrichtungen in direkter Nachbarschaft wie Multikulturelles Jugendzentrum, Bildungslokal, Väterbüro oder Ledigenheim. "Wir unterstützen uns gegenseitig", sagt Sozialpädagoge Grothe-Bortlik. Grundsätzlich ist sein Haus aber für die gesamte Stadt zuständig.

An den Gruppen, die sich neu an das Selbsthilfezentrum wenden - jährlich sind es an die 20 - lasse sich gut ablesen, in welche Richtung sich die Gesellschaft bewege. Das SHZ als Seismograf. Grothe-Bortlik kommt auf das "große Thema" der Gegenwart zu sprechen. "Das sind die vielen Helferkreise, die im Bereich Flüchtlinge gebildet werden." Viele von ihnen suchten Anbindung und Unterstützung für die Selbstorganisation. Das SHZ an der Westendstraße liefere auch dazu die Infrastruktur.

Leute, die im Selbsthilfezentrum München, Westendstraße 68, mit der Urkunde âÄžMünchen danktâÄœ ausgezeichnet wurden.

Auch Elke Kilian wurde geehrt.

(Foto: Florian Peljak)

Die Stadt selbst zeichnet einige der Aktiven jedes Jahr für ihr Engagement aus, das ehrenamtlich ist und oftmals äußerst zeitaufwendig. Zu den Geehrten gehörten in diesem Jahr unter anderem folgende Menschen:

Jonas Fischer und Christian Schabel-Blessing

Der 45-jährige Fischer und der 41-jährige Schabel-Blessing engagieren sich seit Jahren intensiv für die Selbsthilfegruppe Trans-Mann München. Deren Hauptziele sind die Information, der Austausch sowie die Unterstützung von Menschen, die sich mit dem Begriff weiblich falsch oder unzureichend beschrieben fühlen. Beide investieren jährlich etwa 580 Stunden Zeit in ihren gemeinnützigen Dienst. Christian Schabel-Blessing leitet die Regionalgruppe München des bundesweit agierenden Vereins und ist für die Verwaltung, Projektentwicklung und das Projektmanagement verantwortlich. Außerdem berät er persönlich Betroffene, Angehörige, Arbeitgeber und soziale Einrichtungen zum Thema. Jonas Fischer führt die Gruppentreffen an, ist Mitglied des Vorstands und verantwortlich etwa für Infoveranstaltungen mit Therapeuten, Endokrinologen sowie Operateuren. Außerdem betreut er unter anderem das Notfalltelefon und macht Krankenhausbesuche. Die Stadtvertreter heben bei der Laudatio besonders das Einfühlungsvermögen der beiden Männer hervor. (www.transmann.de)

Elke Kilian

Die 49-Jährige engagiert sich seit mehr als drei Jahren intensiv für die Defibrillator-Selbsthilfegruppe, die sich zweimal im Monat im deutschen Herzzentrum München trifft. Hier kommen Patienten zusammen, die aufgrund unterschiedlicher Herzerkrankungen einen Defibrillator implantiert bekommen haben. Der ICD (Implantierbarer Cardioverter Defibrillator) überwacht ständig, ähnlich einem Herzschrittmacher, den Herzrhythmus und bietet bei Rhythmusstörungen verschiedene Möglichkeiten der Behandlung. Elke Kilian ist auch Ansprechpartnerin für Angehörige. Sie organisiert zudem Vorträge von Ärzten und unterstützt andere Engagierte bei Neugründungen weiterer Selbsthilfegruppen. Sie ist darüber hinaus Sprecherin des Landesverbandes Bayern "Defibrillator Deutschland". Die Stadt zeichnet sie etwa für ihre Kommunikations- wie Teamfähigkeit aus, außerdem für ihre Belastbarkeit und ihr Verantwortungsbewusstsein. (www.Defibrillator-deutschland.de)

Leute, die im Selbsthilfezentrum München, Westendstraße 68, mit der Urkunde âÄžMünchen danktâÄœ ausgezeichnet wurden.

Ebenfalls mit einer Auszeichung und Blumen bedacht: Angelika Konzok.

(Foto: Florian Peljak)

Angelika Konzok

Sie leitet die Selbsthilfegruppe Endometriose. Hinter dem Begriff verbirgt sich eine außerordentlich schmerzhafte, chronische Unterleibserkrankung bei Frauen im gebärfähigen Alter. Sie kann unter anderem zu Kinderlosigkeit, der Bildung von Zysten und Darmbeschwerden führen. Konzok engagiert sich seit 1994 in der Gruppe. Täglich investiert die 50-Jährige ein bis zwei Stunden ehrenamtliche Arbeit. Dazu zählt auch, anderen Patientinnen Mut zu machen und den selbstbewussten Umgang mit Ärzten und Therapeuten zu stärken, ebenso wie regelmäßige Treffen, Fachvorträge mit Ärzten, das Aufzeigen von Therapiemöglichkeiten des sehr individuellen Krankheitsverlaufs, Hilfe beim Lesen von Operations-Berichten, Infoveranstaltungen in Einrichtungen und die Betreuung der Homepage. Auch Angelika Konzok wird für ihr Verantwortungsbewusstsein und ihren Einsatz ausgezeichnet (www.endometriose-selbsthilfegruppe-muenchen.de).

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