Schwanthalerhöhe:"Da ging's nie krachert zu"

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Fritz Hoyer weiß es noch ganz genau: Wo heute noch Schnitzelhaus draufsteht, war ehedem die Gaststätte Gambrinus seiner Großeltern drin. (Foto: Florian Peljak)

Fritz Hoyer erinnert sich an seine Kindheit in der Gaststätte Gambrinus, die seine Großeltern geführt haben

Aufmerksam studiert Fritz Hoyer die Namen auf dem verkratzten Klingelschild des seit Jahren leer stehenden Hauses. "Lange war hier der einzige hiesige Name unter lauter ausländischen derjenige der ehemaligen Bedienung meiner Großeltern. Aber der fehlt inzwischen auch." Der 86-Jährige zuckt mit den Schultern. Sei eben nicht mehr viel übrig vom ehemaligen Gambrinus, dem Wirtshaus, das sein Großvater Hans Ortler und später die Großmutter Rosina und der Onkel von Mitte der Zwanzigerjahre bis etwa 1950 führten. Auf der Schwanthalerhöhe kennt man die Adresse an der Holzapfelstraße 10, Ecke Schwanthalerstraße, inzwischen besser unter dem Namen "Schnitzelhaus".

Da er wiederholt in der Zeitung von dem Gebäude gelesen hat, habe er sich wieder an seine eigene Zeit in diesem Haus erinnert, erzählt der ehemalige Vermessungskundler: "Im Gambrinus haben sich damals die Handwerker getroffen, der Metzger, von dem 's Fleisch bezogen worden ist, Meister, die einen eigenen Betrieb hatten. Da ging's nie krachert zu, ich erinnere mich nicht, je einen Betrunkenen gesehen zu haben." Hoyer denkt an die vielen Brauereien, die es im Viertel einst gab: "Wo der Karstadt war, waren ihre Keller. Überall hat es nach Malz gerochen." Ein Vergnügen sei es gewesen, wenn das Pferdefuhrwerk das Bier gebracht habe; mit einem Aufzug wurden die Fässer dann nach oben in die Wirtschaft der Großeltern gezogen. In der holzvertäfelten Wirtsstube mit ihren Sechsertischen durfte der Bub beim Kartenspielen zuschauen, aber kein Wort reden am Stammtisch. "Damals war auf der Schwanthalerhöhe an jeder Ecke eine Kneipe; im Gambrinus gab es auch Traueressen, und Hochzeiten wurden gefeiert; deshalb stand da wahrscheinlich auch ein Klavier." Als Fritz Hoyer sechs Jahre alt war, starb seine Mutter; danach war er häufiger in der Holzapfelstraße und hat ein paar Wochen in dem Gebäude gelebt, wo sich mehrere Parteien die Toiletten im Stiegenhaus teilten.

Ganz anders als in der Wirtschaft seiner Familie sei es damals gegenüber zugegangen, erinnert sich Fritz Hoyer - "da, wo jetzt Döner drauf steht", im sogenannten Dönerhaus: "Das war schon grattlig." Als Grattler galten diejenigen, "die am Abend schnell in d'Wirtschaft san und des Geld der Familie auf den Kopf ghaut, große Töne gspuckt, aber nix zambrocht ham". Als von Herbst 1943 an die Bombardierungen der Stadt zunahmen, sei er mitsamt seinem Damenstift-Gymnasium nach Garmisch-Partenkirchen verlegt worden: "Den Luftkrieg in München hab ich nicht miterlebt. Ich weiß aber, dass der Gambrinus nur ein paar Brandschäden erlitt und schnell wieder hergerichtet war."

© SZ vom 14.03.2017 / ands - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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