Schwabing:Versicherung verklagt Stadt München nach Sprengung von Fliegerbombe

Schwabing: Die Versicherung will 410 000 Euro von der Stadt München, weil diese für die öffentliche Sicherheit hafte.

Die Versicherung will 410 000 Euro von der Stadt München, weil diese für die öffentliche Sicherheit hafte.

(Foto: Berufsfeuerwehr)
  • Als vor vier Jahren eine Fliegerbombe in Schwabing gesprengt wurde, entstand ein Schaden von mehreren Millionen Euro.
  • Die Axa-Versicherung will von der Stadt nun rund 410 000 Euro einklagen, weil sie dem Kampfmittelräumdienst massive handwerkliche Fehler vorwirft.
  • Diesen Betrag hatte sie an drei Geschädigte ausgezahlt.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Die Folgen der Bombensprengung in Schwabing finden ein spätes gerichtliches Nachspiel. Vier Jahre nach dem Ereignis, bei dem ein Schaden von mehreren Millionen Euro entstanden war, will die Axa-Versicherung von der Stadt München rund 410 000 Euro einklagen. Diesen Betrag hatte die Assekuranz an drei Geschädigte ausgezahlt.

Die Axa wirft zwar vor allem dem Kampfmittelräumdienst Tauber massive handwerkliche Fehler vor - doch als Verantwortliche für die öffentliche Sicherheit in München müsse die Kommune für die daraus resultierende Kollateralschäden haften. Am Mittwoch wurde vor der Amtshaftungskammer am Landgericht München I verhandelt.

Mit lautem Knall stieg über Schwabings Dächern ein Feuerball auf, als am 28. August 2012 in der Feilitzschstraße eine Fliegerbombe gesprengt wurde. Der Kampfmittelräumdienst Tauber, der mit der Beseitigung der Bombe beauftragt war, hatte zur Dämmung der Detonation großflächig um die Bombe herum Strohballen aufgeschichtet.

Die fingen bei der Sprengung Feuer, brennendes Stroh flog auf Dächer und durch zerborstene Fensterscheiben. Schlimm hatte es auf diese Weise auch die Boutique "Bliss"getroffen, einen Modeladen im Gebäude neben der Explosionsstelle. Das gesamte Sortiment verbrannte. Schäden gab es auch bei einem Bubble-Tea-Store.Bei einem Musikverlag verglühten ein Konzertflügel und Tonaufnahmegeräte. Die Drei waren bei Axa versichert.

"Die Sprengung war nicht sachgerecht", sagte der Anwalt der Versicherung. "Stümperhaft!" Die Fachleute hätten statt des Strohs "Waterbags" und Sandsäcke zur Dämmung verwenden müssen. "Oder nur den Zünder sprengen", meinte der Anwalt. Bei dem handelte es sich allerdings um einen extrem gefährlichen chemischen Langzeitzünder. Ein Sprengmeister, der den senkrecht im Boden steckenden Blindgänger freigeschaufelt hatte, war bei dessen Anblick sofort geflüchtet. Man könne von Glück reden, dass die Bombe vom Typ GP 500 nicht gleich in diesem Moment explodiert sei, sagten Fachleute damals.

Der Vorsitzende Richter Frank Tholl erklärte nun in der Verhandlung, dass in Bayern die Aufgaben des Kampfmittelbeseitigungsdienstes stets im Auftrag der Staatsregierung durchgeführt werden. Der Anwalt der Stadt München sagte deshalb, dass die Stadt dem Räumkommando somit auch keinerlei Vorgaben machen könne - zumal sie ohnehin nicht über eigene Fachkenntnisse verfüge.

Es liege aber auf der Hand, dass der Explosionsdruck nicht in Richtung Boden gelenkt werden durfte, da unter dieser Stelle Gasleitungen und die U-Bahn verlaufen. Außerdem stehe dort das Grundwasser sehr hoch. Die Stadt weist jegliche Verantwortung für die damalige Vorgehensweise zurück. Der Anwalt der Stadt sprach auch an, dass für die Beseitigung konkreter Gefahren, die von Kampfmitteln auf ihren Grundstücken ausgehen, grundsätzlich die Grundstückseigentümer verantwortlich seien.

Bei Baumaßnahmen liege die Verantwortung bei den Bauherren. Es könne nicht sein, dass die hier mit dem Filetstück in der Feilitzschstraße viel Geld verdienen, für Schäden aber die Öffentlichkeit geradestehen solle. Es würden auch nicht direkt Geschädigte um ihr Geld kämpfen, sondern ein Versicherungskonzern wolle sein Risiko mindern, meinte der Anwalt sinngemäß.

Das Gericht fragte sich, auf welcher rechtlichen Grundlage überhaupt der Freistaat den Kampfmittelbeseitigungsdienst beauftragt. Das wird wichtig für die Frage, ob für die örtliche Gefahrenabwehr in diesem Fall Staat oder Stadt zuständig gewesen seien. Wenn die Stadt tatsächlich keinen Einfluss auf die Auswahl habe, könne sie auch nicht zuständig sein. Theoretisch könne zum Schluss alles an der Firma Tauber hängen bleiben, meinte der Vorsitzende - "das wäre auch nicht schön".

Noch sei auch offen, ob die Sprengung damals fehlerhaft gewesen sei. Stadt und Staat müssen dem Gericht jetzt darlegen, wie die Bombenräumer ausgewählt und beauftragt werden. Falls ein Sachverständiger beauftragt werden müsse, um das Vorgehen des Sprengmeisters zu beurteilen, würde das Gericht Experten aus dem Ausland holen - denn in Deutschland stehen die wenigen Fachleute in direkter Konkurrenz zu einander. Deshalb seien auch bisher vorliegende Expertenmeinungen zur Sprengung durchaus mit Skepsis zu sehen, sagt die Kammer.

Das Gericht will am 8. Februar verkünden, wie es weiter geht. Endgültig entschieden werde der Fall aber wohl erst vor dem Bundesgerichtshof, meinte Tholl.

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