Schwabing:Verhärtete Fronten

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Die geplante Sanierung des Elisabethmarktes spaltet Schwabing. Während mit einer Petion der besondere Charme dieses geschichtsträchtigen Platzes gerettet werden soll, sprechen die Händler von "grundlosem Schüren der Angst"

Von Ellen Draxel und Stefan Mühleisen, Schwabing

Die geplante Sanierung des Elisabethmarktes spaltet die Schwabinger. Viele Bürger wollen diesen "wunderbaren Platz" mit seinem über Jahrzehnte gewachsenen Charme erhalten wissen. Sie bauen auf die Unterstützung von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), animiert durch dessen Notbremse im Hinblick auf die Neugestaltung der Standl am Wiener Platz. Andere, darunter die Händler und die Lokalpolitiker des Westschwabinger Bezirksausschusses, stehen hinter dem städtischen Sanierungskonzept. Sie sind sicher, durch die Neugestaltung "einen der schönsten Plätze Münchens zu bekommen".

Hubertus von Medingers "Überzeugung ist, dass viele Bürger in Schwabing den Elisabethplatz und seinen Markt fest in ihr Herz geschlossen haben". Sie kauften dort Gemüse, Obst, Brot, Fleisch und Blumen ein, viele seit Jahrzehnten. Man treffe sich an den Ständen zum Essen und Trinken, aber auch zum Ratschen, schließe Freundschaften, diskutiere und politisiere. "Es ist zu beschreiben wie das Gefühl einer Liebe - einer Liebe zu kleinen, vertrauten Dingen", sagt der Geschäftsführer einer Immobilienfirma. Diese Liebe, betont von Medinger, vertrage keinen Abriss und Neuaufbau an anderer Stelle: "Selbst wenn dieser schick, praktisch und komfortabel sein sollte."

Wie in alten Tagen: Ein Graffito beschreibt den Elisabethmarkt als das Herz Schwabings - und über allem wacht der Engel Aloisius. (Foto: Haas)

Da er Atmosphäre und Tradition des Platzes bewahren will, hat von Medinger Mitte Juni eine Petition gestartet. Sein Ziel ist es, Stadtrat und Westschwabinger Bezirksausschuss dazu zu bewegen, den Totalabriss der Marktstände zu verhindern. Flair und besonderer Charme dieses geschichtsträchtigen Platzes sollten erhalten bleiben. Knapp 1500 Unterschriften haben der Initiator und seine Mitstreiter bis zum Stand am 1. Juli bereits gesammelt; die Listen liegen in Arztpraxen, Läden, Kindergarten, Eisdielen und Restaurants aus.

Karl Huczala ist davon wenig begeistert. "Die Leute kommen zu uns auf den Markt und wollen unterschreiben", erklärt der Obst- und Gemüsehändler, "denen müssen wir erst einmal erklären, dass wir gar nicht hinter der Petition stehen." Im Gegenteil: Der Marktsprecher befürchtet dadurch eine Verlängerung der Baustellen-Dauer. Bislang ist vorgesehen, die Neubebauung des benachbarten Stadtsparkassen-Geländes mit Wohnungen, Einzelhandel, Büroflächen und sozialer Infrastruktur parallel zur Sanierung des Elisabethmarktes laufen zu lassen. Verzögert sich die Markt-Neugestaltung, könnten es statt der zwei Jahre Bauzeit schnell fünf werden, fürchtet Huczala.

Einige wenige der 24 Händler sehen das städtische Konzept für den Elisabethmarkt zwar nach wie vor kritisch. (Foto: Alessandra Schellnegger)

"Wir sind von dieser 'No Go'-Petition wie vor den Kopf gestoßen, zumal keiner von uns darüber informiert wurde", sagt der Marktsprecher. An sich berechtigte Bedenken würden derart zugespitzt, dass Ängste der Anwohner "grundlos geschürt" würden. Einige wenige der 24 Händler sehen das städtische Konzept für den Elisabethmarkt zwar nach wie vor kritisch. aber: "Wir haben einen Konsens, dass wir mit den Markthallen konstruktiv zusammenarbeiten, um gestalterisch mitwirken können."

Besonders ärgert Huczala jener Passus der Petition, in dem behauptet werde, der Elisabethmarkt werde zu einem "Einheitssupermarkt" umgebaut: "Sicher, der Markt bekommt ein neues Gesicht. Und ich kann auch verstehen, dass die Leute den Charme des Marktes mit seinen kleinteiligen Häuschen und der individuellen Optik behalten möchten. Aber genau das bleibt ja." Der Elisabethmarkt soll, ebenso wie der Pasinger Viktualienmarkt, der Markt am Wiener Platz und später auch der Viktualienmarkt in der Innenstadt modernisiert werden. Ein TÜV-Gutachten stellte 2011 gravierende Mängel bei Hygiene und Brandschutz fest. Aus Sicht von Medingers und der Unterstützer seiner Initiative funktioniert die Verbesserung aber auch als behutsame Sanierung, ohne dass gleich die Häuschen platt gemacht werden müssten. Das habe die Debatte um den Markt am Wiener Platz gezeigt.

Ruhe und Frieden: Den für die Bewahrung Streitenden geht es vor allem um die gewachsene Atmosphäre des Schwabinger Marktes. (Foto: Catherina Hess)

Vertreter der Stadt und die mit der Neuplanung beauftragten Architekten widersprechen. "Der Wiener Platz ist extrem speziell", erklärt der Sprecher des Kommunalreferats, Bernd Plank, "er ist mit nur neun Händlern der kleinste, und von diesen neun besitzen sechs eine Gastronomie-Lizenz." Der Markt am Wiener Platz, ergänzt Architekt Rainer Hofmann von Bogevischs Büro, sei ein "Abenteuerspielplatz", auf dem alles selbst gezimmert worden sei: "Dort müssen wir jetzt zaubern, aber das geht noch irgendwie wegen der Größe." Kompromisse seien auch in Haidhausen nötig, deshalb werde dieser Markt "sicher nicht eins zu eins so stehen bleiben". Der Elisabethmarkt hingegen sei dreimal so groß, "da ist schon die Müllmehrung eine ganz andere". Eine reine Sanierung bei Erhalt der Häuschen sei für Schwabing "undenkbar". Man habe, sagt Plank, "natürlich" für jeden Markt erörtert, ob er nicht erhalten werden könne. Aber es gebe einfach gewisse Vorschriften, "und die haben nicht wir erfunden". Marktsprecher Huczala betont, eine Umstrukturierung sei am Elisabethmarkt schon deshalb nötig, um den Händlern künftig moderne Infrastruktur für Lager und Sanitäranlagen zu ermöglichen.

Noch gibt es für die geplante Neugestaltung des Elisabethmarktes nicht mehr als eine Machbarkeitsstudie. Die favorisierte Variante sieht neun Pavillons vor, locker gruppiert, asymmetrisch angeordnet und jeweils zu zwei oder drei Ständen gebündelt. Kein Häuschen wird wie das andere, aber alle sollen - typisch für den Elisabethplatz - auskragende Dächer bekommen. Jeder Pavillon erhält eine breite Außenfläche unter dem Dach. "Zwischen den Pavillons und zum Platz hin sind großzügige Räume vorgesehen, man kann da künftig gut durchgehen", lobt der Chef des Westschwabinger Stadtteilgremiums, Walter Klein (SPD). Neu ist auch, dass kein Stand mehr in zweiter Reihe stehen wird. Ob die Pavillons letztlich aus Holz oder Stein gebaut werden, ist offen. "Klar ist aber, dass die Materialität erhalten werden muss, dass Dachform und Dachneigung bleiben", sagt Architekt Hofmann, "das stellt auch keiner in Frage." Stahlkonstruktionen oder gar Hallen, wie von manchen befürchtet, werde es definitiv nicht geben: "Das will niemand." Näher betrachtet werden soll die Gestaltung aber erst in einem Realisierungswettbewerb.

Viele Bürger wollen diesen "wunderbaren Platz" mit seinem über Jahrzehnte gewachsenen Charme erhalten wissen. (Foto: Robert Haas)

Da die Fläche des Elisabethmarktes nur gut tausend Quadratmeter misst, aber Defizite bei Sanitärräumen, Anlieferung, Lagerräumen und Parkraum festgestellt wurden, muss laut Planung künftig vieles unterirdisch angesiedelt werden. Vorgesehen sind nicht nur 18 Stellplätze für Händler plus Lagerräume im ersten Untergeschoss einer Tiefgarage, wodurch an der Oberfläche mehr freier Raum entsteht. Realisiert werden sollen auch 47 Stellplätze für Anwohner in einem zweiten Untergeschoss. Ängste der Bürger, die Bäume könnten der Sanierung zum Opfer fallen, zerstreut Hofmann wie zuvor schon Markthallen-Chef Boris Schwartz: "Der gesamte Baumbestand bleibt, auch das ist sicher."

Die Status-quo-Befürworter kritisieren mangelnde Transparenz, schon die Einladung zum Bürger-Workshop im Sommer vergangenen Jahres hätten viele Bürger nicht erhalten. Und dass die Händler sich für die zweite Variante ausgesprochen hätten, sei zwar korrekt. "Mir wurde aber auch bestätigt, dass sie keine andere Wahl hatten", sagt von Medinger, "eine Lösung, die eine Sanierung ohne den Abriss des Marktes vorsah, gab es leider nicht." Weshalb die Standlbesitzer nach dem Motto "Pest oder Cholera" votiert hätten.

Im Frühjahr 2019 sollen die Arbeiten zur Umgestaltung voraussichtlich starten, den Planungen des Ersatzmarktes hat der Bezirksausschuss zugestimmt: Container stehen während der Umbauphase zweireihig auf der Westseite und einreihig auf der Ostseite der Arcisstraße.

© SZ vom 06.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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