Schwabing:Verfolgungsjagd in Venedig

Krimipreis gewonnen: Jakob Haas und Philipp Wiedmann (rechts)

Ein gutes Gespann: die beiden Krimi-Autoren Jakob und Philipp (rechts).

(Foto: Florian Peljak)

Philipp und Jakob, zwei neunjährige Buben aus Schwabing, gewinnen mit ihrem Manuskript den Kinderkrimipreis

Von Jakob Pontius, Schwabing

Am Anfang waren ein Banküberfall in Venedig und eine wilde Verfolgungsjagd zu Wasser. Eine erste Idee steht im Raum, das Grundgerüst für einen Karnevals-Krimi: "Der Rosenmontag des Jahres 1999 war kalt und neblig. Am frühen Abend schlenderte Inspektor Mario durch die Gassen Venedigs. Er hatte gerade Dienstschluss und war bestens gelaunt, als er einen Schrei vernahm." So lauten die ersten Zeilen einer preisgekrönten Geschichte. Geschrieben nicht von Donna Leon, nein: Ein Krimi für Kinder von Kindern. Ausgedacht haben sich diesen Philipp und Jakob, zwei neunjährige Buben aus Schwabing. Ihr Drei-Seiten-Manuskript "Verfolgungsjagd in Venedig" wurde mit dem 13. Kinderkrimipreis des Vereins "Kultur und Spielraum" ausgezeichnet, in der Altersgruppe der Neun- bis Zehnjährigen.

Ein Besuch bei den beiden führt in eine weitläufige Altbauwohnung in Schwabing, top saniert, nur zwei Fußminuten entfernt vom Englischen Garten. Am Montagnachmittag muss Philipp zum Gesangsunterricht, dienstags hat Jakob Klavierstunde. Am Mittwoch dann haben die beiden Schöngeister in spe Zeit für ein Treffen. Die jungen Autoren sind aufgeregt und ein wenig hibbelig, aber auch stolz, über ihren Krimi reden zu dürfen. Philipps Mutter Carolin Wiedmann deutet auf den Massivholztisch im Esszimmer, aber die Jungen wollen lieber in der Sofaecke lümmeln. Die beiden trinken Limonade, den Erwachsenen wird frisch gemahlener Kaffee serviert.

Die Schöpfer von Inspektor Mario zeigen sich sogleich ihrem Genre gemäß neugierig - sie stellen lieber Fragen, als welche zu beantworten. Aber die Mütter der beiden sitzen daneben und ergänzen, was Jakob und Philipp auslassen. Tröpfchenweise ergibt sich so ein Bild. Die Jungs kennen sich aus der Grundschule Haimhauserstraße, wo sie zwei Parallelklassen besuchen und in der Pause gern gemeinsam Fußball spielen. Im Februar nehmen sie an einer Schreibwerkstatt in der Seidlvilla teil, angestupst von ihren Eltern. Dort hilft ein "Krimibaukasten" bei den ersten Schritten. Das tabellarische Formular stellt die typischen W-Fragen: Wer hat wie was getan? Wo ist es passiert? Warum konnte es soweit kommen? Die Antworten sollen ein erstes Krimiskelett sichtbar machen.

Als mögliches Opfer haben die Viertklässler, orthografisch nicht ganz korrekt, einen "Bangangestellten" eingetragen, der Tatort soll in einer "Seitengasse neben einem Kanal" sein. Schauplatz und Zeitraum der Handlung - der Krimi spielt weit vor der Geburt der Autoren - sind von Cornelia Funkes Kinderbuch "Der Herr der Diebe" inspiriert, das beide Jungen lieben. Gleich neben dem Tatort haben die Nachwuchs-Literaten ein Herzchen in ihren Krimibaukasten gezeichnet, die Inschrift erklärt zwei mutmaßliche Klassenkameraden zum Liebespaar. In den fertigen Krimi hat es die Lovestory aber nicht geschafft.

Der ist dann in mühsamer Fleißarbeit zu Hause entstanden. Mehrere Tage lang haben Jakob und Philipp über der Geschichte gebrütet, erzählen sie. Ein Stück zu Papier gebracht, eine neue Idee gehabt, die alte wieder verworfen. Klassische Schreibarbeit eben. Klar: "Das Ausdenken hat uns am meisten Spaß gemacht", sagt Jakob und grinst. Er spricht geschliffen, sein fester Blick beweist Präsenz. Für einen Moment. Plötzlich springt Jakob auf, turnt auf der Sessellehne herum und lässt sich einen Augenblick später auf die Couch fallen. Philipp lässt sich gerne anstecken, mit kindlichem Schalk in den Augen lachen die beiden sich schlapp. Dann erzählt Philipp, nun wieder voll konzentriert, beinahe nachdenklich. Die ersten zweieinhalb Seiten zu füllen, sei kein Problem gewesen. So richtig knifflig war vor allem die Pointe: "Am letzten Tag vor der Abgabefrist haben wir noch mal fünf Stunden am Schluss gearbeitet", erinnert sich Philipp, "und Nüsse geknabbert."

Die Geduld hat sich gelohnt. Nach einer ganzen Woche Krimifest im März, wo sie ihre Geschichte auch selbst vorlesen mussten, sitzen die beiden schließlich aufgeregt bei der Preisverleihung im Literaturhaus München - "wie die Großen", wirft Jakobs Mutter Suse Falk stolz ein. Es werden nur sechs Preise in drei Altersgruppen verliehen, und die Jury hat mehr als 200 Texte zu bewerten. Keiner weiß vorher, wer gewonnen hat. Ein Sprecher des Bayerischen Rundfunks liest die Gewinnergeschichte vor, ohne den Titel zu nennen, und zunächst erkennen Jakob und Philipp ihren Krimi gar nicht wieder. "Das klang so professionell", sagt Philipp. Doch dann: Inspektor Mario wird erwähnt, und der Jubel ist groß. Erst recht, als die beiden ihren Preis zu Gesicht bekommen: Zur Urkunde gibt es eine echte Prinzregententorte, verziert mit einem Füllfederhalter und einer Blutspur aus Zuckerguss.

An Ambition und Selbstbewusstsein fehlt es den beiden seither nicht: Sie sprechen von sich als "Autorenduo" und wollen nach ihrem großen Erfolg Inspektor Mario zur Serie ausbauen. "Wir sind am nächsten Krimi dran", verkündet Jakob. Die ersten Ideen für den zweiten Fall sind schon entwickelt: Diesmal soll der Commissario arglos in den wohlverdienten Urlaub fahren, wo er natürlich prompt seine Erholung in den Wind schießen kann und erneut in einen brisanten Fall verwickelt wird. Details wollen die jungen Schreiberlinge aber noch nicht verraten, schließlich gilt: Nach dem Wettbewerb ist vor dem Wettbewerb.

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