Schwabing:Unklare Zukunft

Bauerstraße 9

Ein Haus mit Geschichte: Das denkmalgeschützte Gebäude an der Bauerstraße 9 galt zu seiner Entstehungszeit Ende der Zwanzigerjahre als sehr modern.

(Foto: Privat)

Mieter und Lokalpolitiker befürchten, dass das Haus an der Bauerstraße 9 zum Spekulationsobjekt wird. Mit Hilfe des Denkmalschutzes wollen sie einen Ausbau des Dachgeschosses verhindern.

Von Ellen Draxel, Schwabing

Das Haus an der Bauerstraße 9 ist in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Es wurde 1928/29 nach den Plänen von Julius Metzger errichtet, galt damals architektonisch als sehr modern. Inzwischen steht es mit seinem turmartigen Eckvorsprung, dem Dreiecks-Erker und dem Mansardwalmdach unter Denkmalschutz. Im Innern beherbergt das Gebäude einen alten Lift, von dem die Mieter berichten, dass er schon des Öfteren als Filmkulisse diente. Der eiserne Käfig rund um eine Holzkabine ruckelt, wenn sich der Aufzug in Gang setzt.

Eine Art Denkmalstatus kann man dem viergeschossigen Wohnhaus aber auch seiner Geschichte wegen zugestehen. Erbauen ließ es die seinerzeit in München sehr erfolgreiche Kaufmannsfamilie Uhlfelder. Die Uhlfelders waren Juden, ihr in der Münchner Altstadt gegründetes Warenhaus entwickelte sich Anfang der Dreißigerjahre zum zweitgrößten Kaufhaus der Stadt und war das erste in München mit Rolltreppen. In der Reichspogromnacht im November 1938 wurde es gebrandschatzt, den Inhaber Max Uhlfelder und seinen Sohn verschleppten die Nazis ins Konzentrationslager Dachau. 1939 kam die Familie frei und emigrierte nach Indien. Ihr Vermögen wurde eingezogen. Das Haus an der Bauerstraße ging schließlich an die Hessische Hausstiftung über. Alt-Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) wuchs dort auf, seine Eltern bewohnten das Mansardengeschoss. Die meisten Mieter leben seit Jahrzehnten hier, ein Ehepaar sogar schon seit dem Krieg.

Seit fünf Jahren aber, seit die Stiftung das Gebäude aus finanziellen Gründen an eine kleine Immobiliengesellschaft verkaufte, hat sich der Status verändert. Denn die neue Eigentümerin teilte das Haus in Eigentumswohnungen auf. "Jede der insgesamt 15 Wohneinheiten, wovon zwei als Praxen genutzt werden, wurde einzeln vermessen", erzählen die Mieter. Abgeschlossenheitsbescheinigungen sind häufig das erste Anzeichen einer drohenden Entmietung. "Auf einmal", kritisieren die Mieter, "befand sich ein ehemals jüdisches Haus auf dem Weg zum Spekulationsobjekt". Das Perfide daran: Zwei Tage vor Inkrafttreten des Erhaltungssatzungsgebietes "Hohenzollernstraße und Hohenzollernplatz", zu dem die Bauerstraße 9 erstmals zählte, wurde die Teilung im Grundbuch aktenkundig. Mit der Folge, dass der Stadt, die sonst ihr Vorkaufsrecht hätte ausüben können, nun die Hände gebunden sind. Denn das städtische Vorkaufsrecht ist nur bei noch nicht geteilten Häusern zulässig.

Inzwischen wurde das Gebäude ein weiteres Mal veräußert, seit etwa einem Jahr gehört es der Carat Immo Project GmbH. Weil den Mietern ihre Wohnungen bei einer Umwandlung zum Kauf angeboten werden müssen, wissen die Bewohner, was die Bauerstraße 9 heute in etwa wert ist: "Mindestens 15 Millionen Euro". Den Quadratmeterpreis schätzen sie auf durchschnittlich 9500 Euro.

Was künftig mit dem Haus geplant ist, können allerdings weder die Bewohner noch der Westschwabinger Bezirksausschuss sagen: Den Lokalpolitikern wurde bislang kein Vorbescheid zur Stellungnahme vorgelegt. Die Mieter haben den Stadtteilvertretern aber erklärt, dass momentan "ständig Hausbegehungen durch die Eigentümer und Architekten" stattfänden. "Im November waren sie fast jede Woche da, und auch mehrmals im Dezember." Bei der "sehr freundlichen Vorstellung" kurz nach dem Kauf hätten die neuen Eigentümer zumindest erwähnt, dass ja der Spitzboden, die "Kornkammer" des Gebäudes, ausgebaut gehöre. Bereits im Frühjahr musste der ehemals wilde, grüne Vorgarten weichen. Auf Anfrage gab es von der Carat Immo Project GmbH dazu keine Stellungnahme.

Mieter und Bezirksausschuss setzen nun alles daran, den Denkmalschutz auf eine potenzielle "Bausünde" aufmerksam zu machen. Denn ein Ausbau des Walmdachs wäre nach ihrer Kenntnis nur mit einer zusätzlichen Gaubenreihe in einer zweiten Ebene möglich. "Wir sind auf jeden Fall dafür, dass das Haus so wie jetzt erhalten bleibt", sagt der Vorsitzende des Unterausschusses Planen und Wohnen, Oskar Haider (CSU). Die Bauerstraße 9 dürfe kein Spekulationsobjekt werden. "Wenn die Leute Angst haben vor dem, was da kommen mag, ziehen sie aus", weiß einer der Mieter. "Die Gentrifizierung setzt fatale Wunden in die Stadtgesellschaft."

Laut Ingo Trömer, dem Pressesprecher des Planungsreferats, gab es für das Haus an der Bauerstraße 9 "im Herbst wohl mal eine Anfrage zum Dachausbau". Dabei habe sich aber herausgestellt, dass das Vorhaben so "überwiegend nicht möglich ist". Derzeit liege der Lokalbaukommission kein Bauantrag vor.

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