Schwabing:So schmeckt der Iran

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Heimat am Herd: Im Nachbarschaftstreff zeigt Roya Maktabi, was aus Berberitze, Zimt und Hühnchen werden kann

Von Ramona Drosner, Schwabing

Roya Maktabi fischt mit den Fingern ein paar Reiskörner aus dem Topf. Dann rührt sie noch einmal um, streicht den Holzlöffel sauber und wendet sich vom Herd ab, ihren Hilfsköchen zu: "Wenn Sie ein persisches Gericht kochen, müssen Sie geduldig sein, das braucht Zeit!" An der Küchenzeile drängen sich sieben Frauen und ein Mann aus der Parkstadt Schwabing. Im Lilly 10, dem Nachbarschaftstreff an der Lilly-Reich-Straße, wollen sie die Zubereitung von Maktabis Lieblingsrezept lernen. Auf einem Blatt Papier steht der Name des Gerichts: "Zereshk-Polo-Morgh". Vom Persischen ins Deutsche übersetzt die Iranerin das als "Berberitze-Reis-Huhn".

Während sich die Nachbarn über die wachsende Parkstadt unterhalten, öffnet Maktabi eine Tüte mit Berberitze-Früchten und lässt alle probieren. Die roten Beeren ähneln getrockneten Johannisbeeren, schmecken sauer, mit einer bitteren Note. "Die habe ich aus dem Iran mitgebracht", sagt Maktabi. Im Dezember sei sie das letzte Mal dort gewesen, doch in München bekomme man die auch - zum Beispiel im persischen Spezialitätenladen an der Dachauer Straße 28.

Die Idee für den Kulturaustausch am Herd stammt von Gerlinde Gottlieb, der Leiterin des Nachbarschaftstreffs der Parkstadt Schwabing; sie hat schon drei solcher Abende im Lilly 10 veranstaltet. "Teilweise saßen bis zu sechs Nationen an einem Tisch", strahlt sie. Die Sicht der Zugezogenen auf ihre neue Heimat interessiert Gottlieb. Und natürlich die kulinarischen Tricks: "Dass Zimt sehr gut zu Hühnchen passt, das weiß ich erst durch Roya."

Die Perserin geht das Rezept Schritt für Schritt mit den Anwesenden durch. Für ihre Erklärungen spickt sie gelegentlich auf die orangefarbenen Karteikarten, auf denen die Anweisungen in deutscher Sprache stehen. Neben komplizierten Worten wie "Pomeranze" hat sie die Übersetzung in persischen Schriftzeichen gesetzt. Zum Essen hat sie auch ihre Deutschlehrerin eingeladen, doch deren Hilfe braucht sie kaum: Wenn Maktabi einmal nicht weiter weiß, dann verfällt sie ins Englische; die Hilfsköche helfen ihr mit der korrekten deutschen Vokabel.

Maktabi macht einen ehrgeizigen Eindruck. Sie bemüht sich, ihr Deutsch zu perfektionieren. Dabei lebt sie erst seit einem Jahr hier, ihre Heimat hat sie der Liebe wegen hinter sich gelassen. Als sie 2012 mit einem Stipendium der Internationalen Jugendbibliothek für drei Monate nach München kam, lernte sie Rainer Stenz kennen und lieben. Im Januar 2014 sei sie endgültig umgezogen. "Ich war schwanger, alles musste schnell gehen," sagt Maktabi und lacht. Ehemann Stenz und Töchterchen Shirin sind bei der Kochaktion auch dabei.

Konzentriert: Roya Maktabi bei der Zubereitung ihres Lieblingsgerichtes. (Foto: Sonja Marzoner)

Nach drei Stunden in der Küche ruft Maktabi: "Achtung!" Die Hilfsköche beobachten, wie die Perserin ein Schnapsglas mit kaltem Wasser füllt und rote Safranfäden einrührt. "Für das Aroma", sagt sie, drückt das Gläschen vorsichtig in den Reis und schließt den Topf.

Während der Reis quillt, decken alle gemeinsam den Tisch, dann kann serviert werden. Alle schwelgen in dem für sie fremden Genuss. Die Perserin beginnt von früher zu erzählen: "Ich war Dozentin für Literatur in Teheran." Sie wechselt ins Englische und berichtet, wie der Irakkrieg die Familie zum Umzug zwang, wie sie studierte und als Bibliothekarin tätig war. "Ich vermisse meinen Lifestyle, mein Leben im Iran war luxuriös", erinnert sich Maktabi.

Sie spricht so, als habe sie durch den Umzug nach Europa einen Teil ihrer Unabhängigkeit eingebüßt. Mittlerweile fühle sie sich bei Besuchen in Iran nicht mehr heimisch, sondern als Gast. Doch sie bereut den Schritt in ihr neues Leben nicht: "Mein Mann und meine Tochter bedeuten die Welt für mich."

© SZ vom 05.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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