Schwabing:Sachdienliche Hinweise

Mit einem Gutachten des renommierten Architekten Muck Petzet wollen die Bewohner des Johannes-Kollegs in Schwabing den von der Erzdiözese angekündigten Abriss des Studentenheimes verhindern

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Der Protest zeigt sich nun schon seit mehreren Wochen trotzig an der Hauswand der Hiltenspergerstra- ße 84. "It's not a dorm, it is our home" haben die Studenten des Johannes-Kollegs in Schwabing mit bunten Buchstaben auf ein großes Transparent geschrieben - es ist kein Wohnheim, es ist unsere Heimat. Auch drinnen im Haus ist der Geist des Widerstandes ungebrochen. "Die Erzdiözese zerstört hier ein wertvolles Projekt, das werden wir nicht hinnehmen", sagt Johannes Hochholzer und fügt hinzu: "Wir haben gute Argumente."

Der 22-jährige Student der Physik spricht mit leiser Empörung in der Stimme. Er redet darüber, dass er und seine Mitstreiter entschlossen sind, für "ihre Heimat" zu kämpfen. An diesem Mittwoch hat er als Vorsitzender des "Bündnisses für das Johannes-Kolleg" eine Demonstration organisiert - es ist ein Protestmarsch gegen den Abriss des kirchlichen Studentenwohnheimes, das einen integrativen Ansatz verfolgt: 112 Bewohner aus 40 Nationen und verschiedenen Religionen leben hier zusammen. Studenten und Unterstützer wollen um 18 Uhr vom Odeonsplatz zum Bischofspalais von Kardinal Reinhard Marx an der Kardinal-Faulhaber-Straße marschieren und 7343 Unterschriften übergeben - und zwar an den Kardinal selbst, wie Hochholzer insistiert. Sie werden auch eine Expertise aushändigen, die einem Gutachten der Erzdiözese widerspricht. "Ich habe keine Anzeichen für eine Baufälligkeit gefunden", sagt Muck Petzet.

Der 53-Jährige führt ein Architekturbüro an der Landwehrstraße. International bekannt wurde er 2012 als Kurator des deutschen Pavillons für die Architektur-Biennale in Venedig; zudem hat er schon des öfteren seine Stimme gegen den Abriss von Gebäuden erhoben. Das tut er auch jetzt wieder, und zwar honorarfrei, weil er den integrativen Ansatz unterstützt. "Hier soll eine tolle Institution leichtfertig abgebrochen werden, die Möglichkeiten für einen Erhalt wurden nicht ausgeschöpft", sagt Petzet.

Die Erzdiözese München und Freising hatte im April angekündigt, dass das Johannes-Kolleg Ende September geschlossen und abgerissen werde, da es baufällig und wirtschaftlich nicht sanierbar sei. Die Diözese hatte das Gebäude vom Hilfswerk Missio gekauft; entstehen soll ein Neubau mit Wohnungen. Die Erzdiözese verteidigt bis heute die Abriss-Entscheidung - und dementiert hartnäckig, dass die Studenten womöglich auf der Straße landen. "Wir werden 112 neue Wohnheimplätze schaffen, jeder bekommt einen Platz", versichert Bistumssprecher Bernhard Kellner.

Doch Muck Petzet glaubt: Ein Abriss sei gar nicht notwendig. Er spricht von einem dem Alter von 50 Jahren entsprechenden, "aber durchaus gepflegten Zustand". Für eine Sanierung setzt er nur die Hälfte der in einem Gutachten aus dem Jahr 2011 veranschlagten Summe an. Die Erzdiözese geht nach seinen Angaben von 7,7 Millionen Euro Gesamtkosten aus, Petzet kommt auf 3,9 Millionen Euro. Es gebe einen gewissen Instandhaltungsstau, insbesondere beim Brandschutz. Er hält indes das Gebäude für "funktionstüchtig", den bescheidenen Standard mit kleinen Zimmern für angemessen. Sein Fazit: "Ich glaube, dass sich da jemand verrechnet hat."

Hochholzer und seine Mitstreiter fühlen sich von der Erzdiözese hinters Licht geführt. "Die versuchen eine Entscheidung durchzudrücken, die nicht auf Fakten basiert", sagt er und kreidet der Bistumsleitung verärgert an, Anfragen nicht ausreichend beantwortet zu haben: "Es hat den Anschein, als könne der Abriss nicht begründet werden." Bistumssprecher Kellner beteuert dagegen, dass den Bewohnern ein Ordinariats-Mitarbeiter als Ansprechpartner zur Verfügung gestanden habe: "Ich verstehe, dass viele Abschiedsschmerz empfinden. Doch es ist Zeit zu sagen: Wir brechen zu anderen Ufern auf. Vielleicht wird es dort schöner als vorher." Kardinal Marx, so kündigt er an, werde die Petition am Mittwochabend indes nicht in Empfang nehmen können, da er im Ausland sei. Dafür stünden sein Stellvertreter, Generalvikar Peter Beer, sowie Ordinariatsdirektor Thomas Schlichting und der zuständige Abteilungsleiter für studentisches Wohnen, Thomas Hagen, bereit.

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