Schwabing:Offene Türen

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Mit einem Festgottesdienst ist St. Sylvester nach der Innenrenovierung am Sonntag wieder eröffnet worden. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die einjährige Renovierung hat der Doppelkirche St. Sylvester in Altschwabing gut getan. Vormals düstere Räume sind jetzt hell und einladend, das Trenngitter im Innenraum ist verschwunden

Von Nicole Graner, Schwabing

Maria hat ihren Kopf leicht geneigt. Sie blickt zu Gabriel, dem Engel, der ihr in eindringlicher, aber auch behutsamer Gebärde verkündiget, dass sie bald Mutter werden wird. Ihr Blick ist verwundert, aber gleichzeitig ganz offen und gefasst. Fast glaubt der Betrachter, ein leichtes Lächeln auszumachen. Von schlichter Schönheit ist die Verkündigungsgruppe, die der Werkstatt des berühmten Barock-Bildhauers Ignaz Günther zugeschrieben wird und um 1770 entstanden sein soll. Jahrelang stand sie, leider ein wenig versteckt, in der alten Kirche St. Sylvester. Nun hat sie nach der umfangreichen Innenrenovierung der Altschwabinger Pfarrkirche endlich einen prominenten zentralen Platz: an die rechte Wand vor der Kanzel. "Wunderschön", freut sich eine Besucherin, die am Sonntag extra ein bisschen früher zum feierlichen Festgottesdienst gekommen ist, um sich alles in Ruhe anzuschauen. Wie viel andere auch.

Die Verkündigung des Herrn, sie steht für die Menschwerdung Gottes. Für, wie Dekan und Pfarrer David Theil in seiner Festpredigt deutlich macht, die Menschlichkeit an sich. Diese bedingungslose "Ja" Marias sei gleichzeitig auch die Botschaft, sich selbst als Christ der Menschlichkeit bewusst zu werden und sie in die Welt hinauszutragen. "Dieser Ausdruck des Vertrauens ist gleichsam auch die Botschaft, die wir damit in unserer Kirche weitergeben wollen."

Im Herbst 2014 hatten die Renovierungsarbeiten begonnen und sie waren eine logistische Meisterleistung. Der Gottesdienstbetrieb sollte weiterlaufen, also plante man eine Sanierung in zwei Etappen. Erst wurde die alte Kirche renoviert, eine Trennwand eingezogen, damit die neue Kirche weiterhin genutzt werden konnte. Es wurden die wertvollen Figuren abgenommen, die Wände und Altäre gereinigt, Elektroarbeiten durchgeführt und ein geschlossenes Heizsystem unter den Bänken angebracht. In einem zweiten Schritt passierte mit der neuen Kirche das Gleiche.

Alt und neu? Was hat es damit auf sich? Altschwabinger kennen die Geschichte ihres ehemaligen St. Johanniskirchleins, das wohl schon existiert, als "Swapinga" 782 urkundlich das erste Mal erwähnt wird. Von da an hat das Kirchlein eine wechselhafte Geschichte. Um 1200 wird der Unterteil des Turms gebaut, 1500 wird die Kirche erweitert und der heiligen Ursula geweiht. Am 1. Juli 1920 erhält die Alte St. Ursulakirche den Namen St. Sylvester, da die am Kaiserplatz errichtete Kirche St. Ursula zu Hauptkirche wird.

Ein wenig düster wirkte St. Sylvester schon immer - trotz der wunderschönen Figuren und Altäre. Doch nun sind beide Kirchen helle, freundliche Räume, die einladend wirken und einen viel besseren Blick auf die Figuren, die Altäre und Wandmalereien ermöglichen. Einladend sein, auch das ist ein großer Wunsch der Pfarrgemeinde. Und als ob der Wunsch erhört wurde, schien nach Schnee- und Graupelschauern plötzlich die Sonne durch die Kirchenfenster und ließ das Gold an den Altären glitzern.

Und noch einmal Maria. Die "Madonna auf der Mondsichel" des Bildhauers Constantin Pader aus dem 17. Jahrhundert hat ebenfalls einen neuen Platz gefunden - im Zwischenraum, der beide Kirche miteinander verbindet. Maria steht auf einem Halbmond, trägt ihr Kind bereits auf Händen, das mit fast keckem Blick in die Zukunft blickt. Beide Marienfiguren vereinen die Botschaft, die Theil immer wieder in seiner Festpredigt äußert: In Zeiten von Gewalt, in denen die Menschen nicht wüssten, wie sie mit ihrer Angst umgehen sollen, sei das Erleben von Menschlichkeit eine große Hilfe. Einen mutigen Schritt ist die Pfarrei bei der Renovierung gegangen. Die alten trennenden Gitter im Kirchenraum wurden entfernt. "In einer Zeit, in der in Europa Zäune gebaut werden, wollen wir uns nicht abgrenzen, nicht aus der Angst heraus leben, sondern uns öffnen. Alle Menschen sind willkommen und können hier durchschnaufen."

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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