Schwabing:Einspruch

Schwabing: Keine Chance: Das Haus Leopoldstraße 153 steht unter Denkmalschutz.

Keine Chance: Das Haus Leopoldstraße 153 steht unter Denkmalschutz.

(Foto: sru)

Eine Gedenktafel für den Philosophen und Antisemiten Ludwig Klages scheitert zunächst am Denkmalschutz

Von Berthold Neff, Schwabing

Wenn jemand zwar ein bekannter Philosoph, aber auch ein glühender Antisemit war - sollte man dann mit einer Gedenktafel an einem Haus daran erinnern, dass er einst hier wohnte? Diese Frage stellt sich jetzt am Haus Leopoldstraße 153. Geplant ist, durch die Plakette an der Hauswand daran zu erinnern, dass hier um die Jahrhundertwende bis 1915 Ludwig Klages lebte. Philosoph, Psychologe, Graphologe - und Antisemit.

Antisemitische Töne hatte Klages schon früh angeschlagen, und als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, griffen diese seine Tiraden gerne auf, zumal sie wissenschaftlich verbrämt daherkamen. Durch Marxismus und Kommunismus sah er mit Blick auf Sowjetrussland - von ihm "Judenrußland" genannt - die "freche Herrschaft einer verhältnismäßig kleinen Minderheit allmächtiger Schmarotzer über ein riesiges Herr völkisch zersetzter und wesentlich entseelter Arbeitssklaven" gegeben.

Später, als Adolf Hitler den Völkermord an den Juden bereits in Gang gesetzt hatte, wurde Klages sogar deutlicher: "Alles Menschliche ist dem Juden bloß Gebärde, ja sein menschliches Gesicht selbst ist nur eine Maske. Er ist nicht etwa verlogen, sondern die Lüge selbst. Wir stehen also auf dem Punkt zu entdecken: Der Jude ist überhaupt kein Mensch." So ist es nachzulesen in seinem von ihm selbst herausgegebenen Nachlassband "Rhythmen und Runen", 1944 in Leipzig erschienen.

Von der Jahrhundertwende bis 1915 wohnte Klages im Haus Leopoldstraße 153

Zwei Jahre zuvor bekannte er in einem Brief an den Vizepräsidenten der Reichsschrifttumskammer, für ihn stehe "seit mehr als vierzig Jahren fest, dass wir dem Endkampf Judas mit der Menschheit entgegengehen". Die führenden Kreise Englands, die Lords, seien "blutsmäßig längst völlig durchjudet", und "von den Spitzenjuden Moskaus, Londons und Washingtons werden die Völker ins Verderben getrieben im Dienste Jahwes".

Angesichts solcher Sätze räumt Heinz-Siegfried Strelow, seit 2012 Präsident der Ludwig-Klages-Gesellschaft mit Sitz in Marbach und Initiator der Gedenktafel, ein: "Das kann man nicht beschönigen, das ist ein ärgerliches Kapitel". Der 51 Jahre alte Historiker, der vor allem die norddeutsche Regionalgeschichte erforscht, sagt auf Anfrage, Klages sei eben "ein Kind seiner Zeit" gewesen. Die Klages-Gesellschaft, die etwa 50 Mitglieder auch aus dem Ausland zählt, wolle diesen Aspekt des Philosophen in der nächsten Zeit näher beleuchten. Eine Gedenktafel sei dafür nicht geeignet, "die enthält nur knappe biographische Daten". Am vergangenen Samstag trafen sich die Mitglieder zu ihrer Tagung in München und wollten die Tafel feierlich enthüllen. Das Vorhaben scheiterte zunächst, denn das 1906 im neubarocken Stil erbaute Mietshaus steht unter Denkmalschutz, ohne eine spezielle Genehmigung darf man an der Fassade nichts anbringen. Strelow kündigte an, diese Genehmigung jetzt zu beantragen.

Ludwig Klages war 1893, im Alter von 21 Jahren, nach München gekommen. Hier schloss er sein Chemiestudium mit der Promotion ab, widmete sich dann aber lieber den Geisteswissenschaften und war Teil der Schwabinger Bohème-Szene. Zusammen mit Karl Wolfskehl, Alfred Schuler, Stefan George und Albert Vewey gehörte er zur Runde der "Kosmiker" und wurde Liebhaber der "Skandalgräfin" Fanny zu Reventlow. Er übernahm die Vormundschaft für deren uneheliches Kind, aber als er verlangte, dass die mit dem Rauchen aufhören solle, verließ sie ihn.

Der Euphorie vieler deutscher Intellektueller beim Kriegsbeginn 1914 verweigerte er sich und zog an den Zürichsee, nach Kilchberg. Hitlers Machtergreifung erlebte er in der Schweiz, versuchte aber auch von dort, sich dem NS-Regime anzudienen, was von den Machthabern zuletzt nur halbherzig erwidert wurde. 1942, zu seinem 70. Geburtstag langte, es nur zu einem freundlich-abfälligen Artikel im Völkischen Beobachter.

Zu dieser Zeit war Klages' Jugendfreund, der spätere Kulturphilosoph Theodor Lessing, bereits seit neun Jahren tot. Klages hatte diese Freundschaft 1899 beendet, möglicherweise aus antisemitischen Motiven - Lessing war Jude. Er flüchtete nach Hitlers Machtergreifung in die Tschechoslowakei und wurde im Sommer 1933 in Marienbad von drei nationalsozialistischen Attentätern durch Schüsse so schwer verletzt, dass er am nächsten Tag starb.

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