Schwabing:Das letzte Überbleibsel der Swinging Sixties schließt

Lokal "Drugstore" in München, 2017

Vergangenes Jahr wurde das Lokal noch frisch renoviert.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das Drugstore am Wedekindplatz ist zu, wieder einmal. Es hatte illustre Gäste, von Romy Schneider bis Mick Jagger.

Von Franz Kotteder

Vor einem Dreivierteljahr sah es noch so aus, als wäre eines der letzten Überbleibsel der Swinging Sixties in Schwabing gerettet: das Drugstore am Wedekindplatz in Schwabing. Nader Saffari, 50, von Beruf eigentlich Kameramann und Fotograf, hatte nach dem Tod seines Vaters Jahangir Saffari, der das Lokal 45 Jahre lang geführt hatte, das Drugstore übernommen. Er wollte es für Schwabing erhalten, "aus Leidenschaft", wie er im vergangenen Jahr noch sagte.

Das hat offensichtlich nicht geklappt: Seit Sonntag hat das Lokal geschlossen, Saffari hat die Reißleine gezogen, weil die Insolvenz drohte. Stellung nehmen wollte er am Dienstag nicht, weil "noch vieles ungeklärt" sei. Am frühen Nachmittag waren seine 18 festangestellten Mitarbeiter zu einer Versammlung geladen, bei der das weitere Vorgehen besprochen werden sollte.

Das Drugstore in der Feilitzschstraße 12 war bis zu diesem Sonntag eine lebende Legende aus der Flower-Power-Ära in Schwabing. Die beiden aus Iran kommenden Brüder Anusch und Temur Samy, die Erfinder der Diskotheken Blow Up und Citta 2000, waren damals die Könige des Schwabinger Nachtlebens. Sie eröffneten im Juni 1967 auch das Drugstore, als "Beatschuppen", wie man das in den Sechzigern noch nannte, und zwar mit einem zeitgemäßen Happening. "Resozialisierung eines Gammlers" nannten sie die Aktion, bei dem ein langhaariger Hippie - damals landläufig noch "Gammler" genannt - zum Gaudium der Menge öffentlich gebadet und in einen Anzug mit Krawatte gesteckt wurde.

Das Drugstore selbst war ein Mittelding zwischen Bar, Café, Restaurant und Musikkneipe mit Diskothek im ersten Stock. Die leitete der Cousin der Samys, Jahangir Saffari, genannt "Johnny". Als Anusch Samy 1970 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, übernahm Saffari auch das Lokal im Erdgeschoss und führte es bis zu seinem Tod im Oktober 2015. Bis dahin hatte der Laden viele illustre Gäste, von Mick Jagger bis Romy Schneider; im ersten Stock zog ein Travestietheater ein und später dann die Kleinkunstbühne Heppel & Ettlich, die sich noch immer dort befindet.

Nach dem Tod Saffaris blieb die Zukunft des Drugstores ungewiss; es war auch nicht klar, was der Hausbesitzer, die Brauerei Maierbräu aus Altomünster, vorhatte. Neun Monate lang wurde das Lokal von Grund auf saniert, und Saffaris Sohn Nader bekam den Zuschlag und einen neuen Pachtvertrag. Exakt 50 Jahre nach der ersten Eröffnung kam dann die zweite, die Wiedereröffnung. Das Drugstore schien wieder eine Zukunft zu haben.

Nun sind die Blütenträume von einer Auferstehung der Schwabinger Flower-Power-Ära schon wieder verwelkt, um im Bild zu bleiben. Das Lokal weiterzuführen, war finanziell offenbar nicht zu vertreten. Die Brauerei will das Lokal erhalten, teilte sie auf Anfrage mit. Man verhandle bereits mit einem neuen Pächter. Das Theater Heppel & Ettlich bleibt weiter geöffnet, ebenso wie der Kiosk im Erdgeschoss.

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