Schwabing:Abrissfirma reißt versehentlich Rückwand des Tams-Theaters ein

TamS

Offene Wunde: Planen schützen den Dachstuhl des Theaters.

(Foto: Privat)
  • Bei Bauarbeiten auf dem angrenzenden Grundstück ist das Tams-Theater massiv beschädigt worden.
  • Bis die Schäden behoben sind, werden die Schauspieler wohl oder übel noch mehrere Monate improvisieren müssen - die Bauarbeiten werden aber fortgesetzt.

Von Nicole Graner, Schwabing

"Wenn es gut werden soll", so steht es auf dem Plakat der Abrissfirma. Gerade jagt ein Bauarbeiter eine Hilti in das Mauerwerk. Putz bröckelt. Auf dem Gelände der Occamstraße 14 soll ein Objekt mit elf Eigentumswohnungen entstehen. Gebaut vom Bauträger Modern Wohnbau. Geworben wird für schicke, gediegene Wohnungen im "Künstlerviertel", das "gefällt und verzaubert". Doch im Moment ist gar nichts gut.

Bei den Abbrucharbeiten hat die Abrissfirma am Freitag die Wand im ersten Stock des Schwabinger Tams-Theaters an der Haimhauserstraße 13 eingerissen, die direkt an das Baugelände angrenzt. Zunächst war nur ein Teil, doch dann aus "Sicherheitsgründen" die ganze Wand abgebrochen worden. Der Speicher des Tams, voll von Requisiten, Koffern und gelagertem Holz für den Bühnenbau, ist nun offen. Eine Plane soll den hölzernen Dachstuhl und die Requisiten notdürftig schützen. Auch muss der Dachstuhl gesperrt werden. "Einfach zu gefährlich", sagt Lorenz Seibt vom Tams-Theater.

Seibt und die übrigen Mitglieder des Teams sind noch immer fassungslos. "Da wird auf der Webseite der Bauträger geworben mit neuen Wohnungen im Künstlerviertel und dann wissen die Bauherren nicht einmal, dass hier ein Theater ist." Vermutlich, so glaubt Seibt, habe sich niemand die Mühe gemacht, um die Ecke herumzugehen und zu schauen, was das für ein Gebäude ist, das da direkt angrenzt.

"Nein", sagt Bernhard Nägeli von Modern Wohnbau. "Wir wussten natürlich immer, dass da ein Theater drin ist. Was man aber nicht wissen konnte, war die Tatsache, dass sich die zweischalige Rückwand des Tams-Theaters eigentlich auf unserem Grund befindet." So etwas entdecke man erst bei den Abbrucharbeiten. Er könne das Tams-Theater gut verstehen, aber so etwas passiere eben. Natürlich hat das Tams-Theater am Freitag die Polizei und das Kommunalreferat informiert. Aber es wurde, weil, wie dem Tams-Theater bestätigt wurde, alles rechtmäßig "genehmigt" sei, weitergearbeitet. Mit Folgen.

Denn nur drei Tage später fallen ordentlich Putz und Steine von der Bürowand des Theaters auf den Schreibtisch, der für die laufende Theaterproduktion von Schauspielerin Charlotte von Bomhard als Garderobe genutzt wird. Weitere Risse in der Wand sind nun zu sehen.

Das Ganze geschieht, als Vertreter des Landesamtes für Denkmalpflege und der Unteren Denkmalsbehörde im städtischen Planungsreferat die Räume des Tams gemeinsam besichtigen. Vor einigen Monaten hat das Theater-Team den Antrag auf Aufnahme des Gebäudes in die Bayerische Denkmalschutzliste gestellt. Schließlich hat das Gebäude, in dem das Tams-Theater seit 1969/70 untergebracht ist, Geschichte. Und gehört genau zu jenem künstlerischen Ambiente im Schwabinger Viertel, mit dem der Bauträger schließlich wirbt. Bis ins Jahr 1880 reicht die Historie vermutlich zurück.

Im vorderen, ehemaligen alten Sozialamt, das bereits unter Denkmalschutz steht, waren einst ein Kinderkrankenhaus und ein Tröpferlbad untergebracht. "Unser Theatergebäude", erklärt Seibt, "war einmal die Totenkammer für das Krankenhaus." Und die Duschen des Tröpferlbades waren einst im heutigen Bühnenraum untergebracht. Alte Kacheln, verborgen unter weißer Farbe, dokumentieren das. Außerdem ist die alte Heizungsanlage des Bades im Foyer des Theaters heute Attraktion genug. Gründe, die das Landesamt für Denkmalschutz sehr wohl gesehen hat. Auch weil einige alte Bestandteile wie Türen oder Beschläge ebenfalls noch vorhanden seien. Das Gebäude ist schützenswert - zu diesem Ergebnis seien, so Seibt, alle Beteiligte bei der Begehung gekommen.

Gebaut werden darf weiter. Das hat die Lokalbaukommission bescheinigt, die mit Statiker und Architekt am Dienstag ins Tams-Theater gekommen war. Die Statik halte, sagt Nägeli. Auch wenn nun die Tiefgarage der Occamstraße 14 neu geplant werden müsse. Es fehlten dem Wohnprojekt jetzt 30 Zentimeter. Aber die Tams-Wand soll auf jeden Fall bestehen bleiben, sonst müsse generell neu gebaut werden und das Theater für länger ausziehen. Das wolle man, so Nägeli, nicht. Also wird zunächst verschalt werden. Zumindest für das nächste halbe Jahr. "Solange", sagt er, "bis die Stadt München weiß, wie die Wand endgültig gebaut werden soll." Auch würden "natürlich alle Schäden beseitigt".

Der Tisch im Tams-Büro wackelt,der Lärm dringt durch Mark und Bein. Das Gefühl, dass eine Baggerschaufel durch die Bürowand des Theaters brechen könnte, schürt Angst. "Unsere Nerven liegen schon etwas blank", sagt Seibt. Nächste Woche sollen die Bohrpfahlwände für die Tiefgarage eingezogen werden. Nach allem, was gerade passiert sei, müsse man sich doch überlegen, die Büroräume in die Garage zu verlegen. Dazu aber müssten erst einmal unzählige Stühle ausgeräumt werden.

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