Schulmisere:"Der Mangel ist nicht von heute auf morgen zu beseitigen"

Eltern müssen bereits für erkrankte Lehrer einspringen. Dennoch bestreitet Monika Hohlmeier ernsthafte Probleme. Ein Interview mit Bayerns Kultusministerin zur schlechten Stimmung an den Schulen.

Interview: Christine Burtscheidt

SZ: Die Stimmung an den Schulen ist schlecht. Eltern planen wegen des Lehrermangels Protestaktionen. Wann stellen Sie endlich zusätzliche Lehrer ein?

Schulmisere: Nicht einmal eine Grippewelle könne den Unterricht gefärden, meint Monika Hohlmeier.

Nicht einmal eine Grippewelle könne den Unterricht gefärden, meint Monika Hohlmeier.

(Foto: Foto: AP)

Hohlmeier: Der Eindruck, dass an den Schulen eine Katastrophe herrscht, stimmt nicht. Die Lehrerversorgung ist wie normal. Eltern werden keineswegs als letzte Notreserve eingesetzt. Es stehen ausreichend finanzielle Mittel für Aushilfen zur Verfügung.

SZ: Der Philologenverband spricht von wöchentlich 1500 Unterrichtsstunden, die in Bayern ausfallen. Das klingt durchaus dramatisch.

Hohlmeier: Der Philologenverband findet alles schlecht, nur weil er gegen das neue achtjährige Gymnasium ist. Wir decken derzeit 99 Prozent des Unterrichts normal ab. Wenn Krankheiten auftreten, dann stehen finanzielle Mittel für Aushilfslehrkräfte zur Verfügung. Nur beim Wahlunterricht musste bisher eine gewisse Kürzung vorgenommen werden.

SZ: Direktoren berichten jedoch von immer mehr Klassen mit 36 Schülern; auch davon, dass das Personal vorne und hinten nicht reicht.

Hohlmeier: Es gibt leider tatsächlich einige größere Klassen. Aber die durchschnittliche Klassenstärke ist im Vergleich zum Vorjahr nicht gestiegen. Wenn Lehrer erkranken, können die Schulen entsprechende Aushilfsmittel beim Kultusministerium abrufen. Es sind bei weitem noch nicht alle Mittel für Aushilfskräfte abgefragt.

SZ: Viele Lehrer stehen auf der Straße, warum stellen Sie diese nicht ein?

Hohlmeier: In Mathematik und Physik und in Latein gibt es tatsächlich einen Lehrermangel. Wir haben in der Vergangenheit versucht, aktiv für das Lehramt Latein zu werben. In Mathematik und Physik wurden viele Lehrer von der Wirtschaft abgeworben. Auch hier gehen wir neue Wege und holen Diplomphysiker aus der Wirtschaft zurück, sofern sie bereit sind, eine pädagogische Ausbildung zusätzlich abzulegen. Wir haben den Mangel also erkannt, aber er ist nicht von heute auf morgen zu beseitigen. Zumal es deutschlandweit an Mathematik- und Physiklehrern fehlt.

SZ: Was machen Sie, wenn die erste Grippewelle kommt? Springen an den Schulen dann CSU-Abgeordnete ein?

Hohlmeier: Erstens steht eine Datenbank zur Verfügung, in der Aushilfslehrer geführt werden. Zweitens erstellen Schulen selbst bereits so genannte Aushilfs-Karteien. Es gibt pensionierte und beurlaubte Lehrer, die bereit sind, für eine erkrankte Lehrkraft einzuspringen. Das war in früheren Jahren selbstverständlich, und ist auch jetzt nicht anders. Der Unterschied zum vergangenen Jahr ist lediglich, dass diesmal die Mobile Reserve für den regulären Unterricht eingesetzt werden musste.

SZ: Sie werden also beim Finanzministerium keinen Vorstoß machen, um zusätzliche Stellen zu erhalten?

Hohlmeier: Wir werden die Probleme, die auftreten, sensibel aufnehmen, und in die parlamentarischen Beratungen einbringen. Sollten finanzielle Mittel bei den Aushilfskräften fehlen, werde ich das klipp und klar in die Beratungen mit einbringen. Als Kultusministerin bedauere ich, dass wir am Gymnasium und an der Realschule teilweise noch größere Klassen haben, während es uns gelungen ist, die Klassenstärken an den Volksschulen deutlich zu senken.

SZ: Kämpfen Sie nun für Stellen?

Hohlmeier: Ich werde für das Schulwesen kämpfen.

SZ: Wollen Sie ernsthaft mit Eltern als Lehrkraft-Ersatz weltweit unter die zehn besten Pisa-Länder aufsteigen?

Hohlmeier: Darum geht es doch gar nicht. Es handelt sich lediglich um einen qualifizierten Ersatz bei einer erkrankten Lehrkraft.

SZ: Die Schulen haben auch juristisch Bedenken, Eltern als Lehrer einzusetzen. Wer haftet eigentlich, wenn etwas passiert?

Hohlmeier: Sämtliche rechtliche Fragen sind dadurch geklärt, dass die einspringende Lehrkraft nach dem öffentlichen Dienstrecht eingestellt wird.

SZ: Probleme, die es zurzeit gibt, liegen also nicht an der Staatsregierung, sondern an den Schulen selbst?

Hohlmeier: Wir nehmen die Sorgen der Eltern wegen des Unterrichtsausfalls sehr ernst. Ich habe Verständnis für den Ärger der Eltern, wenn kurzfristig Unterricht ausfällt. Hier werden wir gemeinsam mit den Schulleitungen nach geeigneten Lösungen suchen. Gerade, was den Ausfall bei Lehrerfortbildungen betrifft.

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